»Vergesslich oder korrupt«-Tweet
Finanzminister Gernot Blümel ist mit seinem Wunsch auf eine Einstweilige Verfügung gegen den Tweet, die ÖVP sei “vergesslich oder korrupt”, erneut gescheitert. Das OLG Wien sieht in den Chatnachrichten “eine gewisse nepotistische Haltung” naheliegend.
Wien, 11. November 2021 | Der Pensionist Wolfgang Pechlaner hatte Anfang März – unter Bezug auf die Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel – unter anderem gepostet: “Die jetzige türkise Führung ist nur mehr korrupt und machtgeil. Und wenn mich auch der laptoplose Blümel klagt, diese Partei ist vergesslich oder korrupt.” Blümel klagte ihn tatsächlich, und zwar strafrechtlich wegen übler Nachrede und beim Handelsgericht auf Unterlassung samt Einstweiliger Verfügung.
Gerichte entscheiden unterschiedlich
Erstes war zumindest einmal in erster Instanz erfolgreich, Pechlaner wurde zu einer teilbedingten Geldstrafe von 4.200 Euro verurteilt – und hat dagegen Berufung eingelegt. Die Richterin argumentierte damals, dass sie den Begriff “korrupt” nicht freigeben könne, ansonsten könnte diesen zum Beispiel auch die “Kronen Zeitung” verwenden.
Zweiteres ist nunmehr auch in zweiter Instanz gescheitert. Denn das von Blümel nach der Ablehnung einer Einstweiligen Verfügung (per Rekurs) angerufene Oberlandesgericht Wien war derselben Meinung wie das Handelsgericht.
Tatsachensubstrat gegeben
Der Durchschnittsadressat dieses Twitter-Postings werde die inkriminierte Äußerung nicht so verstehen, dass dem Kläger strafbares Handeln vorgeworfen werden soll – sondern als kritische Wertung des Handelns der “türkisen Führung” inklusive Blümel, wird im OLG-Beschluss, der ZackZack vorliegt, ausgeführt.
Die Formulierungen “mögen zwar eine grob formulierte Unmutsäußerung und Wertung sein”. Aber Artikel 10 der Menschenrechtskonvention schütze “nicht nur stilistisch hochwertige, sachlich vorgebrachte und niveauvoll ausgeführte Bewertungen, sondern jedwedes Unwerturteil, das nicht in einen Wertungsexzess gipfelt”. Einen solchen habe P. nicht begangen. Denn für seine Äußerung liege ein “hinreichendes, wenn auch dünnes Tatsachensubstrat” vor. Also sei die von Blümel inkriminierte Äußerung vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
“Eine gewisse nepotistische Haltung”
Der Finanzminister habe zwar recht damit, dass die gegen ihn geführten Ermittlungen allein eine solche Äußerung nicht rechtfertigen könnten. Aber, merkt das OLG Wien an, die bekannten Chat-Nachrichten zwischen Blümel und Thomas Schmid, beziehungsweise Schmid und Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann (über den “kurzen Termin” wegen Spende und Italien-Problem, “tu es für mich”), würden “eine gewisse nepotistische Haltung” der für die ÖVP handelnden Personen nahelegen. Außerdem verweist das OLG auf Blümels U-Ausschuss-Aussage, er habe keinen Laptop – und merkt an: “Kurz darauf wurden Fotos veröffentlicht, die den Kläger am Laptop arbeitend zeigen.”
Gegen diese Entscheidung des OLG kann Blümel allenfalls noch ein außerordentliches Rechtsmittel – einen Revisionsrekurs – einlegen. Dafür müsste er allerdings nachweisen können, dass das OLG eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung für Rechtseinheit, Rechtssicherung und Rechtsentwicklung falsch beurteilt hat. Pechlaner freut es jedenfalls. Für den Prozess gesammeltes Geld werde er spenden.
Das Oberlandesgericht hat in Blümels Klage gegen mich beim Handelsgericht für mich entschieden. Danke an @MariaWindhager für ihren Einsatz. @DoroBlancke kann sich freuen.
— wolfgang pechlaner, @wope48@kif.rocks (@pw48) November 10, 2021
(bf/apa)
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