Montag, Juli 22, 2024

Pilz-Prozess Tag 1: “Die Staatsanwaltschaft hat nie konsequent ermittelt”

Seit heute steht ZackZack-Herausgeber Peter Pilz wegen Vorwürfen vor Gericht, die kurioserweise teils 24 Jahre zurückliegen. Die Staatsanwaltschaft sei laut Pilz “vom Innenministerium auf eine falsche Spur geführt worden.” Wegen neuer, von Pilz vorgelegter Beweise wurde die Verhandlung vertagt.

Der Medienandrang vor dem Verhandlungssaal 25 am Wiener Straflandesgericht war groß: Dass ein ehemaliger Abgeordneter wegen Vergehen angeklagt wird, die teils 24 Jahre zurückliegen, dürfte ein Novum in der Zweiten Republik sein. Peter Pilz machte vor Prozessbeginn gegenüber Journalisten seinen Standpunkt klar: “Die Staatsanwaltschaft wurde vom Innenministerium auf eine falsche Spur geführt. Wir werden entsprechende Beweisanträge stellen.”

Zur Erinnerung: Der ZackZack-Herausgeber steht seit heute vor Gericht, weil ihm die Staatsanwaltschaft Wien einerseits “verbotene Veröffentlichung” von brisanten Unterlagen sowie “üble Nachrede” gegenüber dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vorwirft. Die Vorhalte sind eine Reise in die Vergangenheit von Pilz’ Tätigkeit als Parlamentarier: Sie führen ins Jahr 2018, 2010 und sogar bis zurück ins Jahr 2000. Peter Pilz bekennt sich zu keinem der Vorwürfe schuldig – er würde heute “mit gutem Gewissen” wieder so handeln.

Peter Pilz vor Prozessbeginn am Landesgericht Wien

Vorwurf 1 und 2: “Ich war nie Beamter”

Nachdem der Angeklagte vor dem Richter Platz nahm, gab es bei der Angabe der Personalien – Pilz war dem Gericht interessanterweise als “Angestellter” kundgetan worden – eine erste Unstimmigkeit. “Ich war mein Leben lang nie Angestellter und auch nie Beamter, sondern jahrelang Abgeordneter und bin jetzt Herausgeber bzw. Pensionist”, merkte Pilz an.

Die Klarstellung ist nicht unwesentlich: Pilz wird vorgeworfen im Jahr 2000 und 2010 nach dem Beamtendienstrecht “verbotene Veröffentlichungen” begangen zu haben. Laut Pilz’ Anwalt Johannes Zink gelte das Beamtendienstrecht für ihn als ehemaligen Abgeordneten nicht – genauso wenig wie etwa für Journalisten. Im Jahr 2000 präsentierte Pilz gegenüber Journalisten Erkenntnisse aus disziplinarrechtlichen Verfahren zur sogenannten “Spitzel-Affäre” rund um illegale Abfragen von FPÖ-nahen Polizisten. 2010 veröffentlichte Pilz ebenfalls brisante Ergebnisse aus einem Disziplinarverfahren im Fall Kampusch.

Verfassungsjurist Heinz Mayer sieht in den Vorwürfen der verbotenen Veröffentlichung einen “Rechtsirrtum”, wie er in einer Stellungnahme zum Strafantrag feststelle. Und selbst der Richter pflichtete in diesem Punkt in der Verhandlung bereits bei. “Es ist unstrittig, dass Sie nie Beamter waren.”

Vorwurf 3: “Die Staatsanwaltschaft hat nie konsequent ermittelt”

Besonders interessant wird es beim dritten Sachverhalt, bei dem Peter Pilz “üble Nachrede” gegenüber dem BFA vorgeworfen wird. Ahmad N., ein Flüchtling aus Afghanistan, sah sich 2018 mit einer Abschiebung konfrontiert. Ihm drohte als Angehöriger eines radikal-islamistischen, tadschikischen Familienclans laut Pilz-Informationen Lebensgefahr. Sein ebenfalls in Österreich lebender Bruder war zuvor zum Christentum konvertiert, die Konversion zum “Ungläubigen” würde sich auch auf Ahmad N. lebensbedrohlich auswirken, war der Anwalt von N. sich sicher. Pilz ward dem BFA deshalb “amtlichen Mordversuch” vor.

Das BFA weiß, dass der markige Sager rechtlich keine Konsequenzen haben kann, versuchte die Kritik aber über ein Detail zu kriminalisierten: Pilz betonte 2018 nämlich auch, dass N.s Abschiebe-Bescheid bzw. die Ablehnung des Asyls aufgrund von fehlerhaftem Vorgehen der Beamten passiert sei. Erst in dieser Woche konnte Pilz dazu neue Beweise sammeln: Das BFA habe nur Angaben aus 2016 herangezogen, nicht aus 2018 – jenem Zeitpunkt, an dem N. einen neuen Antrag auf “humanitäres Bleiberecht” stellte. Von diesen zweiten Asylverfahren findet sich in den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nichts. “Die Staatsanwaltschaft hat nie konsequent ermittelt, jetzt habe ich das selbst in die Hand genommen.”

Verteidiger Johannes Zink beantragte schließlich die neuen Beweise – nämlich den zweiten Akt aus 2018 und Zeugenladungen von Ahmad N. sowie der Flüchtlingshelferin Doro Blancke, die N. durch sein gesamtes Verfahren begleitet hatte. Der Richter kam dem Ansinnen nach und vertagte die Verhandlung.

Dieses Dokument aus 2018 erhielt Pilz erst heute früh und legte es dem Gericht vor.

So geht es weiter

Fortgestzt wird der Prozess an einem vorerst unbestimmten Tag, die Beweise müssen herbeigeschafft- und die zwei Zeugen geladen werden. Der ZackZack-Herausgeber äußert sich zum bisherigen Prozessverlauf sehr zufrieden: “Ich mag solche Gerichtsverfahren mit einem souveränen, ruhigen Richter, der einfach die Wahrheit herausfinden will. Dabei werden wir ihn unterstützen.”


Titelbild: EVA MANHART / APA / picturedesk.com

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