Samstag, Juli 27, 2024

Unter Verleumdungsverdacht: “ÖVP muss mörderische Angst haben”

Unter Verleumdungsverdacht:

ÖVP-Sicherheitssprecher Karl Mahrer droht juristisches Ungemach. Er warf ehemaligen und aktiven Oppositionspolitikern vor, Teil eines “kriminellen Netzwerks” im BVT zu sein. Die wehren sich – auch mit einer Anzeige wegen Verleumdung.

Wien, 26. März 2021 | “Ein skurriler Auftritt”. Das sagt Ex-FPÖ Nationalratsabgeordneter Hans-Jörg Jenewein über eine eilig einberufene Pressekonferenz, die ÖVP-Sicherheitssprecher Karl Mahrer am Freitag gab. Mahrer warf “der Opposition” vor, ein “kriminelles Netzwerk” im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) benutzt zu haben, “um gegen die Volkspartei und gegen die Sicherheit der Republik Österreich tätig zu werden.” Insbesondere die (ehemaligen) Abgeordneten Helmut Brandstätter, Hans-Jörg Jenewein und Peter Pilz hätten sich “mutmaßlich gegen Bezahlung streng geheime Informationen aus dem BVT beschafft.” Ihre Komplizen seien SPÖ-nahe Beamte gewesen. Mahrer warf den Abgeordneten vor, mit diesen “illegale Deals” eingegangen zu sein und “kriminelle Netzwerke verwischt” zu haben.

Alle drei bezeichnen die Vorwürfe als falsch. “Ich habe in 35 Jahren kein einziges Mal für Informationen bezahlt”, sagt Ex-Abgeordneter und ZackZack-Herausgeber Peter Pilz. Informationen, für die man bezahlen würde, seien “nicht glaubhaft”. Auch Jenewein schließt auf ZackZack-Anfrage Informationskauf aus: “Niemals, das kann ich zu hundert Prozent ausschließen.”

Beweise für seine Anschuldigungen hat Karl Mahrer nicht. In seiner Pressekonferenz sprach Mahrer sehr allgemein von Medienberichten, auf die er seine Erkenntnisse stütze. Tags zuvor war in der “Presse” ein Artikel erschienen, in dem von Informationskauf durch die Abgeordneten die Rede war. Die “Presse” bezog sich dabei auf Mutmaßungen von BVT-Mann Martin W. Er ist derzeit in Haft, weil er dem Wirecard-Manager Jan Marsalek zur Flucht aus Österreich verholfen haben soll. Auf ZackZack-Nachfrage ließ Mahrer durch eine Sprecherin bekräftigen, dass ihm darüber hinaus keine weiteren Informationen vorlägen. Mahrer habe bei seiner Pressekonferenz zu den Vorwürfen “alles gesagt.”

Brandstätter: Türkise Panikreaktion

Ex-“Kurier”-Chefredakteur und NEOS-Abgeordneter Helmut Brandstätter vermutet eine Panikreaktion bei Türkis: “Die ÖVP muss mörderische Angst haben.” Brandstätter sieht in den Vorwürfen einen Versuch, die Aufklärung von Korruptionsskandalen rund um die ÖVP zu behindern. Er ließe sich jedoch davon nicht abhalten. “Wenn die ÖVP jemanden sucht, der sich von ihr einschüchtern lässt, muss sie weitersuchen. Das sollte sie mittlerweile über mich wissen.” Jenewein vermutet ähnliche Hintergründe: Die ÖVP rufe “haltet den Dieb!” Peter Pilz empfindet Mahrers Anschuldigungen als verleumderisch und bereitet eine Sachverhaltsdarstellung gegen den ÖVP-Sicherheitssprecher vor. Dem drohen im Fall einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft. Als einziger Straftatbestand ist Verleumdung von der parlamentarischen Immunität ausgenommen. Jenewein will außerdem zivil- und medienrechtlich gegen Mahrer vorgehen.

Im Ibiza-Untersuchungsausschuss steht die ÖVP im Zusammenhang mit der Wirecard-Affäre – dem größten Betrugsfall der deutschen Geschichte – unter Druck. ÖVP-Großspender Alexander Schütz gehörte zu den Unterstützern und Investoren von Wirecard-CEO Markus Braun. Als die “Financial Times” den Betrugsskandal um den Zahlungsdienstleister aufdeckte, schrieb Schütz an Braun: “Mach diese Zeitung fertig!” Wegen seiner Äußerungen musste Schütz jüngst als Aufsichtsrat der Deutschen Bank zurücktreten. Schütz’ Ehefrau finanziert ihrerseits das ÖVP-nahe Onlinemedium “Exxpress” von Ex-“oe24”-Chef Richard Schmitt. Im Ibiza-Untersuchungsausschuss hatte ÖVP-Nationalsratspräsident Wolfgang Sobotka behauptet, sich nicht an eine Begegnung mit Jan Marsalek erinnern zu können. ZackZack hatte daraufhin ein Foto von Sobotka veröffentlicht, das ihn beim gemeinsamen Abendessen mit Marsalek in Moskau zeigt. Markus Braun selbst war ÖVP-Großspender und enger Berater von Bundeskanzler Sebastian Kurz.

(tw)

Titelbild: APA Picturedesk

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