Samstag, Juli 27, 2024

Blümel-Begehren gegen Pensionisten am Handelsgericht abgewiesen – »Es steht 1:1«

»Es steht 1:1«

Ist Blümel “vergesslich oder korrupt”? Vor dem Handelsgericht setzte es eine Niederlage für Gernot Blümel. Der Tweet eines Pensionisten habe ein „hinreichendes Tatsachensubstrat“.

Wien, 09. September 2021 | Wolfgang Pechlaner schrieb im März auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „Die jetzige türkise Führung ist nur mehr korrupt und machtgeil. Und wenn mich auch der laptoplose Blümel verklagt, diese Partei ist vergesslich oder korrupt“. Beim 72-jährigen Pensionisten flatterte daraufhin Post vom Finanzminister ins Haus. Gernot Blümel klagte, strafrechtlich als auch zivilrechtlich.

Im August gab das Wiener Straflandesgericht dem Finanzminister Recht, 4.200 Euro, davon 1050 Euro unbedingt, muss der Pensionist wegen übler Nachrede an Blümel überweisen. 100 Euro kommen zudem nach dem Mediengesetz dazu. Pechlaner unterliegt diesem als Inhaber seines Twitter-Accounts. Den Begriff „korrupt“ konnte die Richterin am Straflandesgericht „nicht freigeben“, sonst würde auch zum Beispiel die Kronen Zeitung diesen verwenden können. Pechlaner hätte die selbe Verantwortung, wie auch andere Medien argumentierte die Richterin. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Blümel am Handelsgericht abgeblitzt

Parallel zum Strafprozess wurde am Dienstag am Wiener Handelsgericht auch zivilrechtlich entschieden. Vor dem Handelsgericht bekam Pechlaner Recht, Antrag auf Unterlassung des Finanzministers wurde abgewiesen. Die Verfahrenskosten trägt Blümel.

Das Handelsgericht urteilte, dass der Tweet ein „gerechtfertigtes Werturteil“ ist. Werturteile sind von der freien Meinungsäußerung gedeckt, wenn sie auf ein wahres Tatsachensubstrat zurückgeführt werden können. Und eben jenes Tatsachensubstrat ist laut dem – ebenfalls nicht rechtskräftigen Urteil – vorhanden. So wird etwa die Wertung „korrupt und machtgeil“ im Urteil, das ZackZack vorliegt, erläutert:

Die Wertung „korrupt und machtgeil“ versteht der Durchschnittsadressat nach dem oben Gesagten als moralischen Vorwurf mangelnder Sachorientierung insbesondere bei Postenbesetzungen, Aussagen im „Ibiza-Untersuchungsausschuss“ und außenpolitischen Positionierungen der „türkisen“ ÖVP von 2017 bis 2021. Bei Postenbesetzungen wird als Tatsachenkern verstanden, dass Nahestehende der „türkisen Führung“ durch das Zusammenspiel ihrer politischen Akteure eher in Machtpositionen kommen als andere.

Dem Durchschnittsadressaten des Pechlaner-Tweets sei der politische Gesamtkontext somit bekannt gewesen. Obwohl der Tweet „stark zugespitzt“ sei, habe er sich aber auf kein bestimmtes korruptes Verhalten bezogen.

“Hinreichendes Tatsachensubstrat”

Auch auf die Unterschiede, zwischen dem Vizepräsidenten des Europaparlaments Othmar Karas (ÖVP) und der türkisen Führung wird im Urteil eingegangen. Pechlaner hob Karas in seinem geklagten Tweet heraus, „Karas ist eben noch ein Konservativer, den ich, obwohl links stehend, akzeptiere.“ Im Urteil wird darauf eingegangen: „Betreffend Außenpolitik wird im konkreten Fall als Tatsachenkern verstanden, dass sich die
ÖVP derzeit eher mit der als autoritär empfundenen ungarischen Regierung unter Viktor Orbán arrangiert als dies frühere ÖVP-Politiker getan hätten.“
Für diese Feststellung gebe es ein „hinreichendes Tatsachensubstrat“

Die beiden nicht rechtskräftigen Urteile, des Straflandesgericht und Handelsgerichtes gehen nun an das Oberlandesgericht Wien. Pechlaner zeigt sich gegenüber ZackZack über das Urteil des Handelsgerichtes erfreut: „Es steht jetzt 1:1“.

(bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Benedikt Faast

    Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.

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