Die Abfolge der Wahlduelle im ORF war eine Schiebung. Ihre Organisatoren heißen Roland Weissmann und Johannes Bruckenberger.
Rechtzeitig vor jeder Nationalratswahl passiert im ORF dasselbe: Die Regeln für die Wahl-Konfrontationen werden den gerade herrschenden Verhältnissen angepasst. Für „Verhältnisse“ gibt es seit 2017 auch einen anderen Namen: „ÖVP“.
Diesmal stand die ÖVP vor einem neuen Problem. Egal, wie man es drehte und welche Regel man erfand – die ÖVP-Wünsche für Sommergespräche und Wahlduelle konnten nicht mit einer Regel erfüllt werden. Johannes Bruckenberger löste den Nehammerschen Knoten: Es würde zwei Regeln geben.
Als Chefredakteur für die ORF-Sendungen entscheidet Bruckenberger über Sommergespräche, Wahl-Duelle und Elefantenrunden. Bevor er sich um diesen ORF-Posten gegen Claudia Reiterer durchsetzte, war Bruckenberger Chef der APA. Das Friedrich Funder-Institut gilt als „Medienschule“ der ÖVP. Als Funder-Präsidiumsmitglied machte Bruckenberger allen klar, wohin er politisch gehört.
Zwei Regeln, ein Gewinner
Bruckenbergers Vorschlag lautete: Als medialen Höhepunkt des Wahlkampfs bekommen diesmal der Erste und der Dritte das letzte Duell. Die Begründung dafür war an allen Haaren herbeigezogen: Man reihe nach Umfragen. Damit zerfiel Bruckenbergers Sommer in zwei Teile: Im ersten traten die Parteispitzen nach der alten Regel – Mandatsstärke im Nationalrat – zu den Sommergesprächen an. Damit war für Karl Nehammer der begehrte Schlussplatz am 2. September nur vier Wochen vor der Wahl gesichert.
Mit der alten Regel wäre das Duell „Nehammer – Kickl“ am 12. September gelandet. In der letzten Runde hätte sich Nehammer mit Andreas Babler dem „falschen“ Gegner stellen müssen. An die Stelle des Duells der beiden streitenden Verlobten wäre das Duell zwischen der Reichenpartei und der Sozialpartei getreten. Jeder in der ÖVP will das Scheinduell mit Kickl, niemand will den Kampf um einen Richtungswechsel mit Babler.
Mit den Duellen änderten sich die Regeln so, wie es die ÖVP wünschte. Bruckenberger schaffte mit zwei Regeln, dass es nur einen Gewinner gibt: die ÖVP. Bruckenbergers Rechtfertigung auf Twitter holpert dabei sachlich und grammatikalisch: „Die Entscheidung erfolgte ausschließlich nach zusammengefassten Umfragen wider.“
Dosenbier
Dabei übersah Bruckenberger, dass er mit diesem Argument eine weitere Partei zu den großen Duellen laden müsste. Dominik Wlaznys Bierpartei ist in allen „zusammengefassten Umfragen“ im Nationalrat.
Aber auch hier treffen sich Interessen: Wie seine Flucht vor der ZiB2 zeigt, möchte Wlazny bis zum Wahltag möglichst wenige Fragen beantworten. Niemand soll vor der Wahl bemerken, dass seine Sachkenntnisse nicht weit über die Vermarktung von Dosenbier hinausreichen.
Ein Witz
Weil die Schiebung nicht nur bei der SPÖ, sondern im ORF selbst schlecht ankommen würde, brauchte Bruckenberger einen zweiten Schieber. Als ÖVP-Generaldirektor wusste Roland Weissmann, dass das sein Job war. Auf Twitter ließ Bruckenberger alle wissen, dass Weissmann mit ihm im Boot war: „Die Abfolge der TV-Duelle ist eine unabhängige Entscheidung der Chefredaktion in Abstimmung mit dem für die Information zuständigen Generaldirektor.“ Wo „unabhängige Entscheidungen“ „abgestimmt“ werden, ist genügend Platz für eine Partei.
Zum Schluss erlaubte sich Bruckenberger noch einen Witz: „Oberste Prinzipien der ORF-Berichterstattung sind Unabhängigkeit, Ausgewogenheit, Objektivität und Äquidistanz.“ Niemand in den betroffenen Redaktionen schafft es, darüber zu lachen.
Titelbild: ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com