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Härtefallfonds lässt 24-Stunden-Betreuerinnen im Stich: Offener Brief an Blümel und Schramböck

Offener Brief an Schramböck und Blümel

Aktualisiert am 29. April um 16:15 Uhr

Viele der über 60.000 24-Stunden-Personen-Betreuerinnen aus dem Ausland schauen beim Härtefallfonds durch die Finger, obwohl viele von ihnen seit vielen Jahren in Österreich Sozialabgaben zahlen. In einem Offenen Brief, der am Mittwoch veröffentlicht wurde, prangern Interessenvertreter und Organisationen diese Ungerechtigkeit an. Möglicherweise mit sehr schnellem Erfolg: laut Büro von Vizekanzler Kogler ist wenige Stunden nach Veröffentlichung zu hören, dass es eine Lösung geben soll.

Wien, 29. April 2020 | Seit Beginn der Corona-Krise vergeht kaum ein Tag, an dem die 24-Stunden-Betreuerinnen nicht in den Schlagzeilen vorkommen. Die Corona-Krise trifft ihre Berufsgruppe besonders hart: Auf Grund der Ein- und Ausreiseschwierigkeiten sitzen viele von ihnen fest. Ein Teil in Österreich bei den zu betreuenden Personen, der andere im Heimatland – die meisten davon in Rumänien. Es wurde bisher einiges an Aufwand betrieben, die Betreuerinnen aus dem Ausland nach Österreich zu bringen: So gab es Flüge, die sie nach Österreich einflogen, ein Zug wurde versprochen, ist jedoch bisher an Ministerin Edstadlers ungeschicktem Vorgehen gescheitert. Weniger Aufwand wurde offenbar betrieben, wenn es darum geht, jenen 24-Stunden-Personenbetreuerinnen, die in Österreich als selbstständige Ein-Personen-Unternehmen arbeiten müssen, Zugang zum Härtefallfonds zu ermöglichen.

Härtefall-Fonds für harte Fälle?

Jenen Personenbetreuerinnen, die in ihrer Heimat festsitzen, entgeht ihr gesamter Verdienst: Ihre finanzielle Existenz und die ihrer Familien ist akut gefährdet. Der Härtefall-Fonds sollte eigentlich genau jene hart getroffenen Unternehmer unterstützen – darunter auch die Personenbetreuerinnen als selbstständige Unternehmerinnen. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) verkündete noch letzte Woche, man wolle mit dem Härtefallfonds „so gut wie möglich“ helfen, und es würde in vielen Bereichen „Kulanz und Flexibilität“ gezeigt. Auch Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) sprach am Wochenende davon, Firmen in der jetzigen schwierigen Phase damit rasch zu unterstützen.

„Extreme Ungerechtigkeit“

Genau jene Betreuerinnen, die jetzt im Ausland festsitzen, hätten keinen Zugang zum Härtefallfonds und damit auf Kompensation ihrer Verdienstentgänge, prangert der Offene Brief an Schramböck und Blümel, der am Mittwoch veröffentlicht wurde, an. Darin werden unüberwindbare Hürden für die 24-Stunden-Betreuerinnen angesprochen, die die „allermeisten“ von ihnen von den Zahlungen ausschließen.

„Wir empfinden das als eine extreme Ungerechtigkeit: Ausgerechnet jene Schlüsselpersonen, die schon jetzt einen der wichtigsten Jobs gegen viel zu geringe Bezahlung machen, werden jetzt von Hilfszahlungen ausgeschlossen“

Wer zu wenig verdient hat, bekommt nichts

Eine der Hürden sei, dass für die Beantragung des Härtefall-Fonds eine Steuernummer sowie ein Einkommenssteuerbescheid nötig ist. Die meisten der 24-Stunden-Betreuerinnen gelangen aber nie über die Einkommensgrenze von 11.000 Euro jährlich, die einen Einkommenssteuer-Bescheid verpflichtend macht. Daher verfügten sie weder über einen Einkommenssteuerbescheid, noch über eine Steuernummer.

„Sie zahlen aber natürlich in Österreich ihre Sozialabgaben. Es ist grotesk: Gerade weil die 24-Stunden-PersonenbetreuerInnen schon zu normalen Zeiten so schlecht bezahlt werden, haben sie jetzt in der Krise keinen Zugang zum Härtefallfonds.“,

ist in dem Offenen Brief dazu zu lesen.

Streichung der Förderkriterien gefordert

Absurd: ein österreichisches Bankkonto ist Voraussetzung, um vom Härtefallfonds zu profitieren. Viele der 24-Stunden-Betreuerinnen hätten ihr Konto allerdings bei einer Bank in ihrem Heimatland. Das Antragsformular ist darüber hinaus nur auf Deutsch verfügbar, kritisiert der Offene Brief. Die Verfasserinnen fordern in ihrem Offenen Brief abschließend daher sofortige Maßnahmen von Blümel und Schramböck:

„Wir fordern einen gerechten Zugang zu Hilfszahlungen aus dem Härtefallfonds für alle 24-Stunden-PersonenbetreuerInnen! Wir fordern die sofortige Streichung der Förderkriterien „Steuernummer“, „Einkommenssteuerbescheid“ und „österreichisches Bankkonto“ für Zahlungen aus dem Härtefallfonds. Weiters fordern wir, dass das Antragsformular auch in übersetzter Form zur Verfügung gestellt wird!“

Zahlreiche Organisationen beteiligt

Federführend an dem Brief war die Aktivistengruppe „DREPT pentru ingrijire“, was so viel wie „Gerechtigkeit in der Pflege und Personenbetreuung“ bedeutet. Unterschrieben wurde der Brief von zahlreichen Organisationen, darunter die Volkshilfe, die Diakonie Österreich, die Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger, die Plattform 20000 Frauen, der Verein Frauenhetz und das FrauenLesbenMädchenZentrum Wien. Auch Wien-Parteien finden sich unter den Unterzeichnern: Wien Andas und LINKS. Auch Birgit Gerstorfer, Parteivorsitzende der SPÖ Oberösterreich, ist unter den Unterzeichnenden. Ihr Büro nahm gegenüber ZackZack zum Offenen Brief Stellung:

„24-Stunden-Betreuerinnen leisten einen enorm wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft. Sie sind genauso Unternehmerinnen wie alle anderen. Es ist eine große Ungerechtigkeit, dass sie keinen Zugang zum Härtefallfonds haben.“

Frau Gerstorfer fordere daher eine Anpassung der Richtlinien, um diese Berufsgruppe nicht auszuschließen. Aus dem Büro Schramböck und Blümel ist bisher noch keine Antwort auf ZackZack-Anfrage erfolgt, ob die geforderte Änderung der Richtlinien geplant ist.

Erfolg durch Offenen Brief?

Wenige Stunden nach Veröffentlichung des Offenen Briefs soll es nun bereits eine Lösung für den Zugang der 24-Stunden-Betreuerinnen zum Härtefallfonds geben: Dies soll laut „profil“ aus dem Büro des Vizekanzlers Werner Kogler am Mittwoch verlautbart worden sein. Die Betreuerinnen sollten innerhalb von 48 Stunden eine Steuernummer unbürokratisch lösen können, dies gelte auch dann, wenn das Einkommen unter der Steuergrenze von 11.000 Euro pro Jahr liegt, was oftmals der Fall ist. Ob die Abwicklung der Fälle tatsächlich innerhalb von 48 Stunden möglich sein wird, konnte man im Finanzministerium nicht bestätigen. Eines ist allerdings fix – beim Konto bleibt es dabei, betonten sowohl Schramböck als auch Blümel gegenüber der APA: das muss österreichisch sein. „Ein Bekannter könne es theoretisch einrichten“, zitiert das „profil“ eine Sprecherin des Vizekanzlers.

(lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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