Samstag, Juli 27, 2024

Österreichs Superreiche verdoppeln ihr Vermögen alle sieben Jahre

Neue Attac-Berechnungen zeigen, wie Macht und Vermögen von heimischen Millardär*innen außer Kontrolle geraten. Das ist Gift für die Demokratie. Höchste Zeit gegenzusteuern mit einer Vermögensteuer.

Von David Walch

Der extreme Reichtum einer kleinen Gruppe hat enorme Ausmaße erreicht – und zwar nicht nur global gesehen, sondern auch in Österreich. Österreich liegt bei der Vermögenskonzentration in Westeuropa an der Spitze. Das reichste Prozent aller Haushalte in Österreich besitzt rund 40 Prozent des Gesamtvermögens. Die ärmere Hälfte besitzt hingegen so gut wie kein nennenswertes Vermögen – in Summe lediglich etwa 3,5 Prozent des Gesamtvermögens.

Die Reichen werden dabei immer reicher. So weit so bekannt. Doch um wieviel genau, darüber gab es bis jetzt keine detaillierten Zahlen für Österreich. Attac hat daher die Trend-Listen der 100 Reichsten der Jahre 2002 bis 2023 ausgewertet. Das Ergebnis ist verblüffend: Das Vermögen der aktuellen österreichischen Milliardär*innen ist zwischen 2002 und 2023 im Durchschnitt jährlich um 11,19 Prozent angewachsen. Es verdoppelt sich somit alle 7 Jahre. Das Gesamtvermögen der der 100 Reichsten von 46 auf 212 Milliarden Euro angewachsen. Es verfünffachte sich also jeweils. 2002 gab es 11 Milliardär*innen, 2023 waren es 49.

Johann Grafs Vermögen wächst jährlich um 22,4 Prozent

Novomatic-Eigentümer Johann Graf beispielsweise hat zwischen 2003 und 2023 sein Vermögen von 100 Millionen Euro auf 5,7 Milliarden Euro vermehrt – das ist ein Wachstum von jährlich 22,4 Prozent. Graf hat sein Vermögen also insgesamt ver-35-facht. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum ist Österreichs Wirtschaft jährlich um 3,4 Prozent gewachsen. Nach eigenen Aussagen hat Graf dabei stets nur „Smalltalk“ mit Politiker*innen von der ÖVP (wie Finanzminister Löger oder Staatssekretär Fuchs) geführt.

Johann Graf. Illustration: Attac

Sein Verfahren rund um den „Ibiza-Skandal“ ist noch nicht abgeschlossen: Hier vermutet die WKStA, dass die Bestellung des freiheitlichen Bezirkspolitikers Peter Sidlo zum Vorstand der Casinos Austria im Austausch gegen Einfluss auf Gesetze, welche die Novomatic im Online-Glücksspiel bevorzugen, erfolgt sei. Während der Corona-Krise wurden bei Novomatic 3.200 Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit geschickt und 120 Menschen gekündigt. Graf ließ sich dennoch eine saftige Dividende von 50 Millionen Euro auszahlen und kassierte dazu noch (monatlich!) 10 bis 22 Millionen Euro aus staatlichen Kassen, wie aus Berechnungen des Nachrichtenmagazins Profil hervorgeht.

Übertroffen wird Graf noch vom Finanz- und Immobilieninvestor Michael Tojner mit 23,3 Prozent jährlichen Vermögenszuwachs. Sein Vermögen stieg von 2012 bis 2023 von 235 Millionen Euro auf 1,8 Milliarden Euro. Im Rahmen seiner Bestrebungen das Stiftungsrecht zugunsten von Reichen zu ändern, schreibt der Investor auch gerne E-Mails mit fixfertigen Gesetzestexten an die private Mail-Adresse von Politiker*innen, zum Beispiel an den damaligen ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter.

Michael Tojner. Illustration: Attac

Auch die Zuwächse so manch anderer – politisch auffälliger – Milliardäre sind nicht von Pappe (Daten bis 2023 verfügbar):

Steuert die Politik nicht dagegen, wird sich allein das Vermögen der reichsten 10 Österreicher*innen in den nächsten 10 Jahren von 110 auf rund 320 Milliarden Euro verdreifachen.  

Gift für die Demokratie

Die Vermögenskonzentration in Österreich ist schon heute größer als in jedem anderen westeuropäischen Land. Die Reichsten besitzen dabei eine wirtschaftliche und politische Macht ohne jegliche demokratische Kontrolle. Das ist Gift für die Demokratie. Viele Beispiele und Chats zeigen, wie die Reichsten ihre Interessen durch Lobbying, den „Einkauf“ von (Ex)-Politiker*innen, Parteispenden, Medienmacht, Finanzierung von „Denkfabriken“ oder Korruption durchsetzen – und zwar auf Kosten der Mehrheit. Als Folge sehen immer mehr Menschen ihre Interessen gar nicht mehr vertreten. Sie wenden sich von demokratischen Prozessen, Institutionen und politischem Engagement ab oder unterstützen sogar antidemokratische Kräfte.

Laut einer SORA-Umfrage glaubten im Jahr 2020 nur 43 Prozent im ökonomisch schwächsten Drittel, dass das politische System in Österreich gut funktioniert. Im obersten Drittel waren es 78 Prozent. Im ökonomisch schwächsten Drittel vertrauten nur 33 Prozent dem Parlament; im ökonomisch stärksten Drittel waren es 70 Prozent.

Österreich ist eines der Schlusslichter bei der Besteuerung von Vermögen

Österreich ist international eines der Schlusslichter, wenn es um den Beitrag der Reichsten zum Allgemeinwohl geht: In Österreich tragen vermögensbezogene Steuern nur rund 1,4 Prozent zum gesamten Steueraufkommen bei. Im Schnitt der Industriestaaten der OECD sind es 5,6 Prozent – also rund das 4-fache. In der Schweiz stammen rund 8,2 Prozent, in Südkorea sogar mehr als 15 Prozent (also mehr als das Zehnfache Österreichs) der Gesamtsteuerleistung aus vermögensbezogenen Steuern.

Quelle: OECD/Arbeiterkammer

Attac-Vermögensteuer bremst die extremen Vermögenszuwächse der Reichsten

Attac hat auf Basis der neuen Daten zu den Vermögenszuwächsen der Reichsten ein Modell für eine progressive Vermögensteuer ausgearbeitet. Es orientiert sich an den empirischen Fakten über die Vermögenszuwächse der Reichsten. Beginnend mit einem Steuersatz von 1 Prozent über 5 Millionen Euro (die reichsten 0,3 Prozent) steigt die Attac-Vermögensteuer in 4 Stufen bis auf 10 Prozent für Vermögen über 1 Milliarde Euro an.

Erklärung zum effektiven Steuersatz: Bei einem Vermögen von 7 Millionen Euro beträgt die Steuer 20.000 Euro / 0,29 Prozent, denn nur das Vermögen über der jeweiligen Stufe wird mit dem jeweiligen Satz besteuert.

Die extremen Vermögenszuwächse der Milliardär*innen könnten damit effektiv eingebremst werden können. Eine niedrige Vermögensteuer von 1 bis 2 Prozent kann der aus dem Ruder laufenden Vermögenskonzentration kaum entgegenwirken.

22 Milliarden Euro, die das Leben aller Menschen verbessern

Die berechneten Einnahmen des Attac-Vermögensteuermodells betragen rund 22 Milliarden Euro pro Jahr – mögliche Steuer-Umgehungen schon eingerechnet. Damit würde der Anteil vermögensbezogener Steuern am gesamten Steueraufkommen von derzeit 1,4 Prozent auf etwa 11 Prozent steigen – ein Wert, den etwa Kanada, Großbritannien oder die USA aufweisen. Diese Einnahmen ermöglichen dringend nötige Investitionen in Klimaschutz, Kinderbetreuung, Bildung, Pflege und Gesundheit. Sie schaffen Wohlstand und verbessern das Leben aller Menschen.

Ohne die Attac-Vermögensteuer gerät die extreme Konzentration von Vermögen und Macht hingegen völlig außer Kontrolle. Steuern wir also dagegen.


Attac hat eine Petition an die kommende Regierung für die Vermögensteuer gestartet: www.attac.at/vermögensteuer

Wie nutzen die Reichsten ihre Macht? Recherchen zu den Milliardären Tojner, Graf, Stumpf, Mateschitz, Leitner und Pierer widmet eine Attac-Sonderseite

David Walch ist Pressesprecher bei Attac Österreich.

Autor

  • Attac

    Attac richtet das Brennglas auf die ungerechten Dynamiken in der Wirtschaftswelt von heute. So sollen die Folgen der enormen Machtkonzentration internationaler Konzerne stärker in die öffentliche Debatte gezerrt werden. Ganz ohne Verschwörungsmythen.

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