Beschuldigte und Strafverteidiger wussten, wo man mit dem Chef der Weisungskette der österreichischen Staatsanwälte eine Flasche leeren und ein Verfahren „daschlogn“ konnte. Jetzt ist das vorbei. Ein Etappensieg des Rechtsstaates – aber nicht für alle.
Wien, 06. Juni 2021 | Christian Pilnacek ist gestürzt und hat Wolfgang Brandstetter mitgerissen. Es war höchste Zeit. Beide stehen für ein System, das als organsierte Justiz lange Zeit heikle Strafverfahren beherrscht und den Rechtsstaat beschädigt hat. Die Justizministerin zögert immer noch, das System zu zerschlagen. Wahrscheinlich weiß sie selbst nicht, warum sie noch immer nichts tut.
Pilnacek hielt im Restaurant „Schwarzes Kameel“ in der Wiener Innenstadt Hof. Wer etwas mit ihm trinken und besprechen wollte, landete dort. Beschuldigte und Strafverteidiger wussten, wo man mit dem Chef der Weisungskette der österreichischen Staatsanwälte eine Flasche leeren und ein Verfahren „daschlogn“ konnte.
Pilnacek hatte mit OStA-Wien-Chef Johann Fuchs eine rechte Hand, und mit Brandstetter und Dieter Böhmdorfer zwei Ex-Justizminister, die als Strafverteidiger zu zwei Parteien verbanden: Böhmdorfer zur FPÖ und Brandstetter zur ÖVP.
Wir werden auf ZackZack noch vieles über die organisierte Justiz berichten, wahrscheinlich als einzige. Aber wie war es möglich, dass eine gut vernetzte Gruppe den österreichischen Rechtsstaat so lange erfolgreich beherrschen und aus einem System der Strafverfolgung eine Schutzengerl-Zentrale machen konnte?
Darauf gibt es drei Antworten.
Die erste lautet: „reich“. Das System schützt zwei Arten von Reichen: die Geldreichen und die Einflussreichen. Insbesondere im Immobilienbereich ist der Schutzbedarf groß. Dort sind die Kunden der organsierten Justiz.
Die zweite Antwort heißt „ÖVP“. Im Kern ist das Schutzengerl-System schwarz. Mit einer winzigen Unterbrechung regiert die ÖVP in Österreich seit 1986 durchgehend. Seit dieser Zeit ist sie im großen Geschäft mit verdeckter Parteienfinanzierung, Parteibuchwirtschaft und öffentlichen Auftragsvergaben. Sebastian Kurz musste das System nicht erfinden. Es war schon da.
Die dritte Antwort liefern die österreichischen Medien. Alles passierte direkt unter ihren Nasen. Längst hätten sie das System erkennen, beschreiben und bloßstellen können. Aber von Kurier bis Falter wollte lange niemand genauer hinschauen. Auch Klenk hat Pilnacek lange verteidigt. Jetzt beteiligt er sich an der Aufklärung – spät, aber doch. Wäre es nur um die Medien gegangen, hätten Pilnacek und Brandstetter gewonnen. Statt jetzt das Schutzengerl-System auszuleuchten, weinen einzelne Herausgeber dem Consigliere bittere Tränen nach.
Wir waren meist nur wenige, die den Rechtsstaat gegen die organsierte Justiz verteidigten: ein paar Abgeordnete im Nationalrat und die WKStA. Eine kleine Gruppe von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten haben den österreichischen Rechtsstaat erfolgreich verteidigt, gegen die organisierte Justiz, die ÖVP und ihre Mitläufer an der Spitze der wichtigsten Redaktionen. Es gibt wenige Staatsdiener, die dem Staat und unserer Verfassung so gut gedient haben.
Eine unabhängige Staatsanwaltschaft und ein paar unabhängige Abgeordnete haben das geschafft. Hätte es die nicht gegeben, hätten Pilnacek, Brandstetter & Co. wahrscheinlich gewonnen. Sebastian Kurz wäre längst in Sicherheit. Wir haben den Lauf dieser Geschichte geändert. Darauf sind wir zurecht stolz.
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Titelbild: APA Picturedesk