ORF und Boulevard haben aus 2017 und 2019 gelernt: Sie machen es noch einmal genauso. Es wird geschoben, gekauft und gelogen. Am Ende soll es dieselbe Überraschung wie in St. Pölten und Salzburg geben: eine Regierung von ÖVP und FPÖ.
Für die ÖVP geht es nach 2017 und 2019 um die dritte geschobene Wahl. So habe ich im Mai 2024 in meinem Manuskript für mein neues Buch „Ostblock“ versucht, die Wahlpläne von ÖVP und FPÖ zu verstehen: „Auch diesmal ist ihre Rechnung einfach: Wenn ÖVP und FPÖ als Verlobte in den Wahlkampf gehen, steht ihre Niederlage fest. Wenn Nehammer mit Kickl im Rucksack durch das Land zieht, werden sich viele von ihm abwenden. Wenn Kickl Nehammer mitschleppt, präsentiert er sich selbst als Teil des Systems, das er bekämpft.
Mit einem türkis-blauen Verlobungswahlkampf würden beide nur die Menschen gewinnen, die bei ihrer politischen Hochzeit dabei sein wollen. Alle anderen, die eine ÖVP ohne den Straßenkrach der FPÖ oder eine FPÖ ohne die Schmiergeräusche der ÖVP wollen, werden sich dann andere Parteien suchen – oder werden zu Hause bleiben. Kickl und Nehammer haben nur dann gemeinsam die Chance auf das Kanzleramt, wenn es ihnen gelingt, eine ausreichend große Zahl an Wahlberechtigten zu täuschen.“
Notwendiger Unsinn
Im Mai konnte man schon genau sehen, wie das funktioniert: „Wer will, dass Menschen die falsche Wahl treffen, muss sie verwirren. Kurz-Propagandachef Gerald Fleischmann hat mit „SNU“ – dem „strategisch notwendigen Unsinn“ – das Werkzeug dazu geliefert. Als Propagandachef der ÖVP weiß er, dass man 2024 nur in einem dichten Nebel aus notwendigem Unsinn gewinnen kann.
Wenn das Böse mit „FPÖ“ nur einen Namen hat, ist die ÖVP die Kanzlerpartei der Guten. Das ist 2024 die SNU-Trumpfkarte der Volkspartei. Wenn der Widerstand gegen „das System“ nur einen Namen hat, werden viele, die sich selbst „ausgegrenzt“ fühlen, die Partei, die ihre eigene „Ausgrenzung“ schon längst im Parteiwappen führt, wählen. Das ist der Trumpf der FPÖ.
Am Ende wollen beide dasselbe: ein „Kickl-Nehammer“-Duell in den letzten Wochen vor der Wahl. Wenn SPÖ-Obmann Andreas Babler als natürlicher Gegner von Kickl und Nehammer aus dem Rennen gedrängt werden kann, werden ÖVP und FPÖ gemeinsam im Finale stehen.“
Der ORF hat inzwischen sein Fleischmann-Geschäft verrichtet. Für ihn gibt es als Höhe- und Schlusspunkt des Wahlkampfs das große Schwindelduell zwischen Karl Nehammer und Herbert Kickl. Nach den bisher geltenden Regeln hätte Nehammer zum Schluss gegen Babler antreten müssen. Aber jetzt passen die Regeln wieder, und die beiden Verlobten können noch einmal die letzten Fetzen fliegen lassen.
Schiebung im ORF
In Österreich ist es einfach, den Beginn des Wahlkampfs zu erkennen. Es ist der Tag, an dem die großen Schiebungen im ORF paktiert werden. An diesem Tag erfährt das Publikum, wie die Regeln für die Duelle der Spitzenkandidaten der Kanzlerpartei maßgeschneidert worden sind.
Alexander Wrabetz war bekannt dafür. Vor jeder Wahl gab es neue Regeln, einmal durften Parteien, die noch keine Klubs im Nationalrat hatten, in die Duelle, einmal nicht. Nach Christian Kern konnte sich Sebastian Kurz Regeln bestellen. Heuer ist erstmals Karl Nehammer mit seinem neuen Generalregelschneider Roland Weissmann dran.
Jetzt wird noch die ZiB1 mit Nehammer-Geschichten vollgestopft. Dann hat der ORF getan, was er konnte. Den Rest erledigt der Boulevard.
Ohne Vermögenssteuern und WKStA
Dort hat jeder seine Aufgabe: Heute legt sich für Kickl ins Gratis-Zeug, die Kronen Zeitung kümmert sich um die Nehammers. Kathi Nehammer hat mit Ida Metzger eine verlässliche Freundin in der Redaktion. Österreich ist als einzige käufliche Gratiszeitung für beide da.
Also werden wir lesen, wie Nehammer Österreich sicher macht und Kickl auch; wie beide kleine Häusbauer vor Milliardärssteuern schützen; wie Nehammer aufpasst, dass dem Umweltschutz nicht durch Umweltgesetze geschadet wird; und warum es nur um eines geht: um das große Duell zwischen Nehammer und Kickl.
So wird der Kickl-Gegner Andreas Babler aus dem Duell mit Kickl raus- und der Kickl-Verlobte Karl Nehammer reingeschrieben. Am Ende soll es keine Vermögenssteuern und keine WKStA geben. Das ist der große gemeinsame Nenner der WKStA-Beschuldigten in ÖVP, FPÖ und Boulevard. Den Rest sollen sich ÖVP und FPÖ ausmachen.
So schaut´s aus. Ich wünsche einen schönen Sonntag, zumindest wettermäßig. Die Autos, die es in St. Anton gerade weggespült hat, sind wahrscheinlich Vorboten des Autogipfels, mit dem Nehammer und Kickl im Herbst ihre Regierung eröffnen.