Freitag, Februar 7, 2025

ÖVP deckt Grüne mit Anfragen ein – Koalitionsstreit

Koalitionsstreit

In der Koalition wird die Luft immer dicker: Die ÖVP schüttet die Grünen-Ministerinnen mit fünf parlamentarischen Anfragen zu. Darunter auch solche, die eigentlich die SPÖ ins Visier nehmen.

Wien, 12. Juli 2021 | Nach dem von ZackZack aufgedeckten “Regierungsumtrunk” – eigentlich zur atmosphärischen Auflockerung gedacht – sinkt die Stimmung in der Koalition einmal mehr. Das liegt an einer regelrechten Anfrage-Flut der ÖVP.

Die Türkisen nutzen das von Regierungsparteien eher selten genutzte Instrument für Kritik an der Justizministerin. Die steht Insidern zufolge seit den Ermittlungen gegen Kurz, Blümel & Co. unter verstärkter Beobachtung beim Koalitionspartner. Bei den Anfragen geht es um den Ibiza-U-Ausschuss, aber auch um Kritik an der Umweltministerin wegen deren Verkehrspolitik. Anfragen mit regionalem Schwerpunkt richten sich in Wahrheit an SPÖ-regierte Orte.

Hanger geht Zadic an

Die beiden ÖVP-Abgeordneten Andreas Hanger und Wolfgang Gerstl werfen Zadic vor, frühere Anfragen nicht beantwortet zu haben, obwohl sie rechtlich dazu verpflichtet gewesen sei. Zadics Begründung bezieht sich auf “Meinungsunterschiede zur Frage der Vorlagepflicht und Klassifizierung einzelner SMS-Nachrichten” an den Ibiza-U-Ausschuss. Diese seien nicht vom sogenannten Interpellationsrecht (Anfragerecht) erfasst, weil das den Verfassungsgerichtshof betreffe. Das findet Hanger “wenig überzeugend”, weil damit fast jedes Verwaltungshandeln der Bundesregierung dem lnterpellationsrecht entzogen würde.

Der ÖVP-Mandatar brachte deshalb die ursprüngliche Anfrage erneut ein. Brisant ist, dass die ÖVP in der laufenden Legislaturperiode selbst des Öfteren für die mangelnde Beantwortung von Anfragen kritisiert wurde. Jetzt kritisiert sie das selbst – beim Koalitionspartner.

ÖVP: Zadic deckt Staatsanwaltschaft

In der zweiten ÖVP-Anfrage an Zadic wirft Gerstl, Vorgänger von Hanger als Fraktionsführer im U-Ausschuss, der Justizministerin “falsche rechtliche Ausführungen über den Umfang des parlamentarischen Interpellationsrechts” vor. Auch er bezieht sich auf die Beantwortung einer früheren Anfrage, in der Zadic keine Auskunft über Ermittlungshandlungen der Staatsanwälte erteilt habe. Für Gerstl sei “unbestritten”, dass aufgrund der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften gegenüber dem Justizministerium auch deren Tätigkeit dem Interpellationsrecht unterliegt.

Gerstl fordert deshalb, die Justizministerin dürfe “sich nicht außerhalb des demokratischen Systems stellen” und sagt in der “Kronen-Zeitung”: “Die Justizministerin ist kein Staat im Staat.” Zadic hatte sich im Streit der ÖVP mit der Justiz und vor allem der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) öffentlich hinter die Staatsanwaltschaft gestellt.

Auch Gewessler als Anfragen-Ziel

Nicht nur die Justiz, sondern auch die Verkehrspolitik des Grünen Koalitionspartners schmeckt den Türkisen nicht. Nach der öffentlichen Kritik der ÖVP (inklusive Bundeskanzler Sebastian Kurz) an der Evaluierung des ASFINAG-Bauprogramms durch Gewessler, fordert der türkise Politiker Andreas Ottenschläger in einer Anfrage “Klarheit und Transparenz”. Ottenschläger konstatiert, dass die Entscheidung “bei vielen Betroffenen und Beteiligten für Verunsicherung gesorgt” habe. Konkret will die ÖVP von Gewessler beispielsweise wissen, welche Projekte sich wie lange verzögern könnten.

Die ÖVP will von Zadic und Gewessler zudem Auskünfte über zwei regionale Themen. Bei jenen Anfragen nehmen die Türkisen vor allem auch die vor Ort regierenden Sozialdemokraten ins Visier. So will der ÖVP-Mann Friedrich Ofenauer von Zadic wissen, wie die Justiz nach einem Rechnungshofbericht über St. Pölten weiter vorgehen werde. Laut RH-Bericht sollen die Verantwortlichen der rot regierten NÖ-Landeshauptstadt ihre Befugnisse beim Abschluss von Derivatgeschäften überschritten haben. Und schließlich hat Gerstl auch noch eine Anfrage an Gewessler “betreffend Modernisierung der Verbindungsbahn Hietzing” gestellt, wo die ÖVP (die den Bezirk Hietzing regiert, Anm.) die Pläne der Stadt Wien und der ÖBB kritisiert.

(lb/wb)

Update am 12.07. um 14:31 Uhr: erster Satz ergänzt.

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

105 Kommentare

105 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Der Bunsenbrenner der Gerichtspräsidentin

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!

pilnacekbannerhalfpage