Sollen Marsalek zur Flucht verholfen haben
Ex-FPÖ-Abgeordneter Thomas Schellenbacher und der karenzierte Spionagechef des BVT, W., sind verhaftet. Sie sollen Wirecard-Chef Jan Marsalek zur Flucht verholfen haben. Nach Marsalek läuft eine weltweite Fahndung wegen des Milliardenbetrugs beim deutschen Zahlungsdienstleiter Wirecard. Weitere BVT-Beamte sollen als Privatspione für Marsalek gearbeitet haben.
Peter Pilz und Thomas WalachWien, 23. Jänner 2021 | Am Mittwoch klickten für Ex-FPÖ-Nationalratsabgeordneten Thomas Schellenbacher in Niederösterreich die Handschellen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Jan Marsalek zur Flucht verholfen zu haben. Schellenbacher legte ein Geständnis ab.
BVT-Beamte als Privatspione für Marsalek tätig
Freitagabend kam es zu einer weiteren Verhaftung. Der karenzierte Spionagechef des BVT, W., wurde festgenommen. Am Vormittag hatte die Richterin am Wiener Landesgericht den Haftbefehl unterschrieben. W. wurde im Eingangsbereich einer Klinik im niederösterreichischen Senftenberg verhaftet.
Gleichzeitig genehmigte sie die Durchsuchung des niederösterreichischen Hauses und des Wiener Hotelzimmers des BVT-Manns. Er und weitere Mitarbeiter des BVT waren laut Staatsanwältin auf eigene Rechnung für Wirecard tätig, um “die Zahlungsfähigkeit von Anbietern pornografischer Internetseiten zu überprüfen”, wie es im Haftbefehl der Wiener Staatsanwaltschaft heißt. Als Auftraggeber für die beiden Verhafteten gilt Jan Marsalek, der flüchtige Chef von Wirecard.Gegen die Beamten wird unter anderem wegen Missbrauch der Amtsgewalt und Bestechlichkeit ermittelt.
Schellenbacher und Marsalek als Fluchthelfer
W. und Schellenbacher haben laut Ermittlern außerdem Marsalek zur Flucht nach Weißrussland verholfen.Jan Marsalek wurde seit Anfang Juni 2020 von der Staatsanwaltschaft München wegen Milliardenbetrugs gesucht. Am 19. Juni gelang ihm die Flucht aus Österreich nach Minsk mittels Privatjet. Schellenbacher, W. und den beiden Piloten des Flugzeugs wird vorgeworfen, Marsaleks Flucht bewerkstelligt zu haben.
“Mir ist der Arsch auf Grund gegangen”
W. traf Marsalek am Tag vor seiner Flucht in einem Münchner Lokal. Über Vermittlung von Thomas Schellenbacher trieb W. das Flugzeug, eine Cessna Citation Mustang 510, auf, mit der Marsalek tags darauf von Bad Vöslau nach Minsk entwischte. Schellenbacher bestätigt das in seinem ersten Geständnis: „Wir haben natürlich mitbekommen, dass es bei Wirecard stinkt… W. hat mich beauftragt, einen Flug für Marsalek nach Minsk zu organisieren. Ich habe das gemacht, hatte aber schon meine Bedenken. Mir ist der Arsch schon auf Grund gegangen wie man sagt, da ich mir gedacht habe, es stimmt da etwas nicht.“Die Staatsanwaltschaft Wien geht davon aus, dass es sich bei W. um jene “Quelle des Jan Marsalek im BVT” handelt, die durch Textnachrichten von Ex-FPÖ-Politiker Johann Gudenus bekannt wurde.
Verbindungen zur ÖVP
Der in Wien geborene Marsalek war Finanzvorstand des Zahlungsdienstleisters Wirecard gewesen. Wirecard steht im Zentrum der größten Betrugsaffäre eines DAX-Unternehmens in der Geschichte. Anleger wurden um mindestens 1,9 Milliarden Euro geschädigt. Als Haupttäter gilt neben dem flüchtigen Marsalek Wirecard-CEO Markus Braun. Braun war bis zum Platzen des Wirecard-Skandals enger Berater von Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz gewesen.Jan Marsalek war mit ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka bekannt. Dieser konnte sich bei seiner Befragung im Ibiza-Untersuchungsausschuss nicht an ein Treffen mit Marsalek erinnern. ZackZack veröffentlichte daraufhin ein Foto, dass die beiden beim gemeinsamen Abendessen in Moskau zeigt.
Der Mandatskauf
Thomas Schellenbacher spielt die Hauptrolle in jenem Deal, aus dem Heinz-Christian Strache mutmaßlich große Bargeldmengen erhielt. Eine Gruppe ukrainischer Geschäftsleute soll laut Zeugen eine Millionensumme bezahlt haben, um ihrem niederösterreichischen Geschäftspartner Thomas Schellenbacher ein Nationalratsmandat zu verschaffen. ZackZack recherchierte intensiv zu der Causa.Zur Erinnerung: FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch und andere Zeugen mutmaßten 2019, dass Straches Bargeldvorräte, die als “Sporttaschen- und Rucksackgeld” bekannt wurden, aus der Mandatskaufaffäre stammten. Das fand die Staatsanwaltschaft Wien unter anderem durch eine Telefonüberwachung heraus, die ZackZack vorliegt.
Straches Bargeld
Ermittler gehen davon aus, dass der Unternehmer einen Millionenbetrag aus dem FPÖ-Deal erhielt – Geld, das laut Zeugen zunächst bei einem niederösterreichischen Verwandten Schellenbachers zwischengelagert wurde und dann verschwand. Augenzeugen berichten von einem luxuriösen Lebenswandel Schellenbachers auch nach dessen Konkurs bzw. Vergleich mit seinen Schuldnern.Ob die Verhaftung Schellenbachers Einfluss auf diverse Verfahren rund um die Mandatskaufaffäre – und damit die mutmaßlichen Beteiligten Heinz-Christian Strache und Ex-FPÖ-Volksanwalt Peter Fichtenbauer – hat, ist noch offen. Für alle Beteiligten gilt – soweit noch nicht verurteilt – die Unschuldsvermutung.Ab Montag exklusiv bei ZackZack: Details zur Flucht von Marsalek aus Österreich.Titelbild: APA Picturedesk