Wer hat die Kanzler-Krisenmanagerin gewählt?
Die oberste Krisenmanagerin des Kanzlers ist Antonella Mei-Pochtler. Diese gab nun dem Magazin “Trend” ein Interview. Darin spricht die neoliberale Beraterin über einen starken Staat, Tourismus unter Corona und schwärmt von Sebastian Kurz.
Wien, 24. April 2020 | Eine der ersten Amtshandlungen von Altkanzlerin Brigitte Bierlein war es, ihren Posten zu streichen. Aber Kanzler Kurz holte Antonella Mei-Pochtler sofort zurück ins Kanzleramt. Sie leitet jetzt wieder die „Denkfabrik“ des Kanzlers, „Think Austria“, mit Sitz im Kanzleramt. Und jetzt plant sie das Post-Corona-Österreich. Ein aktuelles „Trend“-Interview mit der Kanzlerberaterin ließ aufhorchen. Darin gibt sie tiefe Einblicke in das Weltbild der türkisen Neuen Volkspartei.
Marktradikale Ideologin
Die neoliberale Unternehmensberaterin war jahrelang eine führende Figur beim globalen Unternehmensberater Boston Consulting. Dort zählt Geld, Kapital und Profit.
Im „Trend“-Interview zeigt sie das ganz klar: Zurück zur wirtschaftlichen “Normalität”. Der Tourismus soll zuerst für Deutsche und Schweizer geöffnet werden, allerdings sollen „Touristen zur Verwendung der App (eine ,Contact-Tracing-App‘, Anm.) verpflichtet werden.“ Das ist nur ein kleiner Einblick in die Welt der Wirtschafts-Chefberaterin.
App und Immunitätszertifikate
Die Italienerin zeigt sich enttäuscht darüber, dass der Staat kein Unternehmen ist. Denn sie würde eine App gerne verpflichtend machen,
„in einem Unternehmen könnte man die Verwendung vorschreiben, in der Politik schwer.“
Was für viele verstörend klingt, ist für die in der Unternehmensberatungs-Branche sozialisierte Kanzler-Beraterin Common Sense.
Die Planungen im Kanzleramt gehen offenbar in diese Richtung:
„Die nächste Wintertourismussaison muss gerettet werden“, ebenso wie „die AUA systemrelevant ist“.
Für Urlauber und Flugreisende hat Mei-Pochtler schon eine fast Orwell’sch anmutende Idee parat: „So gibt es die Idee von Immunitätszertifikaten für Beschäftigte“.
Die oberste Denkerin des Team Österreich
Mei-Pochtler zeigt vor, wie es gehen soll: Sie gibt sich als unabhängige Expertin, ist allerdings türkise Chefberaterin und seit Jahren enge Freundin von Sebastian Kurz. Durch und durch türkis, stellt sie sich als erste und unabhängige Denkerin für das „Team Österreich“ hin. Die Huldigung des Chef-Türkisen Kurz darf meistens nicht fehlen. Er “nehme COVID-19 sehr ernst”, sagt Mei-Pochtler und gibt uns immer wieder medizinische Expertise ab. So sei COVID dreimal tödlicher als die jährliche Grippe, die Letalität wissen allerdings noch nicht einmal Virologen.
Pikant: Es ist nicht einmal sicher, ob Mei-Pochtler nur für die ÖVP, oder für die gesamte Regierung tätig ist. Denn aus einer Anfragebeantwortung von Werner Kogler am 7. April ging hervor, dass er nicht wisse, womit sich „Think Austria“ beschäftige.
„Wir sind die Vorhut“. Dieses Interview mit Kurz-Beraterin Mei-Pochtler ist eine seltsame Mischung aus Thinktank-Gequassel, anekdotischem Geschwätz und Pfeifen im dunklen Wald der Megakrise. Selten so etwas erschreckend inhaltsleeres gelesen
Danke Format für die Interviewführung pic.twitter.com/MyXFFTw4Vg— Florian Klenk (@florianklenk) April 23, 2020
Mei-Pochtler, die seit kurzem auch im Puls4-Aufsichtrat sitzt, plant mit ihrem Expertenteam, „das Hochfahren Österreichs“. Was dort genau geplant und vernetzt wird, welche Unternehmen das Kanzleramt in die Pole-Position holt (wie etwa Accenture, dass die Rot-Kreuz-App entwickelt und auch am Projekt ID2020.org beteiligt ist), weiß die Öffentlichkeit nicht. Wohl auch nicht der Koalitionspartner.
(ot)
Titelbild: APA Picturedesk