Blümel-Verteidigung von Justiz widerlegt
„Von 40.000 Beschuldigten wird nur ein Prozent für schuldig befunden.“ Mit dieser von der ÖVP gestreuten Aussage reitet die Volkspartei seit einer Woche zur Verteidigung von Gernot Blümel in den Medien aus. Der Haken: Die Statistik ist falsch, wie die Justiz am Dienstag klarstellte.
Wien, 17. Februar 2021 | Freitag, 12. Februar 2021, es ist Tag 1 nach den Medienberichten über die Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Verfassungsministerin und Blümel-Parteikollegin, Karoline Edtstadler, ist im Ö1-Mittagsjournal zu Gast und versucht, den Beschuldigtenstatus des Finanzministers kleinzureden. Dabei spricht Edtstadler eine Statistik an, die die Kommunikationsstrategie der ÖVP in den nächsten Tagen dominieren sollte. Ein Beschuldigten-Status sei nichts Schlimmes, denn „seit Bestehen der WKStA sind rund 40.000 Beschuldigte dort geführt worden, nur in einem Prozent (400 Personen Anm.) der Fälle kam es tatsächlich dazu, dass diese auch als für schuldig befunden wurden.“
Quelle für Edtstadler Aussage ist eine parlamentarische Anfragebeantwortung des Justizministeriums. Diese hat sie jedoch offensichtlich falsch interpretiert, denn die Zahl von 40.000 ergibt sich nur deshalb, weil nicht zwischen Verdächtigen und Beschuldigten unterschieden wurde.
Verdächtig ist man schnell, beschuldigt deutlich schwerer
Ein Faktum, das die ehemalige Richterin und noch immer mit dem “Mascherlposten” einer Oberstaatsanwältin in der WKStA versorgte Edtstadler (derzeit karenziert) eigentlich kennen sollte. Die juristische Unterscheidung zwischen „Verdächtigen“ und „Beschuldigten“ ist simpel und in der Strafprozessordnung geregelt.
„Verdächtiger“: „Jede Person, gegen die auf Grund eines Anfangsverdachts (§ 1 Abs. 3) ermittelt wird.“
Dazu gehört jede Person die namentlich in einer Anzeige genannt wird.
„Beschuldigter“: „Jeder Verdächtige, sobald er auf Grund bestimmter Tatsachen konkret verdächtig ist, eine strafbare Handlung begangen zu haben und zur Aufklärung dieses konkreten Verdachts nach dem 8. oder 9. Hauptstück dieses Bundesgesetzes Beweise aufgenommen oder Ermittlungsmaßnahmen angeordnet oder durchgeführt werden.“
Beschuldigt sein ist deutlich schwieriger. Man ist es erst, wenn die Staatsanwaltschaft die Anzeige oder den Verdacht für so plausibel hält, dass sie Ermittlungen einleitet, wie das Justizministerium am Dienstag in einer Aussendung klarstellte. Für eine Hausdurchsuchung wie bei Blümel braucht es zudem eine richterliche Bewilligung, erst dann darf sie stattfinden.
Edtstadlers Schluss “ist daher falsch”
Weiters heißt es in der Aussendung des Justizministeriums: „Der Schluss, dass lediglich 1 Prozent angeklagt werden, ist daher falsch.“ Und weiter: „Eine „Verurteilungsquote“ stellt kein Erfolgskriterium dar. Der Erfolg ist die umfassende Aufklärung von Sachverhalten – unabhängig vom Ergebnis. Das stellt auch der einleitende Text der Anfragebeantwortung aus dem Dezember 2020 klar, der sich bislang nicht in der Medienberichterstattung niederschlug.“
In Not beginnt die ÖVP mit fake news. Heute @k_edtstadler auf @oe1: von 40.000 durch WKStA Beschuldigten würde nur 1% verurteilt. Aus AB ergibt sich: BMJ unterscheidet nicht zw Beschuldigten und Verdächtigen- die Zahl umfasst also beide. #quiteadifference https://t.co/VZoqBuV2AS pic.twitter.com/gM3nnNLLtl
— Stephanie Krisper 🇪🇺🇺🇦 (@steffi_krisper) February 12, 2021
Für die Lektüre des einleitenden Textes der Zadic-Beantwortung (auf Basis der von ÖVP-Mann Wolfgang Gerstl gestellten Anfrage) hatte Edtstadler sichtlich keine Zeit, denn dort wird bereits klargestellt, dass “Erfolg” nicht mit der Zahl der “Verurteilungen” korreliert.
Screenshot: Parlamentarische Anfragebeantwortung (3673/J)
Blümel und Kurz streuen falsche Edstadler-Statistik weiter
Noch am selben Tag, an dem Edtstadler diese Falschinformation im Ö1-Mittagsjorunal verbreitete, war auch Gernot Blümel in der ZIB 2 zu Gast. Er wiederholte Edstadlers Aussage, jedoch habe er diese Statistik „aus den Medien entnommen“ – auf einen Verweis, dass allerdings nur Edstadler diese Aussage getätigt hatte, wartete man vergebens. Bundeskanzler Sebastian Kurz fand danach jedoch auch Gefallen an der Statistik und verbreitete sie ebenfalls bei einer Pressekonferenz. Neben der Ein-Prozent-Aussage wurde übrigens auch die „Martina Kurz“-Verwechslung als falsche Behauptung identifiziert (ZackZack berichtete).
(bf)
Titelbild: APA Picturedesk