Wien, 22. Dezember 2020 | Seit Wochen gehen die Menschen in Armenien auf die Straße. Am Dienstag kam es zu einer von der Opposition organisierten Kundgebung, an der fast 50.000 Menschen teilnahmen. Sie fordern den Rücktritt von Regierungschef Nikol Paschinjan. Dieser hatte Anfang November einem Waffenstillstandsabkommen mit Aserbaidschan zugestimmt, im Zuge dessen seit den 1990er Jahren von Armenien kontrollierte Gebiete an Aserbaidschan übergeben wurden.
Demonstranten blockierten am Dienstag in der Hauptstadt Jerewan Straßen und umstellten Regierungsgebäude. Menschen kamen aus dem ganzen Land in die Hauptstadt, um sich den Protesten anzuschließen. Mitglieder von 16 Oppositionsparteien nahmen an einer von der Opposition organisierten Kundgebung teil. Ein großes Aufgebot an Sicherheitskräften schützte öffentliche Gebäude. Es gab Berichte über Zusammenstöße mit der Polizei.
Konflikt Berg-Karabach: Waffenstillstandsabkommen
Am 9. November unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs von Armenien, Russland und Aserbaidschan ein Waffenstillstandsabkommen, um den militärischen Konflikt in Berg-Karabach zu beenden und eine russische Friedenstruppe in der Region einzusetzen. Die Bedingungen des Friedensabkommens gelten als Auslöser für die Proteste in Armenien – die Opposition fordert den Rücktritt von Premierminister Pashinjan.
Die Demonstranten machen Paschinjan für die Niederlage gegen Aserbaidschan und die Wirtschaftskrise im Land verantwortlich. „Ich fordere die Armee auf, sich sofort unserem Volk anzuschließen. Jede Stunde ist wichtig“, sagte der frühere Premierminister Wasgen Manukjan, den die Opposition als Nachfolger für Paschinjan aufgestellt hat. Der Regierungschef hatte wiederholt einen Rücktritt ausgeschlossen.
Opposition protest calling for PM Nikol Pashinyan's resignation at Republic Square. pic.twitter.com/o7HP2uCj5b
— 301🇦🇲 (@301arm) December 22, 2020
Fakultäten der staatlichen Universität schließen sich an
Seit Montag sollen sich 700 Anwälte den Streiks angeschlossen haben, zahlreiche Fakultäten der staatlichen Universität in Jerwan bekundeten ihre Teilnahme am „Tag des nationalen Ungehorsams“. Die Straße von Jerewan nach Vanadzor ist blockiert. In Vanadzor, der drittgrößten Stadt Armeniens, streiken Tankstellen.
Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan: Seit September fast 5.000 Tote
Im jüngsten Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan gab es zwischen 27. September und 9. November insgesamt mehr als 4.600 Tote. Das islamisch geprägte Aserbaidschan holte sich weite Teile des Anfang der 1990er verlorenen Gebiets zurück. Fast 2.000 russische Friedenssoldaten überwachen seit Mitte Oktober eine Waffenruhe.
(apa/lb)
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