Donnerstag, März 28, 2024

U-Ausschuss-Paukenschlag: Geheime ÖVP-Dokumente an Medien gespielt

U-Ausschuss-Paukenschlag

Paukenschlag im U-Ausschuss. WKStA-Oberstaatsanwalt Adamovic legt ein Dokument vor, das die ÖVP in größte Bedrängnis bringt. Mit einem „Sachstandsbericht“ sollte die WKStA schlecht gemacht werden. Ein anonymer Anzeiger ließ Anfang Juli alles auffliegen. Jetzt liegt der Bericht vor: auf vertraulichem U-Ausschuss-Papier der ÖVP.

16. Juli 2020 | Im November 2019 weiß die Spitze der ÖVP dreierlei:

  1. Sie wird mit den Grünen eine Regierung bilden.
  2. Die WKStA ist der ÖVP bei „Ibiza“ auf die Spur gekommen.
  3. Mit der SOKO Ibiza kann die ÖVP eine Gegenoffensive starten.

Im November 2019 ist Franz Lang als stellvertretender Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit der ranghöchste ÖVP-Gefolgsmann im Innenministerium. Er hat es bereits geschafft, das zuständige Bundesamt für Korruptionsbekämpfung BAK aus den Ibiza-Ermittlungen auszuschalten und durch eine passende SOKO im Bundeskriminalamt BK zu ersetzen. Das geht ganz einfach, denn Lang ist auch Direktor des BK.

Am 29. November 2019 erteilt er seinem Vertrauensmann Andreas Holzer, den er zum Chef der SOKO gemacht hat, einen Auftrag. Holzer soll einen „Sachstandsbericht“ erstellen, in dem der Konflikt zwischen WKStA und SOKO in passendem Licht dargestellt wird.

Die Staatsanwälte der WKStA misstrauen der SOKO. Gezielte Weitergabe von Informationen; Ermittlungen, bei denen ÖVP-Männer geschont werden; türkise Handys, die nicht untersucht werden; seltsame „Pannen“ bei Hausdurchsuchungen; Datenverlust auf wichtigen Handys. Aber der wichtigste Vorwurf der WKStA lautet: Die SOKO Ibiza ist politisch befangen.

Aktion „Sachstand“

Am 17. Dezember stellt Holzer seinen Bericht fertig. Die WKStA wird nicht informiert, der Bericht gegen sie wird hinter ihrem Rücken verfasst.

Zum Vorwurf der Informationsweitergabe bleibt er vorsichtig: „Innentäter sind nie mit Sicherheit auszuschließen.“ Bei der Schredder-Affäre versucht er abzulenken: Das Handy des Schredder-Manns und Kurz-Mitarbeiter Arno Melicharek sei nur deshalb nicht sichergestellt worden, weil die SOKO dazu keinen Befehl der WKStA habe. Holzer verschweigt, dass der WKStA in dem Moment, wo sie das türkise Handy sicherstellen wollte, der Fall mit Weisung entzogen wurde.

Dann wird es skurril:

„Die WKStA setzte im Berichtszeitraum ohne Rücksprache mit den jeweils zuständigen Beamten der SOKO-TAPE aus eigenem Antrieb Ermittlungsschritte.“

Die SOKO ermittelt für die WKStA und nicht umgekehrt. Aber das war zu diesem Zeitpunkt offensichtlich nicht mehr klar.

Im August 2019 befürchtete die WKStA bereits, dass SOKO-Beamte ein Naheverhältnis zu ÖVP oder FPÖ haben könnten. Die WKStA fragte weiter. Der Sachstandsbericht tut das ab:

„Ein weiteres Insistieren war hier unangebracht.“

Bei einer Besprechung machen OStA und SOKO der WKStA klar, dass mit der Überprüfung möglicher Befangenheiten Schluss ist:

Wie ein roter Faden zieht sich eine Behauptung durch den Bericht: Die WKStA behindere die Arbeit der SOKO. Gute SOKO, böse WKStA – schon wenige Wochen später wird das die Propaganda der ÖVP sein.

Am 7. Jänner sandte Holzer den fertigen Bericht an Innenminister Peschorn und den Auftraggeber Franz Lang. Die Munition gegen die WKStA war an die Spitze des Innenministeriums geliefert.

Zwei Wochen später am 20. Jänner drückte Bundeskanzler Kurz selbst ab. In einem Hintergrundgespräch in der Politischen Akademie der ÖVP greift er die WKStA frontal an.

Wenig später macht der Sachstandsbericht die Runde. „Der Bericht wurde an Journalisten verteilt, um damit verdecktes dirty campaigning gegen die WKStA zu betreiben“. Das schreibt ein anonymer Anzeiger, dessen Hinweise auf einem USB-Stick am 8. Juli 2020 in der WKStA eintreffen.

Auf ÖVP-Papier

Der Anzeiger legt den Sachstandsbericht bei. Aber quer über die 13 Seiten des Berichts steht „ÖVP eingeschränkt“. Dieser Faksimileschutz beweist: Der Sachstandsbericht, mit dem die WKStA diffamiert wird, stammt aus dem Parlamentsklub der ÖVP.

Der Anzeiger schreibt:

WKStA-Oberstaatsanwalt Adamovich sagt im U-Ausschuss: Die Daten wurden schon im Februar auf den Stick gespielt.

Jetzt hat die ÖVP Erklärungsbedarf:

  • Ist der Sachstandsbericht aus dem ÖVP-Klub an Medien verteilt worden?
  • Wer wollte damit der WKStA und den Ermittlungen gegen die ÖVP schaden?
  • Und: Wussten Kurz und Blümel von der Aktion?

Sebastian Kurz wird noch einmal in der U-Ausschuss kommen. Er hat einiges zu erklären.

(red)

Titelbild: APA Picturedesk

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2 Kommentare

  1. […] Zackzack berichtete und veröffentlichte exklusiv die Dokumente mit ÖVP-Wasserzeichen. Die Kanzlerpartei bestritt dennoch umgehend, dass das Dokument aus ihrem Parlamentsklub stammen würde. Fraktionsführer Gerstl ortete gar „ÖVP-Bashing“, das Dokument würde von überall her stammen können oder abfotografiert worden sein, so die ÖVP. Jetzt wird klar: das Dokument ist nicht nur echt, es kommt auch zweifelsfrei vom ÖVP-Klub. Schon die WKStA selbst ließ die Unveränderbarkeit des Dokumentes forensisch überprüfen, jetzt bestätigen die Metadaten-Überprüfungen aus drei Parlamentsfraktionen den türkisen Ursprung. […]

  2. […] Das „Darling“ der ÖVP ist die WKStA offensichtlich nicht. Der Ausschuss kam in Aufregung, als Adamovic in einer Befragung von FPÖ-Hafenecker plötzlich ein Dokument mit ÖVP-Wasserzeichen hochhielt. Das sei am 6. Juli auf seinem Schreibtisch gelandet. Die ÖVP intervenierte sofort: Das muss aus dem Ausschuss herausgespielt worden sein. Aber Adamovic widersprach entschieden: „Das Dokument kam digital, per USB-Stick, die Datei ist datiert vom Februar.“ Noch brisanter: Den SOKO-Bericht, den die ÖVP laut einem anonymen Schreiben an Journalisten weitergab, hatte die WKStA bis dahin gar nicht. Darin wird sie massiv attackiert. Die ganze Geschichte lesen sie hier. […]

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