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Wann tritt Nehammer zurück? – Kommentar

Kommentar

Drei Tage nach dem Anschlag von Wien ist die Frage nach der politischen Verantwortung überfällig. Innenminister Karl Nehammer versucht, sie abzugeben. Das geht nicht an. Nehammer muss schon aus Respekt vor den Opfern eher früher als später das Richtige tun. Von Thomas Walach

 

Wien, 05. November 2020 | Am Mittwoch gab Innenminister Karl Nehammer zu, dass in der Terrorabwehr Fehler gemacht wurden. Es waren himmelschreiende Fehler. Ganz offen gesagt: Die vier Todesopfer von Montagnacht könnten noch leben, wenn die Behörden ihre Arbeit gemacht hätten.

Alles gewusst, nichts unternommen

Ein wegen Terrorismus vorbestrafter Islamist versucht, Munition für ein Sturmgewehr zu kaufen. Die slowakischen Behörden warnen Österreich. Unsere Terrorabwehr antwortet: Ja, den kennen wir, das ist ein amtsbekannter Terrorist. Und was unternehmen Österreichs Verfassungsschützer? Nichts (Wirksames). Die Staatsanwaltschaft erfährt nichts von dem Vorfall, der Mann wird nicht befragt, offenbar auch nicht observiert. Unbehelligt von den Behörden ist es ihm gelungen, sich Waffen und Munition in Mengen zu verschaffen.

Der Mann verkehrte in einer einschlägig bekannten Moschee, in der auch andere gewaltbereite Islamisten ein- und ausgingen. Als er aus der Haft in ein Deradikalisierungsprogramm entlassen wurde, informierte die Justiz die Verfassungsschützer. Die Behörden wussten, wer der Attentäter war, wo er sich befand, und auch, wozu er fähig und entschlossen war.

Mit dem Amt kommt die Verantwortung

Karl Nehammer war Innenminister, als die slowakischen Behörden vor dem Attentäter warnten. Ihm untersteht das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung BVT. Mit dem Amt kommt die Verantwortung. Eigentlich ist klar: Wenn Fehler gemacht werden, die Menschenleben kosten, muss der politisch Letztverantwortliche das schultern.

Doch Nehammer will diese Last nicht tragen. Erst schob er die Schuld in Richtung Justiz und damit seiner Ministerkollegin Alma Zadic. Warum diese Nehammer öffentlich vertreidigt, bleibt ihr Geheimnis. Dann versuchte Nehammer, durch Fehlinformationen das Deradikalisierungsprogramm verantwortlich zu machen. Als auch das scheiterte, schoss er sich auf seinen Vorvorvorgänger Herbert Kickl ein. Der war im Kabinett Kurz I Innenminister gewesen. Seine Razzia im BVT, die sich insbesondere gegen das Referat für Extremismus richtete, hat ganz gewiss Schaden angerichtet. Die ÖVP, immerhin Kanzlerpartei, hatte dagegen nichts unternommen. Wie der “Standard” am Mittwoch in Erinnerung rief, verteidigte Karl Nehammer 2018 Kickls Vorgehen öffentlich. Zu den Folgen der Razzia gehört, dass der Informationsaustausch zwischen BVT und europäischen Partnerdiensten litt. Doch in diesem Fall funktionierte der Austausch, Österreichs Behörden waren über die Gefahr informiert. Ihre Untätigkeit hat nicht Kickl zu verantworten, denn der war längst nicht mehr im Amt.

Die Frage ist nicht ob, sondern wann

Dass Minister Nehammer unter diesen Umständen zurücktreten muss, ist klar – ein deutscher Amtskollege hätte es wohl längst getan. Die Frage ist also nicht ob, sondern wann. Die Antwort: Sobald wie möglich. Dass ausgerechnet der scheidende Minister noch rasch eine Kommission zur Untersuchung seiner eigenen Mitverantwortung einsetzt, ist undenkbar.

Titelbild: APA Picturedesk

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