Samstag, Juli 27, 2024

Zu gut integriert – Lehrling wird abgeschoben

Zu gut integriert

Das böse Schauspiel mit Abschiebungen droht sich zu wiederholen: Im Tiroler Zillertal soll ein gut integrierter Lehrling aus Afghanistan abgeschoben werden. Sein Arbeitgeber ist fassungslos.

Mayrhofen im Zillertal/Wien, 10. März 2021 | Wie die ZIB2 berichtete, könnte ein Lehrling bald aus einem Hotelbetrieb im Zillertal herausgerissen und nach Afghanistan abgeschoben werden. Der 2015 nach Österreich gekommene Abdullah H. gilt als gut integriert. Sein Vorgesetzter Wilhelm Pfister kann die drohende Abschiebung nicht nachvollziehen:

„Abdullah ist in der Lehre, er ist gefestigt, hat einen Freundeskreis. Als er kam, konnte er kaum lesen und schreiben. Jetzt hat er die zweite Klasse Berufsschule mit Erfolg abgeschlossen. Er ist einer der Fleißigsten überhaupt, ich kann nicht verstehen, wie man so einen jungen Menschen aus der Lehre reißen kann,“

sagt der Hotelier dem ORF.

Gute Integration als Abschiebungsgrund

Das zuständige Bundesverwaltungsgericht dürfte an der Integration des Hotelfachlehrlings allerdings überhaupt keine Zweifel haben. Im Gegenteil. Vom Richter wird die gute Integration sogar als Grund für seine Abschiebung herangezogen:

„Da es auch zuzumuten, mit seiner neu gewonnen Lebens- sowie Arbeitserfahrung auch in Afghanistan … zumutbar leben zu können,“

zitiert die ZIB2 aus dem Urteil.

Demnach ist die Bewältigung des Alltags in Österreich mit dem in Afghanistan vergleichbar. Wer es hier geschafft hat, schafft es auch dort, so die irritierende Argumentation des Richters.

Polit-Reaktionen gehen auseinander

Alexander Pollak von SOS-Mitmensch stößt die geplante Rückführung sauer auf: „Abdullah H. hat sich in den sechs Jahren, in denen er hier ist, ein neues Leben aufgebaut. Er kam als Minderjähriger und ist inzwischen hier zu Hause, hat hier seine Freunde, steht kurz vor Abschluss seiner Lehre, mit sehr guten Chancen, Arbeit zu finden. Ihn jetzt außer Landes zu schaffen und in eines der gefährlichsten Länder unserer Erde zu verfrachten, ist menschenfeindlich und dumm. Er soll ohne weitere Abschiebeangst hier leben können.“

Nurten Yilmaz, Integrationssprecherin der SPÖ, hält nichts von der Abschiebung gut integrierter Lehrlinge: „Es ist nicht nur menschlich falsch, den jungen Afghanen aus seiner Gemeinde, seinem Betrieb und seinem Umfeld in Tirol rauszureißen. Es ist auch volkswirtschaftlich hirnrissig. Wir brauchen ausgebildete Personen, gerade im Tourismus und gerade in Tirol. Nicht nur der Betrieb, auch wir als Staat haben in die Ausbildung des jungen Mannes investiert. Er hat hier eine Perspektive, strengt sich an und will sich einbringen und arbeiten. Und diese Jugendlichen wollen wir in ein unsicheres, gefährliches Land rückführen? Das ist ökonomisch und menschlich falsch“, so Yilmaz gegenüber ZackZack. Die SPÖ sei nicht generell gegen Abschiebungen; wenn kein Fluchtgrund vorliege, seien Rückführungen durchaus akzeptabel. Wer sich aber gut eingelebt habe und seinen Beitrag am Arbeitsmarkt leiste, solle bleiben dürfen.

Abwartend gaben sich die Grünen: „Im März wurde in diesem Fall ein humanitäres Bleiberecht beantragt und dieses Verfahren gilt es abzuwarten,“ heißt es aus dem grünen Parlamentsklub gegenüber ZackZack. FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer sieht die Sache traditionell anders: „Wenn es keinen Rechtsgrund mehr gibt, dann soll die Außerlandesbringung auch durchgeführt werden. Die Integrationsleistung ist als solche kein Bestandteil des Asylverfahrens. Wenn die Schutzbedürftigkeit nicht mehr gegeben ist, kann es auch kein Aufenthaltsrecht mehr geben.“

Heißes Eisen für die Koalition

Der Zankapfel Asyl und Bleiberecht ist für die türkis-grüne Regierung ein giftiger. Bereits im Jänner gerieten Grüne und ÖVP nach der Abschiebung von hier geborenen Kindern nach Georgien aneinander. Nehammer blieb hart und setzte die Abschiebung mit einem rigorosen Polizeiaufgebot trotz grüner Proteste um. Jetzt könnte es wieder soweit sein.

(dp)

Titelbild: Hotel Neue Post Mayrhofen

Autor

  • DanielPilz

    Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.

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