Reiche werden immer reicher, wie der Capgemini World Wealth Report erneut zeigt. Der Bericht bestätigt Ergebnisse von OXFAM, der EZB, sowie der Nationalbank: Vermögen ist extrem konzentriert in den Händen einiger Weniger, allen voran bei den Allerreichsten.
Von Barbara Schuster
Die Intention des Beratungsunternehmens Capgemini ist klar: „Wie können wir die Überreichen noch reicher machen?“. Als Gesellschaft sollte es uns aber eher darum gehen, dass alle ein gutes Leben führen können und alle ihren gerechten Beitrag zum Sozialstaat leisten. Letzteres betrifft vor allem die Überreichen. Die Datenlage zu extremen Vermögen ist aber so dünn, dass jede zusätzliche Studie – egal mit welcher Intention – einen wichtigen Beitrag dazu liefert, ein vollständigeres Bild der Überreichen bekommen. Und die Zahlen des Capgemini-Berichts bestätigen, was wir schon lange wissen: Der Großteil des Vermögens befindet sich in einigen wenigen Händen an der obersten Spitze der Vermögensverteilung.
Größte Vermögensungleichheit in Österreich
In Österreich ist Vermögen im Vergleich zu den anderen Euroländern besonders ungleich verteilt: Die reichsten 5 Prozent, das sind rund 200.000 Haushalte, verfügen über mehr als die Hälfte des privaten Nettovermögens im Land. Ganze 55 Prozent des Gesamtvermögens sind in ihrem Besitz. Damit liegt Österreich auf Platz 1 der Ungleichverteilung in der Eurozone. Lediglich 200.000 Haushalte besitzen also zusammen eine Billion Euro, während sich die restlichen 3,9 Millionen Haushalte 850 Milliarden Euro teilen. Konkret bedeutet das: Während die Top 5 Prozent durchschnittlich 5 Millionen Euro besitzen, haben die restlichen 95 Prozent durchschnittlich 220.000 Euro. Tatsächlich besitzt die Hälfte der Bevölkerung sogar weniger als 130.000 Euro. Zur selben Zeit leben 1,3 Millionen Menschen sogar unter der Armutsgefährdungsschwelle – und das, obwohl sie Sozialleistungen beziehen. Während Reiche in Österreich ihr Vermögen ohne Einschränkungen weitervermehren und steuerfrei weiterreichen, da Vermögen- und Erbschaftssteuern vor Jahren abgeschafft wurden.
Unternehmensvermögen fast gänzlich im Besitz der Reichsten
Die Vermögensungleichheit wird auch durch die enorme Konzentration von Unternehmensvermögen befeuert. Satte 95 Prozent des Betriebsvermögens sind im Besitz der Top 10 Prozent. Durch die seit Jahren kontinuierlichen Kürzungen der Unternehmenssteuern profitiert demnach auch nur ein geringer Teil der österreichischen Haushalte.
Denn die Körperschaftsteuer in Österreich, sprich die Steuer auf Unternehmensgewinne, verfolgt seit Jahren ein “Race to the bottom”: Seit den 70er Jahren wird sie regelmäßig gesenkt. Lag die Körperschaftsteuer vor 40 Jahren noch bei 55 Prozent, ist sie heute mit 23 Prozent nicht einmal mehr halb so hoch wie damals. Österreichs Unternehmen unterliegen somit einem noch nie dagewesenen Niedrigsteuersatz auf ihre Gewinne. Allein durch die Senkung in dieser Legislaturperiode um 2 Prozentpunkte gehen dem Staat pro Jahr etwa 1 Milliarde Euro an Steuereinnahmen verloren. Problematisch ist das vor allem, weil es sich dabei um ein Steuergeschenk vor allem für die größten Unternehmen im Land handelt.
Ungleichheit befeuert Klimakrise
Extreme Ungleichheit ist nicht nur demokratiegefährdend, da sie zu Machtkonzentration und politischer Einflussnahme führt. Sie verstärkt auch klimaschädliches Verhalten, denn Überreiche verursachen bei weitem mehr Emissionen. Das einkommensreichste Zehntel der Haushalte verursacht mehr als ein Viertel der heimischen Haushaltsemissionen – knapp so viel, wie die gesamte ärmere Hälfte der Haushalte zusammen. Das liegt daran, dass reichere Haushalte öfters größere Autos fahren, viel häufiger fliegen, in größeren Häusern leben und generell enorm viel konsumieren. Durchschnittliche Bürger:innen stoßen vor allem Emissionen zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse aus, die Reichen allerdings durch exzessiven Überkonsum.
Bei den Reichsten gibt es also ein enormes Potential, CO₂ einzusparen – das gilt es bei Klimaschutzmaßnahmen zu berücksichtigen. Ebenso muss mitbedacht werden, dass auch die Beeinträchtigungen durch die zunehmende Erderhitzung ungleich verteilt sind. Die großen Verursacher:innen der Klimakrise – Reiche – sind nicht diejenigen, die am meisten unter den Folgen leiden – nämlich Ärmere.
Vermögensteuer für die Allerreichsten
Der Wunsch nach einer Politik, die in Verteilungsfragen für mehr Balance sorgt, ist groß. Acht von zehn Österreicher: innen – egal ob arm oder reich – finden: Die Politik muss die Schere schließen. Die Steuern auf Arbeit und die Steuern auf Vermögen müssen in ein Gleichgewicht gebracht werden. Wer arbeitet, soll weniger beitragen müssen. Und wer erbt oder Gewinne mit seinem Vermögen macht, soll mehr beitragen. Dann wären unsere Steuern im Schnitt für alle niedriger – statt wie jetzt für ein paar wenige viel zu niedrig.
Und dennoch sinken die vermögensbezogenen Steuern in Österreich seit Jahrzehnten. 2022 lag die vermögensbezogene Steuerquote bei nur 1,4 Prozent des Gesamtsteueraufkommens, während der OECD-Durchschnitt 5,6 Prozent beträgt. Damit ist Österreich im OECD-Vergleich am fünftletzten Platz von 38 Ländern.
Bei der Besteuerung von Vermögen geht es vor allem um die oberste Spitze der Verteilung – sprich um die Allerreichsten. Auch der kürzlich veröffentlichte Capgemini-Bericht zeigt, dass die Vermögenskonzentration an der obersten Spitze noch einmal drastisch zunimmt. Weltweit gesehen verfügt das oberste Prozent der Überreichen, im Bericht als “ultra high net worth individuals“ bezeichnet, über ein Drittel des gesamten Vermögens aller Überreichen. Wir brauchen also eine Vermögensteuer, die vor allem diese Spitze der Überreichen erfasst.
Unsere Berechnungen auf Basis von Daten der Österreichischen Nationalbank zeigen, dass in Österreich rund 220.000 Haushalte ein Nettovermögen von mehr als einer Million Euro besitzen, das entspricht den Top 5 Prozent. 70.000 Haushalte besitzen über 2 Millionen Euro, wird die Grenze auf mehr als 5 Millionen Euro angehoben sind es nur noch 15.000 Haushalte – von insgesamt 4 Millionen österreichischen Haushalten. Eine Vermögensteuer, die bei 2 Millionen Euro ansetzt, würde also 98 Prozent der Haushalte nicht betreffen und hilft, dass die Ungleichheit nicht noch weiter steigt.
Titelbild: Miriam Moné, Ingo Pertramer