Donnerstag, März 28, 2024

Kurz-ÖVP und die Intransparenz – Wie Türkis das Parlament behindert

Wie Türkis das Parlament behindert

AUA-Deal, Masken-Deal, McKinsey und Boston Consulting im Hintergrund: österreichisches Steuergeld könnte während Corona in viele Richtungen abgeflossen sein. Doch parlamentarische Anfragen bringen der Opposition kaum neue Erkenntnisse. Besonders Sebastian Kurz und seine ÖVP-Ministerien missachten das demokratische Kontrollinstrument, sagen Oppositionspolitiker. ZackZack hat mit Ex-Minister Alois Stöger (SPÖ) und NEOS-Frauensprecherin Henrike Brandstötter gesprochen. Tenor: Statt Auskunft bekomme die Bevölkerung Behauptungen serviert.

Wien, 05. September 2020 | Die Regierung rettet die AUA und lässt Berater-Riesen wie McKinsey oder Bosten Consulting im Hintergrund der Virus-Bekämpfung mitspielen. Aber was genau vor sich geht, weiß weder die Bevölkerung, noch die Opposition. Eines der wichtigsten Mittel des Parlaments, um hinter solche Vorgänge zu blicken: die parlamentarische Anfrage. Diese werde aber von der ÖVP systematisch untergraben, sagt die Opposition. Nicht-Antworten und Ausweichstrategien seien unter den türkisen Regierungsmitgliedern zum Alltag geworden.

Kanzler drückt sich vor Antworten

So wirkt der AUA-Deal wie das Staatsgeheimnis Nummer 1. Anfragen dazu werden ohne grundlegende Information zurückgeschickt, meint Ex-Verkehrsminister Alois Stöger (SPÖ) im Gespräch mit ZackZack:

„Der Herr Bundeskanzler hält eine Pressekonferenz zur AUA und erklärt dort die Welt. In der Anfrage heißt es dann aber: ‚Ich bin nicht zuständig. sondern der Finanzminister, denn abgewickelt wird über die COFAG (Covid-19 Finanzierungsagentur des Bundes, Anm.). Der Kanzler sagt, er ist nicht zuständig, das kann er sagen. Er ist eh für nichts zuständig. Dann soll er auch keine Pressekonferenzen halten, auf Staatskosten. Dann stellt man dieselbe Frage dem Finanzminister und da sagt der Finanzminister: ,Die COFAG ist eine Aktiengesellschaft’. “

Unter türkiser Regentschaft werde die Kontrollfunktion des Parlaments ins Absurde geführt, die Auskunft werde einfach verwehrt. Das sei “mühsam und eine Missachtung des Parlaments”, sagt auch Henrike Brandstötter, Frauensprecherin der NEOS und eifrige Anfragenstellerin, und diese Form der Politik habe System.

Die Regierung würde „rotzig antworten“, besonders Türkis antworte „extrem ausweichend oder gar nicht”. Was man brauche, wäre

„die Möglichkeit, dass wir zum Verfassungsgerichtshof gehen können und sagen können, wir erwarten auf diesen konkreten Fragenkomplex auch ernst gemeinte, ehrliche und aufrichtige Antworten. Das gibt es in Deutschland“,

so Brandstötter.

Transparenz? Fehlanzeige!

Die ÖVP stellt die Message Control offenbar über die Prinzipien des Parlamentarismus:

„Speziell bei Kurz wird diese Beziehung zwischen Regierung und sachlicher Auseinandersetzung aufgehoben. Es geht nur mehr um Show, es geht nur mehr um Message Control und es geht nicht mehr um eine rationale Auseinandersetzung, wie Verwaltungshandeln“, meint Stöger.

Verfassungsministerin Edtstadler betone laut Brandstötter immer wieder, wie wichtig der Regierung Transparenz sei. Die Realität sei dann eine andere.

Nationalrat und Bundesrat können über parlamentarische Anfragen einschlägige Auskunft der Bundesregierung über ihre Arbeit verlangen. Das betrifft auch Unternehmen, die im Mehrheitseigentum der Republik sind. Die befragten Minister sind eigentlich zu wahrheitsgemäßer Beantwortung verpflichtet. Können die Ministerien keine Antwort geben, muss dies in der Antwort klar begründet werden. Anfragen brauchen fünf Abgeordnete des Nationalrats, oder drei Bundesräte, um gestellt werden zu können. Zwei Monate haben die Befragten Zeit, um zu antworten.

Ganz besonders sehe man das laut NEOS-Frauensprecherin beim von der Regierung angekündigten Informationsfreiheitsgesetz: dies sei groß angekündigt und auf den sozialen Medien weit verbreitet worden. “Wenn man ein paar Monate später nachfragt: Was ist denn da passiert? Das ist dann plötzlich nur mehr etwas für Spezialisten, die sich mit Datenschutz oder Ähnlichem beschäftigen, lautet die Auskunft.” Bemerkenswert: Laut “Frag den Staat” gibt es nur zwei Staaten in Europa ohne Informationsfreiheitsgesetz: Österreich und Belarus.

Intransparent sei auch die Kurz-Aussage von „100.000 Corona-Toten“ oder seine Behauptung, Israel-Premier Netanjahu habe ihn im März „aufgeweckt“, kritisiert Brandstötter. „Es reicht eine Behauptung aufzustellen, die stellt man in den Raum und dann beschäftigen sich alle mit dieser Behauptung“, kommentiert die pinke Abgeordnete die türkise Inszenierungsstrategie.

Regierungsflucht

Doch diese Form der Politik sabotiere die demokratischen Institutionen:

„Eine Regierung muss sich ihrer Verantwortung gegenüber dem Parlament stellen, und zwar mit Antworten. Aber sie tut das nicht. Der Kanzler stellt sich nicht, die Regierung stellt sich nicht“,

urteilt Stöger. Der Ex-Minister hatte selbst Anfragen zu beantworten, immerhin leitete er bereits das Verkehrs,- Sozial- und Gesundheitsministerium. Auch wenn es Anstrengung koste: die Kontrolle durch das Parlament habe seinen Ressorts oftmals sehr gut getan. Für verschiedene Prozesse sei die parlamentarische Kontrollfunktion wichtig und nützlich. Aber die Kurz-ÖVP sieht die parlamentarische Kontrolle offenbar nur noch als Lästigkeit: man drücke sich vor der „Verantwortung, indem man „nicht antwortet“, demokratiepolitisch sei das äußerst bedenklich.

Henrike Brandstötter (NEOS) und Alois Stöger (SPÖ). Foto: ZackZack/mp.

Wichtiges Kontrollinstrument

Erfolge durch parlamentarische Anfragen gibt es dennoch. Sie sind meist mühsame Kleinarbeit, oft liefere erst eine zweite, dritte präzise formulierte Nachfrage an ein Regierungsmitglied die gewünschte Information. So holte sich Brandstötter von Tourismusministerin Elisabeth Köstinger ein Geständnis. Erst beim zweiten Mal war Köstinger bereit, die ÖVP-nahen Agenturen, die hinter einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE Nachhaltigkeit) stehen, zu nennen:

„Ich habe nachgefragt nach Inseratenkosten von 1. März bis 15. April, und in dieser Anfragebeantwortung kam eine unscheinbare Antwort. Damit man ja nicht das Gefühl hat, da passiert irgendwas, wo man nachhaken muss. Dann kam dann diese ARGE Nachhaltigkeit vor. Da habe ich mir gedacht, jetzt frage ich mal nach, wer diese ARGE eigentlich ist. Da kam dann heraus, dass es wieder einmal ÖVP-befreundete Agenturen sind, die hier Gelder bekommen.“ (ZackZack berichtete exklusiv)

Diese mühevolle Kleinarbeit habe jedoch einen Haken. Sie koste sehr viel Zeit, da Regierungsmitglieder zwei Monate Zeit zur Beantwortung haben. Ein Faktor, der auch Brandstötter vor allem aufgrund der Corona-Krise zu Bedenken gibt:

“Natürlich hat die Corona-Krise einen Vorteil für diese Regierung mitgebracht, nämlich Zeit. Alles muss sehr schnell passieren und wer das kritisiert, ist ein potenzieller ‘Gesundheitsgefährder’“.

Währenddessen bespiele man die öffentliche Bühne mit “Behauptung, Behauptung, Behauptung.” Die meisten Medien spielen dann brav mit.

Als Lösung sehen die beiden Oppositionspolitiker, die Zeit für eine Beantwortung zu verkürzen. Stöger, der selbst Minister war, findet dass man einen Beantwortungszeitraum von vier Wochen von den Regierungsmitgliedern verlangen kann: „Das geht sich aus.“

(bf/ot)

Titelbild: APA Picturedesk

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