Während Schützenhöfer eine Lanze für Neo-Kanzler Schallenberg bricht, verteilt er gegen Kurz‘ Mediendompteur Fleischmann einen derben Seitenhieb. Unter den Landeshauptleuten dürfte die Diskussion um die Zukunft Kurz‘ indes weitergehen.
Wien, 11. Oktober 2021 | Die Landeshauptleute stellten sich noch vor wenigen Tagen geschlossen hinter Sebastian Kurz. Doch spätestens seit Samstag ist die Sachlage eine andere, auch weil der Beschuldigtenstatus der Bundespartei aus der Kurz-Krise eine ÖVP-Krise macht. Neben Markus Wallner und Wilfried Haslauer hat sich in den vergangenen 24 Stunden vor allem Hermann Schützenhöfer als kritische Stimme hervorgetan.
Schallenberg „keine Puppe“
Dass er das Aus von Sebastian Kurz maßgeblich eingeleitet habe, wollte der steirische Landeschef nicht dementieren. Das seien „interne Vorgänge“. Deutlich wird er trotzdem. An eine Rückkehr von Kurz denke momentan niemand: „Alexander Schallenberg ist ja keine Puppe, die man wo hinsetzt und dann einfach wieder abzieht. Viele werden sich wundern, wie gut er dieses Amt ausfüllen wird.“ Die Kanzlerschaft des Kurz-treuen Diplomaten sei „auf Dauer“. Schallenberg werde ein eigenes Profil entwickeln, so Schützenhöfer, der gegenüber dem ORF von Druck und Kritik der Basis sprach.
Im Ö1-Mittagsjournal am Montag ruderte Schützenhöfer zwar etwas zurück, überraschte aber auch mit einem Seitenhieb, und zwar gegen Kurz‘ Mediendompteur Gerald Fleischmann, der auf der Beschuldigtenliste zu finden ist: „Ich kenn den gar nicht. Ich glaub, das ist der Rothaarige.“ Er glaube ihn von Pressekonferenzen zu kennen, sagte der Landeshauptmann. Überraschend, immerhin ist Fleischmann einer der wichtigsten Vertrauten von Kurz. Ob der Kurz-Zirkel Zukunft habe, wollte Schützenhöfer nicht beantworten. Schallenberg müsse sich sein Team selbst zusammensuchen.
Für Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner sei der Rückzug Kurz‘ die „richtige Entscheidung gewesen“, allerdings nur der erste Schritt. Er sei sogar froh gewesen, dass Kurz Verantwortung übernehme und „den Weg frei macht“. Bei „vol.at“ sprach Wallner zudem von roten Linien, „die man nicht übersteigen sollte – auch im Umgang miteinander“. Auch Parteiausschlüsse seien zumindest möglich: „Wenn die Vorwürfe stimmen, muss es Konsequenzen geben.“ Wilfried Haslauer, Salzburgs Landeshauptmann, hält den Kurz-Rückzug indes für alternativlos. „Wir wären mit Vollgas an die Wand gefahren“, so Haslauer. Die Chat-Nachrichten bezeichnete er als „unangenehm und schrecklich“, beteuerte aber gleichzeitig, diese hätten keinen Einfluss auf die Entscheidung gehabt.
Landeshauptleute uneins
Das Länderbeben ist indes keines der höchsten Stärke. Bisher sind es drei ÖVP-Landeshauptleute, die Kritik am Ex-Kanzler üben, wobei Kurz noch nicht persönlich kritisiert wird. Laut „Standard“ habe sich der türkise Zirkel am Wochenende zudem an einer Gegenerzählung zum Länder-Sturz versucht – wohl, um die Möglichkeit eines Comebacks medial aufrechtzuerhalten. Demnach habe Kurz den Rückzug selbst vorgeschlagen. Immer mehr Politbeobachter schließen ein Comeback zwar aus, beispielsweise „Heute“-Printchef Christian Nusser.
Laut diesem habe es aber mit Niederösterreichs Landeschefin Johanna Mikl-Leitner einen Gegenpol zu Schützenhöfer, Wallner und Haslauer gegeben: „Tatsächlich war der Druck aus dieser Ecke (Bundesländer, Anm.) enorm, vor allem, weil die Landeschefs gespalten waren. Einige waren aufrichtig entsetzt über die Chats, andere vermittelten dem Kanzler nur mehr bedingt Unterstützung, Niederösterreichs Landesfürstin Johanna Mikl-Leitner wiederum war kampfbereit, riet Kurz vom Rückzug ab.“ Das überrascht Politbeobachter nicht, denn die niederösterreichische ÖVP hatte an der Erfindung der türkisen „Neuen Volkspartei“ mitgewirkt. Kurz‘ Zukunft jedenfalls ist mehr denn je abhängig von der Macht der ÖVP-geführten Bundesländer.
(wb)
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