Montag, Oktober 7, 2024

Kurz und die Medien

Das ist ein Unterüberschrift

Sebastian Kurz ist an die Macht gekommen, um zu bleiben. Dazu braucht er eine Medienlandschaft, die auf Linie ist. An diesem Ziel ist Kurz näher als jeder andere Kanzler der Zweiten Republik. Wo stehen wir? Was kommt noch?

Wien, 20. Dezember 2019 / Als am 19. September 2019 bekannt wurde, dass der “Kurier” das Nachrichtenmagazin “Profil” kauft, bekamen viele in der Medienbranche Gänsehaut. Warum? Weil das “Profil” eines der letzten größeren Printmedien war, das kritisch über Sebastian Kurz und die Neue ÖVP berichtet hatte.

Der “Kurier” steht unter Kontrolle von Raiffeisen und Sebstian Kurz’ Freund und Verbündeten, dem Milliardär René Benko. Über seine Anteile an der WAZ hat Benko auch bedeutenden Einfluss auf die “Kronen Zeitung”. In Österreichs bedeutendstem Printmedium bekam Sebastian Kurz im Wahlkampf 2019 laut “Media Affairs” mehr Reichweite als alle anderen Spitzenkandidaten zusammen. Öffentlich bekannt ist, dass Benko gerne noch größere Teile der Krone kaufen würde. Auffällig: Benko ist in vielen Ländern als Unternehmer aktiv. Sein Engagement auf dem Medienmarkt beschränkt sich jedoch auf Österreich.

Chefredakteure nach Maß

Im bürgerlichen Kurier war Helmut Brandstätter bis 2018 Chefredakteur. Brandstätter ist sicher kein Linker, aber ein Kurz-Freund ist er auch nicht. Die Folge: Der Chefredakteur musste gehen – 2019 zog er dann für die NEOS in den Nationalrat ein. Brandstätter berichtete in einem Buch (“Kurz & Kickl. Ihr Spiel mit Macht und Angst”) von Versuchen Kurz-Vertrauter, bis in Zwischenüberschriften hineinzuintervenieren. Besonders berüchtigt in den Redaktionen des Landes ist Kurz’ Mann für’s Grobe, Pressesprecher Gerald Fleischmann. Er ist aber bei weitem nicht der einzige, der kritische Journalisten anruft, um sie lautstark für lästige Fragen oder kritische Artikel maßzuregeln.

Den Sessel von Helmut Brandstätter als Kurier-Chef bekam Martina Salomon. Die neue Blattlinie des Kurier lässt sich vielleicht am besten mit einem Witz des SPÖ-nahen PR-Beraters Rudi Fußi beschreiben: “Sebastian Kurz schreibt jetzt im Kurier immer öfter unter dem Pseudonym Martina Salomon.”

Rainer Nowak, Chefredakteur der “Presse”, und Sebastian Kurz stehen sich ungewöhnlich nahe. Ein 2019 veröffentlichtes Foto zeigt die beiden in vertrauter Pose in Privaträumlichkeiten des Wiener Klubs “Pratersauna” von Martin Ho. Die Presse gehört, wie auch die Kleine Zeitung, übrigens der katholischen Kirche, die über die Styria Media Group auch die Hälfte an den Bezirksblättern und der Bezirkszeitung hält. Auch die Niederösterreichischen Nachrichten gehören über die Diözese St. Pölten zu 80 Prozent der Kirche. Den Rest hält die Raiffeisen. Während das Naheverhältnis Nowaks zu Kurz unübersehbar ist, bemüht sich die Kleine Zeitung – obwohl tendenziell konservativ – um professionelle Distanz zu Kurz.

Presse-Chefredakteur Rainer Nowak und Sebstain Kurz in der “Pratersauna”. Bild: Zoom

Für eine Handvoll Dollar

Der Großteil der österreichischen Printmedien wird damit von einer Handvoll Personen und Organisationen kontrolliert, die allesamt Sebastian Kurz oder der ÖVP nahestehen: Die Kirche, Raiffeisen und René Benko.

Auch jene Medien, die nicht im Besitz ÖVP-naher Eigentümer stehen, sind vom guten Willen der Regierung abhängig. Unter Türkis-Blau haben die Ministerien ihren Werbetat auf knapp 45 Millionen Euro jährlich verdoppelt. Dieser größere Kuchen wurde sehr ungleich verteilt. So erhielt die Wiener Wochenzeitung “Falter” unter Türkis-Blau um 80 Prozent weniger Regierungsinserate als zuvor. Im September kam es zu einem Eklat, weil die ÖVP der Falter-Redakteurin Barbara Tóth den Zutritt zu einer Presskonferenz verwehrte. “Wir haben Sie gezielt nicht eingeladen”, sagte ein ÖVP-Sprecher zu Tóth, ehe er sie hinauswarf. Der Falter hatte zuvor eine Aufdeckergeschichte über mutmaßlich doppelte Buchführung in der ÖVP veröffentlicht.

Kurz dominiert auch am Bildschirm

Und wie sieht es auf dem Fernsehmarkt aus? Türkis-blau erhöhte Anfang 2019 die Presseförderung für Privatfernsehen um satte 20 Millionen Euro. Der Platzhirsch in diesem Revier, die Pro7-Gruppe, zu der Puls 4, Puls 24, ATV 1 und ATV 2 gehören, erhielt dank der Erhöhung 2019 4,22 Millionen vom Staat. Im Wahlkampf ereignete sich dann Seltsames: Der Auftritt von Sebastian Kurz in der “Puls 4 Wahlarena” wurde spontan um die Hälfte verlängert – auf Kosten der Auftritte von politischen Konkurrenten.

Auf das Vorgehen angesprochen sagte der zuständige Sendungsleiter achselzuckend: “Sebastian Kurz bringt eben mit Abstand die beste Quote.” Doch wie sich herausstellen sollte, stimmte das gar nicht. Andere Spitzenkandidaten bekamen auf schlechteren Sendeplätzen ähnliche Zuschauerquoten.

“Österreich”-Herausgeber Wolfgang Fellner Arm in Arm mit den Spitzen einer möglichen türkis-grünen Koalition. Bild: Screenshot Twitter

Kurz erhielt nicht nur bevorzugte Sendezeiten, sondern auch besonders persönliche Betreuung. Als einziger Spitzenkandidat wurde Kurz – der zu diesem Zeitpunkt kein öffentliches Amt innehatte – bei seinen Auftritten von Puls4-Chef Markus Breitenegger in Empfang genommen, durchs Haus geführt und mit den Mitabeitern bekannt gemacht.

Auch der ORF steht unter massivem Druck. “Es hat eine brutale Neuorganisation im Unternehmen gegeben, und es gibt sie nach wie vor.”, sagt ORF-Betriebsratsvoritzender Gerald Moser. Die Umfärbungen zeigen Wirkung: ORF Redakteursvertreter Dieter Bornemann spricht angesichts auffällig regierungsfreundlicher Sendungen über “großen Ärger in der Redaktionen”. Manches habe den Charakter unkritischer Belangsendungen.

Profil-Chefredakteur Christian Rainer posiert am Törggelen-Fest von Signa-Eigentümer und Medienmogul René Benko. Bild: Andreas Tischler

Situation der Presse “alarmierend”

Trotz der von “Reporter ohne Grenzen” (ROG) kritisierten hohen Medienkonzentration und der Abhängigkeit von Regierungsinseraten hatte die NGO die Pressefreiheit in Österreich stets als “gut” eingestuft. 2019 war das erstmals anders. Österreich landete nur noch in der Kategorie “ausreichend”. Für Rubina Möhring, die Präsidentin von ROG Österreich, ist das “alarmierend. Aus unseren Nachbarländern wissen wir, wie leicht angreifbar scheinbar unangreifbare Werte wie Pressefreiheit sind. Umso mehr müssen wir uns für sie einsetzen. Ich bin schockiert darüber, in welche Richtung sich die Pressefreiheit in einem Land wie Österreich entwickelt hat.”

Grund für die Herabstufung waren vor allem persönliche Angriffe und Drohungen von Politikern der Regierungspartei FPÖ gegenüber Journalisten. Kurz schwieg dazu.

Österreich verliert 2019 fünf Punkte im Ranking der Pressefreiheit, die nur noch “ausreichend” ist. Bild: Reporter ohne Grenzen

Beißhemmung

Dass Kurz nun mit den Grünen Koalitionsgespräche führt, hat einen angenehmen Nebeneffekt: Die wenigen kritische Stimmen aus dem linken Lager – etwa der zuvor so angriffige “Falter” – sind auffällig leise geworden. Schon im Wahlkampf erklärte Chefredakteur Florian Klenk, “warum die Grünen den Pakt mit dem türkisen Messias wagen sollten”. Die Falter-Kolumnistin Sibylle Hamann ist seit kurzem grüne Abgeordnete. Ein großer Teil der Politikredaktion der Wochenzeitschrift bezeichnete Türkis-Grün in einem Editorial vom 01. Oktober als “Koalition der Stunde”.

Teilen der Linken ist, wie es scheint, alles recht, solange nur die FPÖ von der Regierung ferngehalten wird. Währenddessen schreitet die Konzentration der österreichischen Medien in der Hand von Kurz-Unterstützern munter voran. Wo soll das enden?

(tw)

Titelbild: APA Picturedesk

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