Donnerstag, März 28, 2024

Es steht im Regierungsprogramm! – Flüchtlingspolitik in Zeiten von Corona

Flüchtlingspolitik in Zeiten von Corona

Etliche NGOs und Politiker fordern die Schließung der überfüllten Flüchtlingslager in Griechenland. Gerade in Zeiten von Corona fehlt auch hier die Solidarität innerhalb der EU. Wird sich das ändern, wenn die Krankheit in den Flüchtlingslagern ausbricht und tausende Kranke und Tote fordert?

Wien, 30. März 2020 / Über 42.000 Menschen, davon 1.500 unbegleitete Minderjährige, sind vor Krieg oder Terror nach Europa geflüchtet. Sie sitzen auf den griechischen Inseln Chios, Kos, Leros, Lesbos und Samos in überfüllten Flüchtlingslagern unter katastrophalen Bedingungen fest. Eines ist sicher: das Virus wird auch sie nicht umgehen.

Extrem heikle Grenzsituation

Besonders an der griechisch-türkischen Grenze ist es für die Geflüchteten schwer, da sie einem exzessiven Gewalteinsatz ausgesetzt sind. Neben Erwachsenen sind zuvor auch Kinder unter Tränengasbeschuss gekommen. Berichten zufolge sitzen an der Landgrenze zwischen der Türkei und Griechenland noch hunderte Menschen fest. Die griechischen Behörden wollen die Einreise von geflüchteten Menschen verhindern und kündigten an, keine neuen Asylanträge anzunehmen. Keiner sollte also die Chance auf ein ordnungsgemäßes Verfahren bekommen. Auch nicht in Österreich. Amnesty International spricht von einer humanitären und menschlichen Katastrophe. Von guter Versorgung der Menschen in Not könne hier nicht die Rede sein.

Sich selbst überlasen im Horrorlager

Auch in den überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln ist die Wahrung von Distanz oder regelmäßiges Händewaschen, um einen Ausbruch einzudämmen, nicht möglich. Ein einziger Wasserhahn wird von 1.300 Menschen benutzt. Ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen, also die Risikogruppen, sind somit extrem gefährdet. Im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos leben 20.000 Menschen. Nur ist dieses eigentlich für 3.000 vorgesehen. Nachdem auch viele Helfer die unsicheren Lager verlassen mussten, sind die Menschen in Not sich selbst überlassen.

Der Experte Adel-Naim Reyhani spricht hinsichtlich dieses Zugangs der “EU-Asylpolitik” von der

„Abschaffung des Asylrechts unter dem Deckmantel der Krise.“

Diese sei mit internationalem Recht nicht vereinbar. Humanitärer Einsatz oder eine Evakuierung seien hingegen notwendig. Es  besteht kein ernsthafter Zweifel daran, dass es auch in Österreich die notwendigen Kapazitäten für eine Aufnahme gäbe.

Sebastian Kurz hat Lösungen verschlafen

Bundeskanzler Sebastian Kurz habe Lösungen verschlafen, sagt Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich:

„Meine Position hat sich nicht geändert, ich würde sagen, sie ist sogar noch verschärft worden“,

(was die Aufnahme von Flüchtlingen angeht Red.), sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Mittwoch in einer Pressekonferenz. Vizekanzler Kogler schiebt die Verantwortung auf den griechischen Staat:

„Das ist zunächst einmal eine Verpflichtung des griechischen Staates, hier für eine Entlastung zu sorgen“,

so Kogler in der Pressekonferenz.

Stephanie Krisper, Sprecherin für Inneres, Asyl und Migration von den NEOS, fordert die schnellstmögliche Lösung für die Geflüchteten. Die österreichische Bundesregierung, solle endlich Menschen aufnehmen, denn Quarantäne-Unterbringung gebe es genug, meint auch Krisper:

„Das Außenministerium hat seit dem Ausbruch des Corona-Virus rund 3.500 Österreicherinnen in 21 Notflügen zurückgeholt, ca. 30.000 weitere seien noch im Ausland. Warum ist hier nicht ein „airlift of emergency“ für 100-200 Flüchtlinge aus Griechenland möglich?“,

schreibt Krisper auf ihrer Facebook-Seite.

Appelle von zahlreichen NGOs

Es gibt mittlerweile zahlreiche Appelle von NGOs an die österreichische Regierung, Griechenland und die EU-Organe zur Auflösung der Lager und Umverteilung der Schutzbedürftigen. Eine aktuelle Initiative von der Asylkorrdination Österreich, Diakonie, Fairness Asyl und der Volkhilfe bekräftigt, dass dies auch bewältigbar wäre:

„Die unterzeichnenden zivilgeselslchaftlichen Organisationen sind sich aufgrund ihrer Erfahrungen in der Betrauung und Beratung von geflüchteten Menschen sicher, dass die derzeitige Krise an den EU-Außengrenzen im Rahmen der Möglichkeiten der EU bewältigbar sind.“

Zur Räumung der Camps schloss sich am Montag auch das EU-Parlament an.

„Falls die EU scheitert, unverzüglich zu handeln, wird die Situation auf den griechischen Inseln nicht zu beherrschen sein, mit dem Risiko vieler Toter“,

schrieb der Vorsitzende des Innenausschusses, Juan Fernando Lopez Aguilar, in einem Brief an den EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarcic.

Zuvor haben einige EU Staaten – Österreich war nicht dabei – sich darauf geeinigt, 1.600 Menschen, vor allem kranke Kinder und ihre Familien, aufzunehmen.

Es steht im Regierungsprogramm

„In der Asylpolitik bekennt sich Österreich zum völkerrechtlich verankerten Recht auf internationalen Schutz, zur Genfer Flüchtlingskonvention sowie zur Europäischen Konvention für Menschenrechte“,

steht im Regierungsprogramm. Es stellt sich die Frage, warum die Regierung dann ihrer Verpflichtung nicht nachgehen und Flüchtlinge nicht aufnehmen will? Auf ZackZack-Anfrage haben wir bis heute keine Antwort vom BMI bekommen.

Könnten wir in Österreich noch Flüchtlinge aufnehmen?

Im Auftrag der Republik betreut die Schweizer Firma ORS Service GmbH seit 2012 alle Asylsuchenden in Bundesbetreuung und betreibt einzelne Betreuungseinrichtungen in verschiedener Bundesländern. Auf ZackZack-Nachfrage, ob Kapazitäten frei wären, wurden wir ans BMI verwiesen, da ausschließlich dieses die Öffentlichkeitsarbeit machen würde. Über Umwege habe wir aber erfahren, dass nur ein Drittel der Kapazitäten besetzt sei, wobei hier auch nicht alle möglichen Unterkünfte in Betrieb seien.

Von österreichischen Hilfsorganisationen haben wir die Rückmeldung bekommen, dass diese noch freie Kapazitäten hätten. Die Kurz-Regierung könnte Schutzbedürftige auch in Österreich aufnehmen, um sie vor der Katastrophe zu schützen.

Analyse von Ruciza Cubela

Titelbild: APA Picturedesk

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Ružica Čubela
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