Karl Nehammer und sein Innenminister Karner wollten den ganzen Ruhm, aber keine Verantwortung.
Die Lage war ernst. Im Gegensatz zu seinem Nachrichtendienst DSN war ihr der Innenminister wieder einmal nicht gewachsen. In den nächsten Wochen wird er zahlreiche Fragen beantworten müssen.
1. Warum hat das Heeresnachrichtenamt HNaA die Informationen nicht sofort an die DSN weitergegeben?
Am 8. August 2024 verriet Karl Nehammer in der ZiB2, dass „das Heeresnachrichtenamt, die ja die Information erhalten haben“, als erstes gewarnt worden sei. Diese Hinweise stammten von der NSA, dem größten Geheimdienst der Welt.
2. Warum hat das HNaA auf eigene Faust ermittelt?
Terrorabwehr ist Aufgabe des zivilen Nachrichtendienstes DSN im Innenministerium. Das HNaA hat als Auslandsnachrichtendienst des Militärs keine Befugnisse im Inland. Trotzdem soll das HNaA tagelang selbst untersucht haben. Der militärische Dienst hat aber weder die Quellen noch das Wissen, mit dem die DSN im Bereich „islamischer Terrorismus“ erfolgreich ermitteln kann.
Nach wie vor ist nicht klar, wann das HNaA seine Informationen und die Ergebnisse möglicher ungesetzlicher „Ermittlungen“ an die DSN weitergegeben hat.
Mit den Ermittlungen auf eigene Hand könnte vom HNaA entscheidende Zeit verloren worden sein. Hätte die DSN frühzeitig alles vom HNaA erfahren, hätten die Konzerte wahrscheinlich geschützt und gesichert werden können.
3. Wie wurde die DSN über die Gefahr informiert?
Die entscheidenden Warnungen an die DSN waren von der CIA gekommen. Sie stammen aus der Auswertung der österreichischen Messenger-Botschaften, die von der NSA für die CIA gesammelt werden.
Seit Jahren gibt es ein stilles Übereinkommen zwischen US-Diensten und dem Innenministerium in Wien: Die NSA überwacht über Satelliten und von Stationen wie dem IZD-Tower neben der UNO-City und vom Dach der US-Botschaft in der Wiener Boltzmanngasse die gesamte österreichische Telekommunikation und wertet sie aus. Sie kann von WhatsApp und Telegram bis Signal alle Messenger-Botschaften mitlesen. Im Rahmen der Counter Terrorism Group CTG leitet die CIA Datensätze an die DSN in Wien weiter.
Das flächendeckende Absaugen österreichischer Daten durch die NSA ist illegal. Aber es wird vom BMI geduldet, weil man oft nur so rechtzeitig Hinweise und Warnungen bekommt.
4. Warum ist das Stadion trotz Entwarnung durch den Innenminister weiter durchsucht worden?
Kurz vor der Absage hatten Beamte des Innenministeriums laut Mitarbeitern der Veranstalterfirmen mit rund 60 Beamten das Ernst Happel-Stadion abgeriegelt und durchsucht. Der Komplize des Ternitzer IS-Manns, der bei einer Facility-Firma für die Konzerte im Stadion arbeitete, soll laut Arbeitskollegen mit einem Rucksack zur Arbeit gekommen, das Stadion aber ohne ihn verlassen haben.
Augenzeugen berichten, dass am frühen Morgen nach der Absage das Stadion noch einmal mit Hunden durchsucht worden sei, am Nachmittag sei die dritte Durchsuchung gefolgt.
5. Wann war klar, dass der Terrorist nicht allein war?
Am Vormittag vor der Absage durchsuchten die Beamten des DSN die Ternitzer Wohnung und nahmen den Verdächtigen fest. Wahrscheinlich hat die DSN erst durch das schnelle Geständnis des Ternitzers genug über den zweiten Verdächtigen erfahren, um ihn festnehmen zu können.
Bei der Pressekonferenz am Donnerstag Vormittag hielt der Innenminister die Warnung aufrecht: „Die Lage war ernst, die Lage ist ernst. Aber eine Tragödie konnte verhindert werden.”
Zu diesem Zeitpunkt konnte der Minister nicht ausschließen, dass es weitere Täter gab.
6. Warum hat das Innenministerium trotz hoher Terrorwarnstufe dem Veranstalter die Entscheidung über die Konzerte freigestellt?
Als Direktor der DSN stellte Omar Hajjawi-Pirchner fest: „Wir haben zu keinem Zeitpunkt darauf gedrängt, die Veranstaltung abzusagen.“ Wahrscheinlich ist die Absage auf anderem Weg zustande gekommen. Die US-Botschaft informierte das Swift-Management, dass die österreichischen Behörden die Lage möglicherweise nicht unter Kontrolle hätten.
Der österreichische Veranstalter „Barracuda“ geriet damit von zwei Seiten unter Druck: vom US-Management, das der Sicherheit nicht mehr traute; und vom Innenministerium, das einen Erfolg feiern, aber kein Risiko übernehmen wollte.
Eines ist klar: Wenn noch ein Restrisiko bestand, dass sich eine Bombe im Stadion befindet, hätte das BMI selbst die Konzerte untersagen müssen.
7. Ist der Veranstalter statt des Innenministers für die Beurteilung einer terroristischen Bedrohung zuständig?
Nein. Das ist ausschließlich Aufgabe des Innenministeriums. Doch offensichtlich war der Innenminister nicht in der Lage, dem Veranstalter eine verlässliche Gefährdungseinschätzung zu geben – und wälzte so die Verantwortung auf das Barracuda-Management ab.
Dazu kam, dass die Veranstalter nie detailliert informiert wurden und bis zum Schluss weitgehend im Dunkeln tappten.
8. Was hätte bei der Durchführung der Konzerte passieren können?
Die Hauptgefahr drohte nicht im, sondern vor dem Stadion. Tausende „Swifties“ waren aus der ganzen Welt angereist. Ihr Ziel war der Platz zwischen Meiereistraße und Stadion. Am 8. August hatte der Innenminister keinen Plan für den Schutz zehntausender junger Menschen auf diesem Platz.
Trotzdem war Gerhard Karner bereit, die Veranstaltung stattfinden zu lassen.
9. Wessen Erfolg war die Verhinderung des Anschlags?
Der DSN ist mit wenigen, späten Informationen im letzten Moment Entscheidendes bei der Aufklärung gelungen. Für die Vereitelung des Anschlags war die Arbeit der DSN wichtig.
Innenministerium und Innenminister machen sich wichtig. Sie waren nicht in der Lage, selbst die richtige Entscheidung zu treffen. Die Abwälzung der Verantwortung für die Sicherheit zehntausender Menschen vom Minister auf die Veranstalter ist unzumutbar und unverantwortlich.
10. Und wer hat den Schaden?
Bundeskanzler und Innenminister feiern sich als Retter. Risiko und Schaden aufgrund der Kosten von 32 Millionen und entgangener Umsätze von rund 100 Millionen Euro teilen sich Veranstalter und Stadt Wien.
Der Einzige, der sofort wusste, was zu tun war, war der Wiener Bürgermeister. Michael Ludwig setzte für die Swifties den Eintrittspreis in die Wiener Bäder herunter. Damit hat er deutlich mehr als Innenminister und Bundeskanzler getan.