Sonntag, Oktober 13, 2024

Fussi, Kurz, Kunasek: 3 Parteien, 3 Probleme

Der Bundespräsident lässt FPÖ, ÖVP und SPÖ „sondieren“. Aber welche von den drei Parteien ist in den nächsten Jahren überhaupt regierungsfähig?

Rudi Fussi will SPÖ-Vorsitzender werden. Es ist zu wenig bekannt, dass ich auch etwas werden will: Boxweltmeister. Ich bin bereit, mich mit Fussi abzustimmen, gebe ihm aber eines zu bedenken: Mein Vorhaben scheint realistischer zu sein.

Durch Fussi ist in der SPÖ ein weiteres gemischtes Gefühl aufgekommen. Der PR-Berater kennt die politischen Bau- und Schwachstellen der Partei und plant, sie zum Programm seiner Tour durch die Märkte und Hauptplätze Österreichs zu machen. Der ÖVP-Inseratenboulevard wird live übertragen und erklären, warum die SPÖ als einzige größere Partei nicht regierungsfähig sei. Conny Bischofsberger hat schon tief in die Tasten gegriffen. Wolfgang Fellner und Eva Dichand wissen, was von ihnen erwartet wird.

Weil es der Bundespräsident will, wird die SPÖ trotzdem jetzt als eine von drei Parteien sondieren. Babler wird also mit Nehammer und Kickl reden, und die beiden Letztgenannten werden sich ohne Babler auch treffen. Aber wer von den dreien ist derzeit regierungsfähig?

SPÖ

Bei der SPÖ ist das meiste klar: Babler bleibt Parteivorsitzender, ÖGB-Chef Wolfgang Katzian und Michael Ludwig in seiner Lieblingsverkleidung als Doris Bures verhandeln mit der ÖVP. Die Neos warten als Zuwaage.

Die SPÖ hat einen sozialdemokratischen und einen rechten Flügel. Das ist nichts Neues. Neu ist nur, dass sich einige der größten Schwungfedern gegenseitig nicht leiden können. Das macht den Flug wackelig.

Für Regierungsverhandlungen scheint das SPÖ-Problem lösbar: Die SPÖ verzichtet auf Vermögenssteuern. Babler bekommt dafür die Kinder-Grundsicherung. Bei Ausländern wird etwas Hartes gesagt, in der Gesundheit vielleicht etwas Vernünftiges probiert. Hoffentlich vergisst die SPÖ dabei nicht auf das Wichtigste: dafür zu sorgen, dass die Neos neben dem Bildungsressort auch das Justizministerium bekommen.

Die SPÖ scheint also regierungsfähig. Mehr nicht.

ÖVP

Bei der ÖVP ist das etwas komplizierter, weil der Partei zwei Katastrophen bevorstehen. Rute 1 hat Finanzprokurator Wolfgang Peschorn in einer seltsamen Aktion namens “Privatbeteiligtenanschlusserklärung” ins türkise Fenster gestellt. „Die Republik schließt sich dem Strafverfahren gegen Thomas Schmid und Johannes Pasquali mit einem Schadensbetrag von EUR 2.746.978,62 zuzüglich gesetzlicher Zinsen an“. Bei Sabine Beinschab macht sie mit 287.400 Euro das Gleiche.

Das steht im Schreiben, das Wolfgang Peschorn am 3. Oktober 2024 als Chef der Finanzprokuratur der WKStA sandte. Die Finanzprokuratur bedroht damit neben einem Beamten des Finanzministeriums die beiden Kronzeugen der WKStA. Beinschab ist schon Kronzeugin, Schmid zittert noch.

Der Ex-Generalsekretär des Finanzministeriums, der der Republik unschätzbare Dienste bei der Aufklärung der ÖVP-Korruption leistete, wird von der Justizministerin im Stich gelassen und vom Finanzprokurator bedroht.

Warum will man die Millionen von den beiden Kronzeugen und nicht von den beiden wichtigsten Beschuldigten, die ganz vorne auf der Beschuldigtenliste der Finanzprokuratur stehen – Sebastian Kurz und der ÖVP? Warum wird der Spieß nicht angesetzt, sondern umgedreht? Zumindest Peschorn wird es wissen.

Damit ist aber auch klar, was der ÖVP droht. Wenn die Finanzprokuratur statt der Kronzeugen die Haupttäter ins Visier nimmt, wird es die ÖVP treffen. Dann muss Karl Nehammer als Vorsitzender der Beschuldigten ein Verfahren, das die ÖVP an den Rand der Pleite führen kann, durchstehen. Das ist die kleinere Katastrophe.

Die größere heißt „Raiffeisen“. Der Bankenkonzern hat zwei russische Stricke um den Hals. Den einen hält Putin, den anderen das US-Finanzministerium in der Hand. Auf einem dritten Strick steht „Benko“. Wenn nur zwei der drei Stricke angezogen werden, geht dem türkisen Konzern die Luft aus. Dann ist Nehammer schnell dort, wo es für Jörg Haider mit Hypo Alpe-Adria geendet hat.

Natürlich ist das nicht so interessant wie Fussi, also schreiben die Inseratenzeitungen auch nicht darüber. Wenn die ÖVP in einem der größten Prozesse Österreichs als Partei auf der Anklagebank sitzt und Millionen für Schadenszahlungen zusammenkratzen muss, wird sie trotzdem kaum zum Regieren kommen. Daher scheint sie nur bedingt regierungsfähig.

FPÖ

Viele haben sie gewählt, weil sie ÖVP und SPÖ eine runterhauen wollten. Das ist ihnen gelungen. Aber was jetzt?

Gerade die Menschen, die FPÖ gewählt haben, erwarten sich Veränderungen: leistbares Wohnen, Gas-, Strom- und Lebensmittelpreise, mit denen es sich noch ausgeht, und umfassende Sicherheit: vom Kassenarzt bis zur Naturkatastrophe und vor den negativen Folgen der Einwanderung.

Vom Programm her ist die FPÖ für diese Aufgaben von den drei Parteien am schwächsten gerüstet. Das Problem ist altbekannt: Die FPÖ weiß am besten, wogegen sie ist. Aber sie weiß nicht, wie man es besser macht.

Mehr als in früheren FPÖ-Regierungen liegt das am Personal. Von den Wenigen, die sich wie Barbara Kolm auskennen, droht der Verkauf der österreichischen Wasserrechte an private Konzerne und die Privatisierung des Gesundheits- und Pensionssystems. Wasser wird dann teurer, Pensionen werden unsicherer und statt Kassenärzten gibt es dann Ärzte, die Kasse machen.

Dazu kommt ein Problem, das die FPÖ derzeit stärker als die ÖVP trifft: der Pendelverkehr zwischen Regierungsbank und Anklagebank. Mario Kunasek versucht, als steirischer Spitzenkandidat rechtzeitig Landeshauptmann zu werden. Wird er sich dann als angeklagter Landeshauptmann vor Gericht gegen die schweren Vorwürfe der WKStA verteidigen? Wird der Wiener FPÖ-Chef noch vor der Wahl im nächsten Herbst angeklagt? Oder gelingt es beiden, dass ihre Verfahren wie seinerzeit das „ideenschmiede“-Verfahren gegen Kickl abgedreht werden?

Die FPÖ scheint damit wieder einmal zu allem fähig, nur nicht zum Regieren.

Kontrolle über WKStA

Früher haben Parteien in Regierungsverhandlungen versucht, Probleme des Landes zu lösen. Heute versuchen drei Parteien, ihre eigenen Probleme zu lösen. Dabei gibt es einen Unterschied: Die SPÖ kann ihre Probleme intern lösen. ÖVP und FPÖ brauchen dafür die Kontrolle über Justizministerium und WKStA. Das könnte ein weiterer Grund sein, dass sie es miteinander probieren.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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