Xi macht Ernst
Seit langem gibt es einen Grenzkonflikt Indiens mit chinesischen Truppen. Nur dieses mal ist China zu weit gegangen und hat im Osten Indiens ein Gebiet besetzt. Nun kommt es wieder einmal zu einem Kräftemessen der beiden Seiten.
Wien, 27. Mai 2020 | Zum ersten Mal seit 1999 steht das Gebiet des Galwan-Tals im Norden Indiens nicht mehr unter dem Einfluss von Indien. China hat mit der Entsendung von tausenden Soldaten drei bis vier Kilometer in das Tal hinein gegen seine eigenen Auflagen verstoßen. Peking selbst hatte dieses Gebiet bislang als indisch anerkannt.
Der Konflikt bauschte sich zuletzt auf, als Indien eine 255 Kilometer lange Straße fertigstellte, welche Zugang zum Depsang-Gebiet und zum Galwan-Tal bietet, und in der Nähe des Karakoram-Passes endet. Die chinesische Volksbefreieungsarmee (PLA) war darüber verärgert und behauptete, das alle Aktivitäten auf ihrem Territorium stattfänden. China kritisiert den Bau von Grenzinfrastruktur, vor allem Straßen, Verteidigungsanlagen und Landeplätze entlang der rund 3.500 Kilometer langen Grenzfront. Die Chinesen errichteten eine stationäre Basis in der Nähe des Flusses Galwan, nachdem indische Truppen den laufenden Bau einer Straße in der Demchok-Region blockiert hatten.
Außerdem wurde auch die Anzahl der bewaffneten Boote von Seiten Chinas erhöht, welche am Pangong See patrouillieren. Zwei Drittel des Sees, der sich von Tibet bis Indien erstreckt, sind unter Chinas Kontrolle. Indien reagierte darauf und entsandte schnelle Einsatzboote sowie zusätzliche Truppen ans Nordufer.
Eskaliert Grenzstreit?
In den letzten Tagen fanden mehrere Gespräche mit dem Grenzpersonal im Osten Ladakhs statt. Dabei wurde aber kein Durchbruch erzielt. Die indischen Truppen bleiben bei ihrer konfrontativen Haltung an der Grenze, sie bekamen sogar zusätzliche Verstärkung aus anderen Gebieten. Sowohl Indien, als auch China brachten in den Wochen zuvor weitere Truppen ins Konfliktgebiet und bauten zusätzliche Zelte und Befestigungen entlang der Front auf, nachdem es dort bereits seit Mitte April zu Zusammenstößen kam, die am 5. und 6. Mai eskalierten. Das Ausmaß der jetzigen Eskalation ist daher nicht absehbar.
Während sich Indien in Schweigen hüllt, attackiert China die Aktionen via chinesisches Außenministerium und den staatlich kontrollierten Medien. Die Botschaft: „Aggressives Verhalten der Patrouillen und ‚einseitige Versuche‘, den Status Quo an der Front zu ändern.“
Historisches Kräftemessen beider Nationen
In den genannten Regionen war es in der Vergangenheit immer wieder zu Zusammenstößen beider Seiten gekommen. In den letzten Jahren verstärkte sich der Konflikt der beiden 1,4-Milliarden-Einwohner-Mächte (Indien hat ca. 1,36 Mrd. und China ca. 1,39 Mrd. Einwohner, Red.). In Doklam gab es zuletzt 2017 einen 73 Tage langen bewaffneten Konflikt. Damals hatten indische Soldaten chinesische Truppen beim Ausbau einer befahrbaren Straße blockiert. Die beiden Armeen hatten ihre Truppen, Panzer und Raketengeschütze an der Grenze aufgestellt, bevor der Konflikt auf letztlich diplomatischem Wege gelöst wurde.
Auch in Depsang gab es einen 21 Tage andauernden Konflikt von April bis Mai 2013, nachdem chinesische Truppen 19 Kilometer weit ins indische Territorium eingedrungen waren. Seit dem Grenzkrieg 1962 zwischen Indien und China herrscht ein geopolitisches Kräftemessen zwischen den beiden Milliarden-Nationen.
(mp)
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