Soziale Grundrechte gefordert
Österreich feiert am heutigen Donnerstag das 100-jährige Jubiläum des Bundes-Verfassungsgesetzes. Das Parlament hält dazu einen Festakt in der Österreichischen Nationalbibliothek ab. Die Armutskonferenz fordert derweil die Ergänzung um soziale Grundrechte.
Wien, 01. Oktober 2020 | Beim Festakt würdigen heute unter anderem Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) die Verfassung. Das Bundes-Verfassungsgesetz wurde nach dem Zerbrechen der Habsburger-Monarchie am 1. Oktober 1920 von der Konstituierenden Nationalversammlung beschlossen. Österreich wurde damit als demokratische parlamentarische Republik mit bundesstaatlicher Organisationsform eingerichtet.
Armutskonferenz fordert Verankerung sozialer Grundrechte
Das 100–Jahr-Jubiläum sollte zum Anlass genommen werden, die Verfassung zu vervollständigen, befand die Armutskonferenz – und legte einen Entwurf für ein “Bundesverfassungsgesetz soziale Sicherheit” vor. Es gelte, ein “menschenwürdiges Dasein” für alle Menschen zu garantieren, über Rechte auf Gesundheitsversorgung, Bildung und Mindestversorgung, hieß es in einer Aussendung.
“Architekt” der Bundesverfassung war Hans Kelsen, einer der bedeutendsten Juristen des 20. Jahrhunderts. Nach der NS-Zeit wieder in Kraft gesetzt, bildet das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) bis heute das Fundament des heimischen Staatswesens.
Krisen, die die Verfassung unter eine harte Probe stellten
Zusammen mit der Verfassung wurde der Verfassungsgerichtshof etabliert. Dieser hat wegen der Corona-Pandemie seinen großen Festakt verschoben. Der Verfassungsgerichtshof-Präsident Christoph Grabenwarter nannte anlässlich des Jubiläums die Verfassung einen “guten Rahmen, um unser Gemeinwesen durch Krisen zu bringen”. Seine wohl größten Bewährungsproben bestand das B-VG bei der durch das Ibiza-Video ausgelösten Regierungskrise im Vorjahr. Damals attestierte Van der Bellen der Verfassung “Eleganz und Schönheit”.
„Verfassung ist Herz und Grundfeste unserer Demokratie“
Anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums der Bundesverfassung betont SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner die große Bedeutung dieses juristischen Regelwerks. Die große Bedeutung der Verfassung habe Österreich nicht nur anhand der Ibiza-Affäre gesehen, sondern ganz aktuell auch im Zusammenhang mit der Corona-Krise, betont Rendi-Wagner:
“Die Menschen müssen sich gerade in Krisenzeiten darauf verlassen können, dass die Regierung sorgsam mit Grund- und Freiheitsrechten umgeht und sich nicht über die Verfassung und die Rechte der BürgerInnen hinwegsetzt.”
Krisenzeiten, wie aktuell die Coronakrise, machen deutlich, wie schnell Gesetze und Verordnungen erlassen werden können, die massiv in die Grundrechte eingreifen. Ein Grundrechtekatalog ist in der Bundesverfassung aber nicht enthalten. Diesen wünsche sich die NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Raisinger:
„Ich bin davon überzeugt: Ein in der Verfassung verankerter Grundrechtekatalog würde zu mehr Wissen und damit mehr Sensibilität in der Bevölkerung bei Grundrechtseingriffen sorge.”
Anlässlich des 100-jährigen Bestehens der österreichischen Bundesverfassung widmet sich die frei zugängliche Ausstellung des Parlaments am Wiener Heldenplatz diesem Meilenstein der Republik.
(apa/jz)
Titelbild: APA Picturedesk