Mittwoch, Juli 3, 2024

Der Fülle Engelshorn

Die Spende der Marlene Engelhorn beschert ihr Wut und Häme. Man könnte meinen, sie hätte gar jemandem etwas weggenommen statt gegeben, was die Emotionen in sozialen Medien aber zu meinem größten Erstaunen auch in klassischen Medien anbelangt. Ihre Spende, kurz zusammengefasst, sei eine einzige Frechheit.

Wenn Fortuna lächelt, fällt den Menschen meistens etwas Schönes dazu ein. Sogar dann, wenn es mit gewisser Form der Eigenwerbung verbunden ist, wie eine Tierpatenschaft oder eine großzügige (und von der Steuer schön absetzbare) Spende an diverse Organisationen, Parteien mal ausgenommen, denn hier spendet zu oft nicht die lächelnde Fortuna, sondern ein gutes Gespür für (Gegen)Geschäfte. Bis jetzt ist – meiner bescheidenen Wahrnehmung nach – auch kein Shitstorm gegen Bärenpapas und Lamamamas in diversen Zoos losgebrochen, auch wenn ihr Name gut sichtbar am Gehege der betreffenden Tiere prangt. Und auch diverse Nutzniessende der edlen Spenden halten mit dem Namen der Geldgebenden nicht hinter dem Berg – und das völlig ohne jede Empörungswelle im Volkswesen. So weit, so normal. 

Neiddebatte um das Engelsfüllhorn

Aber: die Spende der Marlene Engelhorn beschert ihr Wut und Häme. Man könnte meinen, sie hätte gar jemandem etwas weggenommen statt gegeben, was die Emotionen in sozialen Medien aber zu meinem größten Erstaunen auch in diversen nicht sozialen sondern klassischen Medien anbelangt. Ihre Spende, kurz zusammengefasst, sei eine einzige Frechheit. Eine Sauerei! Arroganz und Beleidigung!

Mag sein, dass es damit zusammenhängt, dass hier eine junge, privilegierte Frau ihrer politischen Überzeugung entsprechend Kante zeigt. Sie, die Erbin, bringt Vermögenssteuern ins Spiel. Das hat schon Podiumskollegen in Bestürzung, die ein wenig in Rage kippte, versetzt, immerhin wollte man unbedingt die Erbenden vor der Erbin schützen, womöglich sogar ungefragt, aus vorauseilendem Gehorsam quasi. Doch Engelhorn will natürlich nicht einfach nur spenden. Mit der Beauftragung des Guten Rates, der die gespendete Millionensumme unabhängig verwaltet, hat sie eine Modellaktion angestoßen, die ich sehr spannend finde: nicht sie bedenkt andere, sie überlässt die Verteilung einer divers gemischten Gruppe. Geltungsüchtig sei sie, krakeelte es. Wann es mit dem Tingeln zu dem Thema denn endlich vorbei sei! Was Engelhorn mit ihrer Medienpräsenz erreicht hat: Die Medienpräsenz des Themas soziale Gerechtigkeit. Marlene Engelhorns mediale Präsenz ist nicht jene eines Sebastian Kurz, der diese Präsenz ausschließlich an und für sich nutzte. Sie lässt die Möglichkeit einer gerechteren Gesellschaft durch sich hindurch scheinen.

Gespielte Empörung

Aber, tönten weitere empörte Stimmen, aber sie hat ja nicht alles gespendet! Frechheit! Sauerei! Arroganz und Beleidigung! Diese Stimmen sind oftmals Schnittmengenstimmen jener, die Vermögenssteuer als Raub bezeichnen – aber wenn jemand widerspricht und Vermögen besitzt, soll man natürlich alles hergeben, als doppelt spendenfreudiger heiliger Martin, ganz nackig muss man sich machen, bevor man Kritik an der fehlenden Vermögenssteuer üben kann. So! Und abgesehen davon: da wurden ja nur linkslinke Organisationen bedacht! Frechheit! Sauerei! Arroganz und Beleidigung! Wenn die Wogen schäumender Empörung wieder etwas abgebbt sind, kann man ja beginnen, sich zu fragen, ob beispielsweise das Neunerhaus und die Caritas für klassische linkslinke Organisationen stehen. Wer damit gar nicht klar kommt, könnte immer noch Patenschaft für Brüllaffen übernehmen. Auf Wunsch mit ganz großem Namensschild dazu.


Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Julya Rabinowich

    Julya Rabinowich ist eine der bedeutendsten österreichischen Autorinnen. Bei uns blickt sie in die Abgründe der Republik.

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