Fake News-Kampagne der Regierung geht weiter
Im Interview mit den Salzburger Nachrichten kritisiert Europaministerin Edtstadler die vermeintlich späte Hilfe der EU. Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters zeigen aber: Die EU hatte den Mitgliedsstaaten bereits im Jänner Hilfe angeboten. Österreich lehnte ab. Man sei „gut vorbereitet“.
Wien, 20. Mai 2020 | Am Dienstag gab Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) den „Salzburger Nachrichten“ ein Interview, in dem sie der EU zu langsames Vorgehen in der Corona-Krise vorwarf. Tatsächlich hatte die EU Österreich im Jänner und nochmals im Februar Hilfe bei der Beschaffung medizinischer Ausrüstung angeboten. Österreich hatte beide Male abgelehnt.
Europaministerin greift EU scharf an
Es habe „Wochen gedauert, bis auf europäischer Ebene Maßnahmen getroffen worden sind. Sie waren wichtig, sind aber sehr spät gekommen.“, sagte Edstadler. Insbesondere kritisierte die Europaministerin die Bemühungen um Beschaffung von Schutzmasken:
„Die sind verbürokratisiert und viel zu langsam. Erst in diesen Tagen sind die ersten Schutzmasken aus diesen Einkäufen eingetroffen.“
Tatsache ist: Schon im Jänner hatte die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten der Union angeboten, medizinische Ausrüstung wie Beatmungsgeräte und Schutzmasken zu beschaffen. Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters, die Zugang zu internen Dokumenten hatte, beweisen, dass Österreich dieses Angebot am 31. Jänner ausgeschlagen hatte. Man sei “gut vorbereitet”, und brauche daher die Hilfe der EU nicht, hieß es.
Am 28. Februar wiederholte die EU ihr Angebot – wieder ging Österreich nicht darauf ein. Vier Tage zuvor hatte Bundeskanzler Kurz öffentlich gesagt, Österreich sei „auf alle Szenarien gut vorbereitet“.
Kritisierte Lageeinschätzung stammt von nationalen Experten
Auch an der Lageeinschätzung der Union übte Edtstadler scharfe Kritik:
„Man hat die Krise offenbar unterschätzt. Ich war am 7. Februar in Stockholm und habe das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten besucht, das sogenannte ECDC. Man hat mir damals gesagt, das Risiko sei gering bis mäßig.“
Doch wie kam das ECDC zu dieser Einschätzung? Das Zentrum stützte sich dabei auf die Lagebeurteilungen der Mitgliedsstaaten, die es drei Tage zuvor eingeholt hatte. Am 4. Februar hatte unter anderem Österreich dem ECDC mitgeteilt, dass kein Grund zur Sorge bestünde. Genau diese Lageeinschätzung schreibt Edtstadler nun der EU zu – sie stammt aber von den nationalen Gesundheitsexperten.
Die Reuters-Dokumente zeigen: Erst am 13. März erkannten die Mitgliedsstaaten den Ernst der Lage und erbaten von der EU-Kommission Beatmungsgeräte. Dann war es tatsächlich zu spät. Auch ein persönlicher Anruf von Bundeskanzler Kurz beim Medizingerätehersteller Dräger nutzt nichts mehr, wie der „Spiegel“ berichtete. Kurz wollte 1.500 Beatmungsgeräte kaufen. „Er kann jetzt nur noch 50 bekommen,“ sagte Dräger.
In der vergangenen Woche hatte laut ZackZack-Recherchen das Innenministerium mehrmals Fake-News über angeblich geflohene Asylwerber gestreut. Für die NEOS Grund genug, bei Innenminister Nehammer mittels parlamentarischer Anfrage nachzuhaken. Nun kommt Desinformation also auch von Europaministerin Edtstadler.
(tw)
Titelbild: APA Picturedesk