Samstag, Juli 27, 2024

»ÖAWI ist ein Bananenverein« – Plagiatsjäger Weber zweifelt an Aschbacher-Gutachten

»ÖAWI ist ein Bananenverein«

Ein Gutachten der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität entlastet Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher in der Plagiatsaffäre. Stefan Weber, der die Causa damals ins Rollen brachte, zweifelt an der Seriösität des Vereins.

Wien, 30. September 2021 | Es war ein ZIB2-Interview im Dezember 2020, das Plagiatsgutachter Stefan Weber dazu veranlasste, sich die wissenschaftliche Arbeit der damaligen Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) etwas genauer anzusehen. Zahlreiche Fallfehler und genuine Sprachfehler, die Aschbachers Antworten im ORF-Studio prägten, waren für Weber damals Grund genug, Untersuchungen zu starten.

Und er wurde schnell fündig: Die aus den Interviews bekannten sprachlichen Fehler fanden sich auch in ihrer 2006 verfassten Diplomarbeit für ihr Bachelorstudium auf der FH Wiener Neustadt wieder. Plagiate im Schlusskapitel der Arbeit machten die “wissenschaftliche Katastrophe”, wie Weber Aschbachers Werk bezeichnete, perfekt.

Aschbacher reichte im Mai 2020, also während ihrer Zeit auf der Regierungsbank, zudem ein Dissertationsexposé für ihre Doktorarbeit auf der Universität Bratislava ein. Laut Weber wurde in dieser Arbeit sogar noch mehr plagiiert als in ihrer Diplomarbeit. Der Druck auf Aschbacher wurde damals zu groß, um im Amt zu bleiben. Sie trat daraufhin zurück.

Doch kein Plagiat?

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass die FH Wiener Neustadt das Verfahren gegen die Ex-Ministerin eingestellt hatte. Ein Gutachten des Vereins “Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität” (ÖAWI)  hatte zwar “Mängel bei der Einhaltung der Standards guter wissenschaftlicher Praxis” geortet, aber die für eine Titel-Aberkennung nötige Täuschungsabsicht nicht festgestellt. Damit könne Aschbacher ihren Magister-Titel behalten.

Und auch in der Slowakei dürfte keine Aberkennung drohen. Zwar wurde dort nach zahlreichen Plagiatsskandalen, die auch hochrangige Mitglieder der aktuellen Regierung betroffen hatten, das Hochschulgesetz entsprechend novelliert. Titel dürfen aber nur dann abgenommen werden, wenn die entsprechende Abschlussarbeit nach dem 1. Jänner 2021 eingereicht wurde. Aschbacher hatte ihre Dissertation bereits 2020 abgegeben.

Vorsitzender der ÖAWI laut Weber “Plagiatsverharmloser”

Während das Umfeld Aschbachers und viele Medien den Namen der Ex-Ministerin bereits rein gewaschen sehen wollen, erhebt der Mann, der die ganze Causa ins Rollen brachte, schwere Vorwürfe gegen die ÖAWI. Gegenüber ZackZack meint Plagiatsjäger Stefan Weber, dass diese “mit Objektivität rein gar nichts zu tun hat”. Kommissionsvorsitzender der ÖAWI ist der Schweizer Literaturwissenschaftler Philipp Theisohn. Dieser gelte in der wissenschaftlichen Community seit Jahren als “Plagiatsverharmloser”, so Weber.

Bereits im Jahr 2013 sorgte ein ähnlicher Fall in der deutschen Politik für Aufregung. Die damalige Bildungsministerin Annette Schavan stand ebenso wie Aschbacher unter Plagiatsverdacht. Unterstützt und verteidigt wurde sie damals von eben jenem Schweizer Wissenschaftler, Philipp Theison. Damals glaubte der heutige ÖAWI-Vorsitzende “nicht an eine leitende Täuschungsabsicht” Schavans. Es sind die selben Argumente, mit der die ÖAWI nun Aschbacher von ihren Plagiatsvorwürfen befreien möchte. Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht entzog Schavan im Jahr 2014 trotzdem den Doktortitel.

“Ich habe die ersten zehn Seiten von Theisons Buch ‘Plagiat: eine unoriginelle Literaturgeschichte’ gelesen und gleich wieder zugeklappt, weil es vom gesamten Duktus einfach unerträglich ist.” – Stefan Weber

Er habe der ÖAWI bereits mehrere Plagiatsfälle geschickt, jedes Mal seien sie nach einem Jahr anonymisiert zurückgekommen und als “kein Plagiat” festgestellt worden: “Das ist ein einziger Bananenverein.” Für Weber passt die Causa Schavan perfekt ins heutige Bild. Schon damals sei ein Wissenschaftsnetzwerk zur Rettung einer Politikerin ausgerückt – im Falle Schavans jedenfalls vergeblich.

(mst)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Markus Steurer

    Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.

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