Dienstag, Oktober 1, 2024

Nehammer will zwei Köpfe – und die FPÖ

Einen Tag nach der Wahl geht es um zwei Köpfe. Der einzige, dessen Kopf sicher scheint, ist Hauptverlierer Karl Nehammer.

Die Wahl ist vorbei, und damit auch für ÖVP, Grüne und SPÖ jede Hoffnung, es könnte besser ausgehen. Die Grünen haben mit dem Schlimmsten gerechnet und feiern jetzt ihr blaues Auge. In der SPÖ beginnt der gut vorbereitete interne Nachwahlendkampf. Nur die ÖVP war überrascht. Was ist da passiert?

In den Wochen vor der Wahl hat sich die ÖVP von ihren Zeitungen hochschreiben lassen. Meinungsforscher haben auf ÖVP-Rohdaten immer mehr draufgelegt und aus dem sicheren Verlierer den Kanzler, der gerade aus dem Windschatten seines FP-Herausforderers zum Überholen ansetzt, gemacht. Bis an die Spitze der ÖVP hat man kurz vor dem Wahltag geglaubt, dass sich die Partei nach 2017 und 2019 die dritte Wahl kaufen könnte.

Zwei Köpfe

Nach dem größten Verlust ihrer Parteigeschichte verlangt die ÖVP jetzt zwei Köpfe: den von Wahlsieger Kickl und den von SPÖ-Chef Babler. Beide stören beim Versuch, auf dem Kurz-Gleis weiterzufahren.

Unter Wolfgang Schüssel und Sebastian Kurz hat die ÖVP zweierlei gelernt: Man fährt von Ausländern bis Leitkultur einen FPÖ-Propagandakurs – und regiert dann mit einer Partei, die aus der türkisen Hand frisst und sie nicht beißt. Das hat mit Straches FPÖ genauso gut funktioniert wie mit Koglers Grünen.

Hinter Kickl warten in der FPÖ von Linz bis Salzburg schon geübte ÖVP-Mitläufer auf die Chance, selbst an die Spitze zu kommen. Aber wie wird man Kickl los? Wer den FPÖ-Chef kennt, weiß, dass er auch in der eigenen Partei kaum jemandem traut und jede Bewegung der regionalen FPÖ-Führer im Auge hat.

Beulen für Ludwig

Wahrscheinlich hängt jetzt alles von der Entwicklung in der SPÖ ab. Es ist kein Geheimnis, dass die Wiener Führung, die Babler gegen Doskozil an die Spitze gebracht hat, jetzt Babler weghaben will. Das alte Geschäft mit der ÖVP lockt, und Vermögenssteuern und Korruptionsbekämpfung sind aus Wiener Sicht zweitrangige Themen.

Aber Babler geht nicht freiwillig. Das neue Parteistatut ist eine Wand, an der sich Michael Ludwig seine ersten Beulen holen kann. Je länger es dauert, desto mehr muss sich der Wiener SPÖ-Chef überlegen, ob er sich seinen eigenen Wahlkampfstart mit einem monatelangen Kampf gegen den Parteiobmann verpatzt.

Der brave Herbert

Wenn Ludwig Babler nicht schnell wegputschen kann, spielt die Zeit für die FPÖ. Natürlich will die ÖVP eine FPÖ ohne Kickl. Aber vor allem will sie eines: weiter regieren.

Vielleicht kommen schon bald die ersten in der ÖVP darauf, dass der böse Herbert des Wahlkampfs wieder der brave Herbert der ersten beiden Koalitionsjahre zwischen Kurz und Strache werden kann. Damals trug Kickl in den geheimen Sechserrunden alles mit.

Jetzt warten viele in der FPÖ, ob der siegreiche Chef ins Geschäft kommt. Wenn ihm die ÖVP ein besonders gutes Angebot macht, wird Kickl irgendwann nicht mehr Nein sagen können.

Dann tauschen die beiden Parteien, die sachlich so gut zueinander passen, den Fetzen gegen den Blumenstrauß und erklären, dass sie es nur für Österreich tun.

Für wen sonst?


Titelbild: APA/GEORG HOCHMUTH/picturedesk

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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