Dienstag, Dezember 10, 2024

UNIQA-App gegen Corona – Gefahr Totalüberwachung

Gefahr Totalüberwachung

Die UNIQA finanziert eine App, die gegen Corona helfen soll. Programmiert wird sie von einem globalen Beratungsunternehmen, die Server stehen in den USA und gehören Microsoft. Die erste Version ist noch harmlos, doch schon bald könnten sich Smartphones automatisch gegenseitig „grüßen“.  

Wien, 02. April 2020 / Sebastian Kurz ließ den Datenschützern am Montag ausrichten: Was ist wichtiger, Datenschutz oder Gesundheit? Kurz hat ein starkes Argument: die Gesundheit. Aber hat sich das Virus so weit ausgebreitet, dass wir jetzt unser bekanntes Leben aufgeben müssen? Ist eine App wirklich notwendig und wenn ja, was ist das für ein Programm?

App oder Hausarrest?

Es könnte zumindest so weit kommen: Ohne Corona-App darf man den Supermarkt nicht mehr betreten oder gar das Haus nicht mehr verlassen. Das sind die Schreckenszenarien, die Kritiker an die Wand malen. Es gibt zudem noch weitere Dinge mit fahlem Beigeschmack: Die UNIQA – ein privates Versicherungsunternehmen, das eng mit der ÖVP-Bank Raiffeisen verbunden ist – finanziert mit der App ein Tool, das dem Staat neue Möglichkeiten bei der Überwachung geben könnte.

Warum die Regierung es erlaubt, dass sich ein privates Unternehmen in dieser sensiblen Materie einkauft, bleibt fraglich. Als die Parteijugend, angeführt von Sebastian Kurz, 2017 die ÖVP übernahm, brachte Kurz beste Verbindungen zur UNIQA mit. 2011 absolvierte der Kanzler dort ein sagenumwobenes Praktikum, angeblich innerhalb der Führungsetage. Dort stieg zu diesem Zeitpunkt Hartwig Löger zum CEO der UNIQA auf, später wurde er zu Sebastian Kurz‘ Finanzminister bestellt. Mittlerweile wird Hartwig Löger als Beschuldigter in der „Causa Casinos“ geführt. Im Raum steht der Verdacht des Gesetzeskaufs. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Die türkise App

Seit Ende März ist die App, wofür die UNIQA Privatstiftung 2 Millionen Euro sponserte, erhältlich. Doch der Anklang in der Bevölkerung scheint bisweilen minimal: Nur wenig mehr als 50.000 Downloads sind im Google Playstore vermerkt. Der Hersteller ist das „Rote Kreuz“. Auch dieses gilt seit Jahrzehnten als ÖVP-nahe. So engagierten das “Rote Kreuz” und die ÖVP dieselbe Werbeagentur.

Halten wir fest: Die größte Versicherung Österreichs finanziert eine Tracking-App, die laut Bundeskanzler Kurz unbedingt notwendig gegen Corona sei. Die UNIQA sponsort – zumindest über Umwege der Raiffeisen Bank – auch die ÖVP. Angesichts dessen ist man beinahe verwundert, dass die App nicht im türkisen Design gehalten ist.

“SBA Research” sieht nach einer schnellen Analyse allerdings keine Datenkrake des “Roten Kreuz”, äußert aber verschiedenste Bedenken. Stellt man die App in einen größeren Kontext, sieht die Sache aber anders aus. Denn die Daten landen bei Microsoft. Der Konzern gilt als einer der aggressivsten Überwachungskapitalisten. Mit ambitionierten KI-Programmen und seinem digitalen Assistenten Cortana versucht der Konzern, an eines zu kommen: Daten.

Programmiert und betrieben wird die App nicht vom “Roten Kreuz”. Kein Wunder, gilt das “Rote Kreuz” gemeinhin nicht als IT-Unternehmen. Die globale Beratungsfirma Accenture übernahm diese Aufgabe. Da das Programm nicht “Open Source” ist, ist der Programmier-Code nicht öffentlich. Er kann dadurch nicht von unabhängigen Experten überprüft werden. Letztlich weiß man aktuell also bedenklich wenig. Aufgrund des Drucks von verschiedenen Seiten gibt es offenbar aber schon ein Einlenken des “Roten Kreuzes”. Möglicherweise ist der Code bald einsehbar.

Der Pressesprecher des Roten Kreuzes stellt in den Raum, dass der Programmier-Code bald transparent sein könnnte.

Der Handshake ist zurück: Jetzt digital

Seit Corona wurde Händeschütteln zum Tabu. Die UNIQA-App bringt den Handshake zurück, aber in digitaler Form. Installiert man die App, bekommt man eine ID. Mit dieser kann man mit anderen Smartphones “Handshakes” austauschen, die ID bleibt am anderen Gerät gespeichert. Der Handshake wird nicht auf einem externen Server gespeichert. Pikant: Kommt es zwischen Android und Apple zum Handshake, wird die Infrastruktur von Google in Anspruch genommen. Damit ist Google der zweite Überwachungskapitalist nach Microsoft, der einen Nutzen aus der App zieht.

Die App greift auf Bluetooth und Mikrofon zu. SBA Research glaubt aber nicht, dass Gespräche mitgehört werden können. Die Zugriffsrechte auf das Mikro brauche die App, um mittels Ultraschall Geräte in der Nähe orten zu können.

Angst vor der „neuen Normalität“?

In der ersten Version ist dieser digitale Handshake nicht automatisiert. Das Handy „grüßt“ das andere Handy also nicht automatisch, wenn man aneinander vorbeispaziert. Dies wird aber vorbereitet, lässt das “Rote Kreuz” regelmäßigen Kunden ausrichten, die im Google Play-Store die App kommentieren. So schreibt das “Rote Kreuz”:

„Dazu braucht es im Moment den aktiven digitalen Handshake. Nach Klärung des Datenschutzes soll er in einer der nächsten Versionen optional auch automatisch möglich sein.“

Der Bundeskanzler spricht immer häufiger von der „neue Normalität“, auf die wir uns zubewegen. In dieser Welt könnten sich Handys gegenseitig die Hände schütteln, die Menschen aber nicht mehr. Eine Tracking-App für die Bevölkerung wünscht sich der Kanzler in der „neuen Normalität“ jedenfalls schon einmal.

Wie gefährlich die aktuelle Situation ist, zeigt ein Blick auf die Politik der Tech-Konzerne. Sie „betreiben schrittweise und insgeheim, was auf einmal erledigt eindeutig illegal wäre“, schrieb Jack Nica im “Wallstreet Journal” vor einigen Jahren. Die Konzerne würden gerade Ausnahmezustände nutzen, um gänzlich undenkbare Methoden, die der Autonomie des Individuums zuwiderlaufen, schrittweise einzusetzen – bis wir uns daran gewöhnt hätten. Noch ein Detail am Rande: Tech-Wissenschaftler machen immer wieder darauf aufmerksam, dass Versicherungen immer mehr Lust zeigen, mit Big Data zu arbeiten. Dass UNIQA nun diese App finanziert, dürfte wohl nicht uneigennützig sein.

Auch weil in Italien und Spanien die Corona-Kurven auch ohne App langsam abflachen, scheint es eigentlich keine dringende Notwendigkeit für dieses digitale Abenteuer zu geben. Dass die UNIQA mit ihren engen Verbindungen zur Kanzlerpartei mitmischt, ist bedenklich. Wenn man die Smartphone-Technologie wirklich nutzen will, braucht es wohl einen verfassungsrechtlichen Beschluss, Rechtschutz, und ein Verwertungsverbot für die Polizei – organisiert und finanziert vom Staat.

(ot)

Titelbild: APA Picturedesk/ dpa

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