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Karas “Lone Wolf” in der ÖVP – Lieferkettengesetz: Türkise stimmen für Kinderarbeit, gegen Menschenrechte

Lieferkettengesetz: Türkise stimmen für Kinderarbeit, gegen Menschenrechte

Menschenrechte, Umweltstandards und gute Führung sollten eigentlich eine Selbstverständlichkeit in Lieferketten sein. Das EU-Parlament stimmte am Mittwoch mit großer Mehrheit dafür. Dagegen: Sechs der sieben ÖVP-Abgeordneten. Einziger Befürworter von der ÖVP ist wieder einmal Othmar Karas.

Wien, 11. März 2021 | Lieferkettengesetz – oftmals wissen europäische Unternehmen nicht, ob ihre Produkte in anderen Ländern unter menschrechtseinhaltenden Bedingungen hergestellt werden. Wenn Sie beispielsweise ein T-Shirt in Österreich eines großen Unternehmens kaufen, kann es sein, dass das Unternehmen gar nicht weiß – oder es nicht zugibt -, ob für dieses Kinderarbeit eingesetzt wurde, die Menschenrechte bei der Produktion eingehalten wurden, oder Umweltstandards befolgt wurden. Die Unternehmen können bis jetzt nicht wirklich in die Pflicht genommen werden.

Kinderarbeit und “moderne Sklaverei”

Das soll sich mit dem Lieferkettengesetz ändern. Das EU-Parlament fordert nun auf europäischer Ebene ein Einfuhrverbot für Produkte, die etwa mit Zwangsarbeit oder Kinderarbeit in Verbindung stehen.

In Deutschland hat man sich auf ein solches bereits geeinigt, in Frankreich existiert es bereits seit 2017. Das EU-Parlament will nun nachziehen und forderte am Mittwoch in einem angenommenen Bericht ein entsprechendes Gesetz umzusetzen. Besonders treffen soll dies die großen Unternehmen, Börsennotierte und “kleine und mittlere Unternehmen mit hohem Risiko”.

Schwarzer Karas gegen Türkise

Der Bericht wurde mit breiter Mehrheit angenommen, die EU-Kommission muss sich nun mit einem Gesetzesvorschlag befassen. Bei der Abstimmung im Europaparlament war das Abstimmungsverhalten der 19 österreichischen EU-Abgeordneten auffallend. Von den 19 Abgeordneten stimmten nur sechs dagegen: Alle von der ÖVP. Einziger ÖVPler der für die Einhaltung der Menschenrechte, gegen Kinderarbeit und für bessere Umweltstandards stimmte war wieder einmal der Vizepräsident des EU-Parlaments Othmar Karas.

Die „Bürger*innen-Initiative für ein Liefergesetz“ ist zwar erfreut über das Abstimmungsergebnis, kritisiert in einer Aussendung am Donnerstag aber die ÖVP:

“Es ist aber ein Armutszeugnis für die Delegation der Volkspartei, dass sie sich hier nicht gegen Kinderarbeit und moderne Sklaverei ausspricht. Umso wichtiger ist es, dass die österreichische Bundesregierung klarmacht, dass sie sich bedingungslos zu Menschenrechten & Umweltstandards bekennt, selbst wenn es den Profit multinationaler Konzerne etwas begrenzt.”

Die gegen das Lieferkettengesetz stimmende ÖVP-Abgeordnete Angelika Winzig verteidigt das „Nein“ und nimmt Unternehmen in Schutz: “Nicht zuletzt ist es die Aufgabe von Staaten, für die Kontrolle und die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltvorgaben zu sorgen. Hier hat auch die Europäische Union eine besondere Rolle und sollte bei Partnerländern stärker für die Einhaltung der Regeln werben. Die europäischen und vor allem österreichischen Unternehmen verhalten sich vielfach ohnehin bereits vorbildlich.“

Türkis pro-Orban, Karas dagegen

Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass Karas entgegen der türkisen Abgeordneten stimmt. Anfang März stimmten die ÖVP-Abgeordneten Bernhuber, Mandl, Sagartz, Schmiedtbauer, Thaler und Winzig für einen Verbleib der rechtsnationalen Viktor Orban-Partei Fidesz in der Fraktion der Europäischen Volkspartei. Karas stimmte für einen Ausschluss. Orban kam dem angenommen Ausschluss aber zuvor und trat aus der Fraktion aus.

Er liebäugelt nun mit den deutlich rechteren Fraktionen des EU-Parlaments, auch eine eigene europäische Partei als „Bindeglied“ zwischen der ultrarechten ID-Fraktion und der Volkspartei steht im Raum. Die ehemalige EU-Abgeordnete und nunmehrige Verfassungsministerin Karoline Edtstadler stellte sich nach dem Austritt Orbans demonstrativ auf die Seit des “Diktators” (Zitat: Jean-Claude Juncker): „Ich bin ein Freund der integrativen Politik“, so Edtstadler. „Ich halte einen Ausschluss nicht für den zielführendsten Weg.“

(bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Benedikt Faast

    Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.

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