Analyserunde kritisiert Kurz hart
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz gab der “Bild” am Mittwoch ein Interview zu Afghanistan. In der Nachbesprechung wurden seine Aussagen zerrissen.
Wien, 03. September 2021 | Der “Knallhart-Kanzler”, wie die “Bild” Sebastian Kurz nennt, war am Mittwoch zum Interview geladen. Dort wiederholte Kurz den für Österreicher bereits bekannten Standpunkt der ÖVP: “Wir setzen auf humanitäre Hilfe vor Ort, aber wir sind NICHT bereit, freiwillig Afghanen in Österreich aufzunehmen.” Für die deutschen Politbeobachter dürften die Aussagen jedoch für Verwunderung gesorgt haben.
In der Nachbesprechung des Interviews wurden die Aussagen des Kanzlers auseinandergenommen. In der “Bild”-Sendung “Viertel nach acht” waren die stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Katja Suding, der Vize-Chefredakteur der WELT, Robin Alexander, Ex-Regierungssprecher Béla Anda, BILD-Politik-Chef Jan-Wolf Schäfer und BILD-Moderatorin Nena Schink eingeladen, um über den “Knallhart-Kanzler” zu diskutieren.
“Reiner Populismus”
Schink machte den Auftakt: „Die Worte von Sebastian Kurz haben mich nicht nur nachdenklich, sondern auch wütend gemacht. Das ist eine zutiefst unseriöse und inhumane Botschaft.“ Österreich wird nämlich wohl trotzdem Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen müssen. Denn politisches Asyl hat Österreich trotzdem zu gewähren, wenn es Afghanen bis nach Österreich schaffen. Das, was Kurz mache, sei für Schink „reiner Populismus und gegen den europäischen Wertekanon“.
Zudem fehle es ihm an Verantwortung in der politischen Kommunikation. Ähnlich argumentierte der ehemalige Sprecher der deutschen Regierung, Béla Anda. „Populismus ist nichts Neues für Kurz“. Er hob auch die Rolle der Grünen hervor, die wie beim Flüchtlingslager Moria nicht gegen die ÖVP stimmen durften.
„Starke Worte sind in der Politik meist ein Zeichen von Schwäche“
“WELT”-Vize Alexander sagte zu den Aussagen des österreichischen Kanzlers: „Starke Worte sind in der Politik meist ein Zeichen von Schwäche“. Auch, weil Kurz innenpolitisch unter Druck stehe. Kurz würde sich durch sein Nein zur Aufnahme außenpolitische Chancen verbauen. Als Grund nannte er, dass Kurz Innenpolitik über Außenpolitik stelle. „Das sollte ein Bundeskanzler nicht tun“, ist die Meinung der Runde. Ebenfalls mit scharfen Worten kritisierte die FDP-Politikerin Suding den Kanzler: „Wenn das eine PR-Aktion ist, dann ist die gehörig misslungen.“
Auch Kurz-Biograph mit Kritik
Auf Twitter äußerte sich auch “Bild”-Vize Paul Ronzheimer zum Kanzlerinterview. Ronzheimer, der sogar eine Biographie über Sebastian Kurz verfasst hat, kommentierte das Interview so: „1. Natürlich MUSS Österreich Afghanen aufnehmen, wenn sie kommen und Asyl beantragen (was eh weiterhin passiert). 2. Abschiebungen nach Afghanistan werden gerichtlich verboten sein, Nachbarländer kaum bereit zur Extra-Aufnahme. 3. Unrealistischer Plan.“
(bf)
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