Eine zerstrittene und führungslose SPÖ will in eine Koalition, in der sie nur eines kann: untergehen. Aber vielleicht ist das nur ein Zwischenspiel am Weg zur großen Koalition ohne Kickl.
Drei Tage nach der Wahl haben sich die meisten Nebel noch nicht gelichtet. Aber einiges kann man jetzt schon besser sehen als am späten Sonntagabend.
SPÖ
Die SPÖ will in die Regierung, um jeden Preis. Der Preis ist diesmal sie selbst, weil in der SPÖ drei entscheidende Veränderungen übersehen werden:
- Die SPÖ ist nicht mehr die Partei der Arbeiter. Andreas Babler hat mit der Rhetorik eines Arbeiterführers aus den sechziger Jahren durchaus erfolgreich um grüne Stimmen gekämpft. Die Arbeiter hat er ebenso wie eine gewinnbare Wahl verloren.
- Die möglichen Regierungspartner der SPÖ sind zwei Arten ÖVP: die Kurz-ÖVP, die heute von Karl Nehammer mit Balkanroute und Leitkultur dort ist, wo HC Strache 2019 war; und die Busek-ÖVP, die sich heute „Neos“ nennt und sich nur durch das fehlende soziale Gewissen von ihrem Ahnherrn unterscheidet. Die beiden Volksparteien sind die Backen einer Zange, zwischen denen eine mitregierende SPÖ in ihrem Leibthema „soziale Gerechtigkeit“ zerrieben wird. Diese Regierung könnte als „Nehammer, Meinl-Reisinger und ein paar Zerquetschte“ in die Geschichte eingehen.
- Erstmals in ihrer Geschichte hat die SPÖ keine Führung. Babler bleibt nur an der Spitze, weil dahinter verschiedene Schrecken ein fragiles Gleichgewicht halten und derzeit niemand die SPÖ einigen, aufrichten und führen kann.
In einer Regierung mit ÖVP und Neos hat die SPÖ nur dort eine Chance, wo sie Leibthemen einer Volkspartei verstärken kann. Das geht mit den Neos zu Bildung, Medienfreiheit und Korruptionsbekämpfung. Mit der ÖVP findet die SPÖ kein gemeinsames Ziel.
Damit sitzt die SPÖ in einer strategischen Falle. Die Gewerkschaften wollen mit eigenen Ministern die halbtote Sozialpartnerschaft wiederbeleben. Babler will als Vizekanzler seinen Kopf als Parteichef retten. Die Wiener SPÖ würde ganz gerne einen Bollwerks-Wahlkampf gegen eine türkis-blaue Bundesregierung führen. Und ganz im Osten hat Doskozil völlig mit der ÖVP gebrochen.
Mit dieser SPÖ haben zwei Volksparteien leichtes Spiel.
Aber wahrscheinlich ist die kleine Koalition nur eine Verhandlungsetappe auf dem Weg zur großen Koalition: der Regierung von ÖVP und FPÖ.
Rechtsblock
„Kickl muss weg.“ Das meint die ÖVP offensichtlich ernst. Das Beispiel „Kogler“ zeigt, wie wichtig Karl Nehammer gute persönliche Beziehungen sind. Doch im Fall „Kickl“ geht es um mehr. Mit Kickl ist kein ÖVP-Staat zu machen, weil der FPÖ-Chef die ÖVP auch in der gemeinsamen Regierung weiter bekämpfen und aus den FPÖ-Ministerien treiben würde.
Im Gegensatz zur SPÖ ist die ÖVP strategiefähig. Sie weiß, wie sie zu ihrer Koalition mit einer FPÖ ohne Kickl kommt.
Zuerst muss Kickl mit einem Auftrag zur Regierungsbildung scheitern. Alle in der ÖVP zerkugeln sich bei der Vorstellung eines Volkskanzlers, der von Tür zu Tür geht und jedes Mal mit leeren Händen zurückkommt. Sie müssen nur warten, bis aus dem Wahlsieger in der eigenen Partei ein Verhandlungsverlierer geworden ist.
Dann schlägt die Stunde der vernünftigen Kräfte, die das blaue Ruder übernehmen und den Futtertrog ansteuern.
Herbert Kickl kann nur auf eines hoffen: dass die FPÖ die ÖVP in den kommenden Landtagswahlen in Vorarlberg und vor allem in der weit größeren Steiermark so hoch schlägt, dass der Kickl-Damm der ÖVP Risse bekommt.
Bis dahin werden SPÖ und Grüne weiter vor der ÖVP-Türe stehen und um Einlass bitten. Die Hoffnung, aus eigener Kraft Menschen zu überzeugen, Wahlen zu gewinnen und das Land zum Guten verändern zu können, haben sie zumindest vorläufig aufgegeben.
p.s.: Ich verstehe den Einwand, dass man doch etwas von der SPÖ erwarten und verlangen müsse. Vielleicht kann ich mein Dilemma – so wie es früher üblich war – am Beispiel eines Autos deutlich machen. Wenn das Auto keine Reifen, kein Lenkrad, keinen Motor und keinen Fahrer hat, bringt es wenig, wenn man es „Andi“ oder „Doris“ rufend ins Rennen schickt.
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