Pressekonferenz zum Behördenversagen
Aufregung nach der Abschiebung des Ex-MIT-Agenten Ö.: Wer ist für das politische Versagen in der Geheimdienst-Affäre verantwortlich? ZackZack hat die Pressekonferenz von Berivan Aslan (Grüne), ZackZack-Herausgeber Peter Pilz und Andreas Schieder (SPÖ) zusammengefasst.
Wien, 27. Jänner 2021 | Der Polit-Thriller rund um den geständigen türkischstämmigen Ex-Agenten Feyyaz Ö., ZackZack berichtete umfassend (auch mit Erwähnung in der “New York Times”), wird immer brisanter. Eigentlich sollte ein Gerichtsverfahren Aufklärung in den heiklen Fall bringen, dieses kann nun aber nicht ordnungsgemäß stattfinden. Grund: Nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“ haben österreichische Behörden den Ex-Agenten des türkischen Geheimdienstes MIT abgeschoben. Dieser fühlt sich laut eigenen Angaben vom MIT verfolgt und ist mittlerweile wohl untergetaucht.
Ö. hatte österreichischen Behörden gestanden, er hätte im Auftrag vom MIT eine möglicherweise tödliche Attacke auf die Wiener Gemeinderätin Berivan Aslan (Grüne) durchführen sollen. Anschlagsziele seien aber auch Peter Pilz und EU-Politiker Andreas Schieder (SPÖ) gewesen.
In einer gemeinsamen Pressekonferenz von Aslan, Pilz und Schieder wurde auf die skandalösen Fehler österreichischer Behörden hingewiesen.
Rechtsstaat oder Terrorregime?
Einigkeit herrschte über die Bedeutung des Rechtsstaats, der in diesem Fall katastrophal versagt habe. „Warum wurde der Mann vor dem Prozesstermin nach Italien abgeschoben – in einem laufenden Verfahren?“, fragte sich etwa die immer noch unter Polizeischutz stehende Aslan (Ö. ist türkischstämmig, aber hat einen italienischen Pass, Anm). Die Grünen-Politikerin spricht auch von einer „politischen Blockade im Sicherheitsbereich, der in Österreich jahrelang zerstört wurde“ und fragt nach den Vorstellungen des Innenministers:
„Was ist der konkrete Plan unseres Innenministers? Wie wird man Personen, die bedroht sind, beschützen, in Zukunft auch Journalisten und Wissenschaftler?“
Die Abschiebung ins Ausland bewertet Aslan als „Mut- und Teilnahmslosigkeit“ des österreichischen Außenministers, der den diplomatischen Konflikt mit der Türkei allem Anschein nach vermeiden möchte.
Peter Pilz warf die Frage auf, ob wir lieber den Rechtsstaat oder ein „Terrorregime“ wie die Türkei verteidigen wollten? In die Pflicht nahm er neben türkisem Innen- wie Außenministerium auch das grün geführte Justizministerium:
„Die Spitzen des Innenministeriums, Justizministeriums und Außenministeriums agieren als Komplizen des türkischen Regimes.“
Denn, so Pilz, eigentlich müsste ein „Auftragskiller eines fremden Geheimdiensts vor Gericht gestellt werden. Stattdessen lässt man ihn einfach verschwinden. Das ist ein Missachten unseres Rechtsstaats.“ In der plötzlichen Abschiebung des MIT-Auspackers ortet Pilz außerdem eine „Einladung an Regimes wie Erdogan“ und forderte einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Causa.
Andreas Schieder, Leiter der SPÖ-EU-Delegation, sprach die Geheimniskrämerei des BVT und anderer Behörden an. Versuche, etwas Genaueres über den Fall herauszufinden, hätten sich angefühlt „wie eine neue Folge von ‚Kottan ermittelt‘.“ Die schnelle Abschiebung des türkischstämmigen Ex-Agenten hätte auch Schieder „stutzig“ gemacht, denn „damit konnte er sich vor der Klärung wichtiger Fragen entziehen.“ Als Europapolitiker wies Schieder auf die Gefahr außereuropäischer Geheimdienste hin, kam aber gleich wieder auf Österreich zu sprechen: „Wenn es um den türkischen Geheimdienst geht, sind die österreichischen Behörden nachlässig… Das passt auch zum Bild des BVT. Man sieht, dass das eine kaputte Institution ist.“
U-Ausschuss mit Stimmen der Grünen?
Für Pilz, Aslan und Schieder war klar: Diese Causa muss aufgeklärt werden. „Die politische Verantwortung im Innen- und Justizministerium muss so schnell es geht in einem parlamentarischen U-Ausschuss geklärt werden. Dieser Fall ist in Österreich zu klären. Der österreichische Rechtsstaat ist hier auf sich gestellt. Die Grünen haben es in der Hand zu entscheiden, ob hier der österreichische Rechtsstaat oder Erdogan gewinnt”, so Pilz.
Aslan verwies auf eine parlamentarische Anfrage des grünen Nationalratsabgeordneten Georg Bürstmayr und sah das Fehlversagen nicht im Justizministerium: „Es ist nicht richtig, den Fall hinunterzureduzieren auf einen rein juristischen Fall – wir wissen nicht wo es in unserem Rechtsstaat die Schwachstelle gegeben hat.“
Schieder betonte die Dringlichkeit der Aufklärung, sah aber die Verantwortung auch beim Justizministerium: „Man hat schon versucht, die Decke über die Causa zu legen und versucht, dass nicht zu viel Wind um die Sache gemacht wurde. Was ich vermisst hab’, ist ein Aufschrei des Justizministeriums.“
Türkischer Geheimdienst MIT bleibt gefährlich
Ein Thema in der Pressekonferenz waren auch die Netzwerke des türkischen Geheimdiensts in Österreich. Hier hätte die Befragung von Ö. viele wertvolle Erkenntnisse bringen können. Bekannt ist, dass die Kontakte des MIT „zum Großteil aus dem nationalistisch-islamistischen Umfeld“ kommen, führte Aslan aus, und verwies auch auf die ultranationalistischen türkischen „Grauen Wölfe“.
Pilz bedauerte die „politische Fluchthilfe für einen Erdogan-Terroristen“. Hier hätten LVT und BVT wichtige Erkenntnisse über den türkischen Geheimdienst sammeln können. Umso mehr müsse aufgeklärt werden „warum so etwas auf der Ebene der politischen Spitze passiert.“
(dp)
Titelbild: APA Picturedesk