Beamter nun vor Gericht
Vor zwei Jahren wurde der Kopf eines Mannes bei Tumulten zwischen Aktivisten und der Wiener Polizei unter einen Polizeibus gedrückt. Der verantwortliche Beamte steht nun vor Gericht.
Wien, 15. Juni 2021 | Es war der 31. Mai 2019. Greta Thunberg war in Wien, um mit tausenden Schülern für das Klima zu streiken. Im Rahmen der Proteste hatten mehrere Aktivisten auch den Ring bei der Urania blockiert.
Kopf unter Bus gedrückt
Bei der Auflösung der Sitzblockade kam es zu unverhältnismäßiger Polizeigewalt. Der Vorfall, bei dem der Kopf von Anselm Schindler, einem der Aktivisten, von zwei Beamten unter einen Polizeibus gedrückt wurde, blieb dabei besonders in Erinnerung. Die Videos der gefährlichen Aktion, bei der Schindlers Kopf beinahe von den Rädern des Busses erfasst wurde, sorgten für eine Welle der Empörung im Netz.
*Trigger Warnung #Polizeigewalt*
Auf diesem Video sieht man nochmal deutlicher, wie @AnselmSchindler s Kopf beinahe überrollt wird.
Er stand am Bürgersteig, um journalistische Arbeit zu machen und die Aktion auf diese Weise zu unterstützen. (1/2) pic.twitter.com/zobclp5u2X— Ende GeländeWagen (@RADikalAutofrei) June 4, 2019
Danach wurde er stundenlang in Polizeigewahrsam gehalten. Eine breite Debatte über Polizeigewalt war die Folge. Zahlreiche Verfahren wurden und werden seither geführt. Die Polizei handelte in mehreren Fällen rechtswidrig, stellten die Richter klar. Freigesprochen wurde wiederum ein junger Klimaaktivist, der wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt vor dem Straflandesgericht gestanden war.
Verantwortlicher Polizist angeklagt
Im Dezember entschied das Verwaltungsgericht in einem Verfahren, dass die gesamte Amtshandlung gegen Schindler rechtswidrig war. Der Beschwerdeführer hat laut Urteil demnach kein Verhalten gesetzt, das eine Festnahme durch die Polizei gerechtfertigt hat. Somit waren auch die weiteren Maßnahmen rechtswidrig. Ein anderes Mal hob das Gericht eine Strafe gegen Schindler auf, die die Wiener Landespolizeidirektion ihrerseits gegenüber dem Aktivisten ausgestellt hatte.
Am heutigen Dienstag geht es nun in die nächste Runde, eine Verhandlung am Landesgericht für Strafsachen. Ein Polizist, der führend an Schindlers Festnahme beteiligt war, ist wegen Amtsmissbrauchs und falscher Beweisaussage angeklagt, die Anklage liegt dem “Standard” vor. In dieser gibt die Staatsanwaltschaft ihre Darstellung zur Festnahme wieder. So soll Schindler damals an der Sitzblockade beteiligt gewesen sein, Videos gemacht und die Situation beobachtet haben.
Der angeklagte Beamte habe die Aufgabe gehabt, die Aktivisten zurückzudrängen. Nach zwei entsprechenden Aufforderungen habe sich Schindler vom Ort des Geschehens wegbewegt. Trotzdem soll er wenige Sekunden später vom Angeklagten mit der Unterstützung zweier weiterer Beamter in den durch die Polizei abgesperrten Bereich gezogen worden sein. Es folgten jene Szenen, die Schindler beinahe das Leben gekostet haben.
“Ich erwarte mir keine Gerechtigkeit von diesem Staat…”
Dienstagvormittag, kurz vor der Verhandlung, twitterte Schindler:
“Ich erwarte mir keine Gerechtigkeit von diesem Staat und seiner Klassenjustiz aber es macht Sinn, sich auch juristisch gegen Polizeigewalt zu wehren damit die Gewalt nicht einfach unter den Tisch gekehrt werden kann.”
Sage gleich vor Gericht aus.
Ich erwarte mir keine Gerechtigkeit von diesem Staat und seiner Klassenjustiz aber es macht Sinn, sich auch juristisch gegen Polizeigewalt zu wehren damit die Gewalt nicht einfach unter den Tisch gekehrt werden kann.https://t.co/jkM2IFAfZq
— Anselm Schindler (@AnselmSchindler) June 15, 2021
In einem Statement gegenüber dem “Standard” zeigt sich der Aktivist zuversichtlich für die Verhandlung. Er berichtet zudem, dass ihm Anstiftung zum Amtsmissbrauch vorgeworfen wurde, was so wie die anderen Vorwürfe fallengelassen worden sei. Von der Verhandlung erwartet er sich, dass “weiter über Polizeigewalt geredet wird”.
Der angeklagte Polizist bestreitet hingegen die Vorwürfe. Voraussetzungen für die Festnahme seien sehr wohl vorgelegen. Zudem habe er die Tatsachen so protokolliert, wie er sie in Erinnerung gehabt habe. Auch gegen den Beamten, der den Bus fuhr, liegt ein Strafantrag wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit vor. Diese Sache wird allerdings separat verhandelt. Gegen sechs weitere Beamte wird im Zusammenhang mit dieser Klimademo ermittelt.
(mst)
Titelbild: APA Picturedesk