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Millionenschaden durch Massentests – War Vergabe von Antigentests geschoben?

Millionenschaden durch Massentests

Gleich nach dem Ministerrat am 25. November hatte der Kanzler eine wichtige Neuigkeit: „Die benötigten Millionen Antigen-Tests werden von den Firmen Roche und Siemens in Tranchen geliefert.“ Eines sagte der Kanzler nicht dazu: Ohne die vorgeschriebene Ausschreibung wurde der Auftrag hinter dem Rücken des Gesundheitsministers den zwei größten Firmen zugeschanzt. Roche und Siemens. Jetzt weist ZackZack nach: Die Preise waren zu hoch. Der Verdacht lautet: Die gesetzwidrige Direktvergabe hat Österreich um mehr als 20 Millionen geschädigt.

 

Wien, 11. Dezember 2020 | Am 15. November überraschte Bundeskanzler Kurz seinen Gesundheitsminister. Obwohl sich Anschobers Beamte intern bereits klar gegen COVID-Massentests ausgesprochen hatten, gab Kurz in der ORF-Pressestunde den Startschuss: Österreich muss in den Massentest.

Kurz darauf erhielt das Verteidigungsministerium seinen Marschbefehl: zehn Millionen Antigen-Tests bestellen und mit Tausenden Soldaten damit die Massentests durchführen. 21 Anbieter standen über einen Rahmenvertrag der Bundesbeschaffungs GmbH BBG abrufbereit. Aber auch die BBG hatte einen Auftrag – und machte dem Kommando Streitkräfte klar, dass neun von zehn Millionen Tests von den zwei Großen zu kaufen seien: von Roche und Siemens.

Schon am Morgen des 17. November war Roche startklar und machte dem Kommando Streitkräfte ein Angebot. Ein Test von Roche kostet das BMLV 7,805 Euro. Damit war Roche um 25 Prozent teurer als Siemens und um 60 Prozent teurer als IFMS Med, die am Rande des Großauftrags mit der Lieferung von einer Million Tests beauftragt wurden. Qualitätsunterschiede spielten bei der Bestellung keine Rolle, weil die BBG glaubhaft beteuert, dass sie außerstande ist, darüber zu urteilen. Alle zugelassenen 21 Anbieter sind auf der Liste des Rahmenvertrags der BBG gleich – nur ihre Preise nicht.

Eines weiß in der BBG jeder: Wenn man statt einer Packung mit 25 Tests gleich vier Millionen Stück kauft, gibt es einen hohen Mengenrabatt. Aber nach dem Kanzlerbefehl war auch diese Beschaffungsregel außer Kraft.

Hausarztpreis für das Militär

Die BBG diktierte dem Verteidigungsministerium für die Bestellung von vier Millionen Tests bei Roche einen Stückpreis von 7,805 Euro. Wenn eine Hausärztin denselben Test bestellt, verrechnet ihr Roche für eine 25 Stück-Packung einen Stückpreis von „6,50 € exkl. MWSt.“. Mit Mehrwertsteuer kostet ein Roche-Test den Hausarzt damit 7,80 Euro. Der Roche-Mengenrabatt für das Verteidigungsministerium beträgt damit genau Null.

Mail von Roche: der Hausarztpreis. Faksimile.

Karin Grabner, die Vertreterin des deutschen Anbieters concile, bestätigt, dass es bei Millionenbestellungen auch Millionenrabatte gibt. Die in Freiburg ansässige GmbH entwickelt, produziert und vertreibt Schnelltests für die Diagnostik von Infektionen, aber auch anderen Erkrankungen.

Concile bietet Ärzten 100 Tests zu einem Stückpreis von 5,79 Euro an. 500.000 Tests sind mit einem Stückpreis von 5,60 Euro bereits deutlich billiger. Für eine Million Tests sinkt der Preis auf 5,40 und für fünf Millionen auf 5,20 Euro. Der Millionen-Rabatt beträgt also zehn Prozent vom Einzelpreis. Es gibt keinen Grund, auf diesen Rabatt zu verzichten.

Bei einem Beschaffungsvolumen von 67 Millionen Euro ist durch Arztpreis-Bestellungen und den Verzicht auf Rabatte mit einem Schaden von 6,7 Millionen Euro zu rechnen.

Befehl aus Blümels BBG

Am 20. November bestellte das Militär auftragsgemäß bei Roche: vier Millionen Stück um 31,2 Millionen Euro. Hätte die BBG eine Bestellung auch dieser vier Millionen bei IFMS, dem billigsten der von der BBG gewählten Lieferanten, an Stelle des Preisführers Roche zugelassen, wären allein diese Tests um 11,78 Millionen Euro billiger gewesen. Bei einer Bestellung der gesamten zehn Millionen Tests nur bei IFMS hätte sich die Republik 18,4 Millionen gespart. Aber Geld spielte bei den Kurz-Massentests keine Rolle.

Die Millionen-Rechnung.

Wer hat entschieden, dass die günstigen Anbieter ignoriert werden, und mit Roche und Siemens zwei der teuersten Anbieter das Millionengeschäft machen? Und wer hat entschieden, dass die Republik Österreich wie ein Hausarzt einkauft – und auf die üblichen Rabatte für Millionenbestellungen verzichtet?

Der wirtschaftlich unsinnige Befehl kam aus der BBG. Ihr Eigentümer und Chef ist Gernot Blümel, der Finanzminister. Sein Chef ist Sebastian Kurz. Und der traf am 19. September 2020 vor dem Beginn der Roche-Aktion der BBG Severin Schwan, den CEO von Roche, in Basel. Das Thema war klar: COVID-19 und die Produkte, die die Pharma-Industrie dazu anzubieten hatte. Wenige Wochen später kam der Befehl des Bundeskanzlers.

Kurz und Schwan (CEO von Roche) in Basel. Bild: APA Picturedesk.

Liefersicherheit vorgetäuscht

Ein letztes Argument bleibt der BBG: die Liefersicherheit. Nur die Großen hätten sichere Lieferungen garantieren können. Aber auch das ist falsch.

Am 18. November mailt Jürgen U., der Chef der Abteilung für Operative Beschaffung & Kundenmanagement in der BBG, dem Verteidigungsministerium:

„Lieferplan: trotz der bekannten Anstrengungen wird seitens Siemens ein Lieferplan vor einer Bestellung nicht zugesagt. Avisiert wurden 1.000.000 Stück im Nov20 und 2.500.000 Stück im Dez20. Aus diesem Grund schlagen wir eine Beauftragung unter der Bedingung vor, dass 1.000.000 Stück bis 4.12.2020 und 2.500.000 Stück bis 11.12.2020 geliefert werden können.“

Gesetzwidrig ohne Ausschreibung

Aber wie konnte die BBG um Millionen zu teuer einkaufen lassen? Die Antwort darauf ist einfach: Es wurde nicht ausgeschrieben. BBG und BMLV begründen das mit „Zeitdruck“. Aber das stimmt nicht. In einer Anfragebeantwortung stellt der Gesundheitsminister fest, dass seine AGES drei Millionen Antigen-Tests über die BBG mittels Ausschreibung bestellt hatte.

Screenshot Anfragebeantwortung.

Aber bei den Kurz-Massentests lief nichts über Anschober, sondern alles über türkise Regierungsmitglieder: den Finanzminister und die Verteidigungsministerin. Mitten im Testflop ist jetzt mit einem Schaden weit über zwanzig Millionen Euro zu rechnen.

Jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht Wien gegen die „Direktvergabe ohne Bekanntmachung“ der BBG am 1. Dezember ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet. Vonseiten der BBG-Kommunikation war man auf ZackZack-Nachfrage nicht bereit, “zu laufenden Verfahren” Stellung zu nehmen – obwohl die Fragen an die BBG nichts mit dem Verfahren zu tun haben. Die Geschäftsführung verweigert jede Stellungnahme.

Damit beginnt eine neue Testserie. Diesmal ist die Zahl der Getesteten übersichtlich: Kommando Streitkräftebasis, Bundesbeschaffungsgesellschaft, Finanzminister und Österreichs oberster Massentester: Sebastian Kurz.

(red)

Titelbild: APA Picturedesk

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