Samstag, September 21, 2024

Ein Duell, ein Vogerltanz und ein Sieger: Babler im Rennen

Nach dem gestrigen Duellabend im ORF gibt es einen Sieger, einen Verlierer und zwei Dancing Stars.

Der gestrige Abend war überraschend überraschend. Meine Erwartungshaltung bestand aus zwei Fadduellen – Nehammer-Panzer wühlt sich durch Kogler-Schlingsätze und Babler schreit Kickl an, damit Kickl nicht dauernd Babler anschreit. Ich wurde überrascht.

Überraschung 1: Kollege Nehammer mag Werner

Ich habe Karl Nehammer noch nie verliebt gesehen. Aber zu dem Gesichtsausdruck, mit dem er Werner Kogler unsicher anlächelte, fällt mir nichts anderes ein.

Sicher ist, dass Nehammer Kogler sehr mag. Dafür gibt es gute Gründe: Werner ist persönlich nett und hält oft Versprechen. Und: Wenn man ihn über den Tisch zieht, geht das fast ohne Anstrengung. Karl Nehammer hat es politisch noch nie so schön gehabt wie mit Werner.

Aber Werner sagte kein einziges Mal „Karl“. Einmal war es der „Herr Bundeskanzler“, dann, im Moment größter Nähe, der „Kollege Nehammer“. Werner sah Nehammer einfach nicht an. Der Funke sprang an diesem Abend nicht über.

Was war mit Werner los? Ich hatte mir eigentlich eine sachliche Abrechnung mit der Partei, die seit 38 Jahren in Regierungen Umweltpolitik sabotiert, erwartet. Aber Kogler rechnete mit den Landeshauptleuten ab und nicht mit der ÖVP. Die Äste des Übels bekamen einiges ab, die Wurzel nicht. Warum?

Für den grünen Spitzenkandidaten gab es einen einzigen Grund, das Duell mit dem Rasierpinsel zu führen: Kogler will in die Regierung, und dort scheint Nehammers Partei bereits gesetzt. Der kürzeste Weg zurück führt über den Kollegen Karl. Werner will zurück.

Verliert Kogler den Regierungssitz, dann geht alles andere schnell: neue Parteispitze, neue Klubführung, neue Grüne ohne Kogler. Werner Kogler hat gestern Abend die große Chance, nach dem Hochwasser in einer sachlichen Konfrontation mit Nehammer klarzumachen, warum die Grünen stärker und die Klimaleugnerparteien ÖVP und FPÖ schwächer werden müssen, an sich selbst verschenkt.

Am deutlichsten wurde das, als er Leonore Gewessler ohne Not im ÖVP-Regen stehen ließ. Spätestens da wurde klar, worum es geht.

Überraschung 2: Kickl stinkt ab

Ich habe nie verstanden, warum Herbert Kickl als politisches Talent gilt. Seine Auftritte sind schrill und aggressiv. Anfangs versucht er immer wieder, sachlich zu argumentieren, aber dafür fehlen ihm Kenntnisse der Sache, egal um welche es geht. Irgendwann beißt er dann zu und stößt Hassfetzen wie „Leninist“ heraus. Gestern hat er Babler in einer wirren Passage sogar als „Faschisten“ beschimpft. Die Moderatorin hat es einfach durchgehen lassen, im ORF dürfen neuerdings Faschisten Sozialdemokraten als „Faschisten“ bezeichnen.

Gestern war Kickl besonders schwach. Dafür hatte Andreas Babler eine halbe Stunde lang seinen bisher besten Auftritt. Ruhig berichtete er, wie man Menschen zu Gerechtigkeit verhilft. Hätte sich Babler in der zweiten Hälfte nicht auf den Infight mit dem schäumenden FPÖ-Mann eingelassen, wäre das statt eines Punktesiegs vielleicht mehr geworden.

Gewinner und Verlierer

Gestern hat es mit Babler einen klaren Sieger und mit Kickl einen ebenso klaren Verlierer gegeben. Babler ist damit wohl wieder im Rennen.

Werner Kogler hätte es in der Hand gehabt. So blieben ihm einige sichere Punkte, weil in einer Debatte, die fast ausschließlich dem Klimawandel und seinen Folgen gewidmet war, für Nehammer nichts zu holen war.

Überrascht hat dabei nur eines: dass Nehammer kaum versuchte, auf sein Spielfeld zu wechseln und dort sein Publikum anzusprechen. So lernten wir jenseits der Panzer-Klischees einen neuen Nehammer, dem der Vogerltanz mit Werner über alles geht, kennen.

Obwohl das irgendwie herzergreifend war, sollten wir eines nicht vergessen: ÖVP und FPÖ haben erstmals dasselbe politische Programm und wollen Österreich nach dem Vorbild von Viktor Orbán regieren. Wenn es soweit ist, sitzt Nehammer längst wieder im Panzer.


Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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