Corona
Polizisten wurden mit Bierdosen beworfen, mehrere Festnahmen. Journalisten bedroht und per Flugblatt gesucht. Aufmarsch der Rechtsextremen und Identitären bei Anti-Corona-Demo.
Wien, 20. November 2021 | Bei der Großdemonstration gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung und den kommenden Lockdown hat es am Samstagnachmittag erste Festnahmen gegeben. Die Polizei berichtete von teils aufgeheizter Stimmung. Aggressive Teilnehmer zündeten am Ring pyrotechnische Gegenstände und bewarfen Beamte mit Bierdosen und Plastikflaschen. Die Festnahmen erfolgten laut einem Polizeisprecher sowohl wegen Verwaltungsdelikten als auch strafrechtlich wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt.
Außerdem gab es mindestens zehn Anzeigen nach dem Verbotsgesetz. So trugen mehrere Aktivisten an den Judenstern angelehnte gelbe Sterne mit der Aufschrift “ungeimpft”, auch wurden Plakate mit dem Wortlaut “So begann es 1938” oder “Schallenberg = Mengele” hochgehalten. Die Demonstration verlief Großteils friedlich, die Polizei berichtete aber auch von teils aufgeheizter Stimmung. Mindestens drei Personen leisteten Widerstand gegen die Staatsgewalt, am Ring wurden Rauchbomben gezündet sowie Beamte und der freie Journalist Michael Bonvalot mit Flaschen und Dosen beworfen. Bonvalot berichtete auf Twitter von Angriffen mit Pfefferspray und Wurfgeschoßen durch extreme Recht, er war schon im Vorfeld in sozialen Medien mit körperlicher Gewalt bedroht worden. Unter die Demonstranten mischten sich auch der verurteilte Neonazi Gottfried Küssel, Identitären-Chef Martin Sellner sowie rechte Hooligans. Sehr viele Teilnehmer waren auch aus den Bundesländern angereist.
Mobilisierung von Rechtsextremen
Im Vorfeld hatten zahlreiche Querdenker und Covid-Leugner insbesondere auf Telegram mobilisiert. Auch Rechtsextreme, Identitäre und Burschenafter sind in großer Zahl vertreten. Der Journalist Bonvalot berichtet auf Twitter von hochaggressive, vermummten Personen. Um kurz vor 16:00 setzte sich die neofaschistische Gruppierung Identitäre an die Spitze der Demonstration, inklusive riesigem Banner wo vor dem “großen Austausch” gewarnt wird. Dabei handelt es sich um eine rechtextreme Verschwörungstheorie. Auch Flugblätter mit den Fotos von unliebsamen Journalisten wurden verteilt mit der Aufschrift “Achtung Denunzianten”. Außerdem gab es Gerüchte über mögliche Angriffe auf Spitäler, Medienhäuser, Ministerien und das Parlament. Diese Einrichtungen der kritischen Infrastruktur werden besonders geschützt, betonte die Polizei. Auch bei den Impfstraßen der Bundeshauptstadt wurden die Sicherheitsmitarbeiter aufgestockt und die Polizeipräsenz erhöht.
Mehrere zehntausende Menschen hatten die Innenstadt lahmgelegt. Die FPÖ sprach gar von 100.000 Teilnehmern. Bereits vor 12.00 Uhr zogen die Demonstranten durch die Stadt und sammelten sich gegen Mittag insbesondere am Heldenplatz. Die Exekutive war mit mehr als 1.300 Beamten im Einsatz, dazu kamen auch Polizeidiensthunde.
Auch deutsche Staatsbürger auf Demo
Für Aufregung sorgten auch Teilnehmer, die unter Applaus mit einem Banner, der sie als Polizisten auswies, durch das Burgtor auf den Heldenplatz einzogen. Dabei dürfte es sich nach Informationen der APA um deutsche Staatsbürger handeln. Die heimische Polizei kündigte an, diesen Fall zu prüfen.
Der Ring wurde gegen 12.00 Uhr ab der Operngasse gesperrt. Laufend strömten weitere Maßnahmen-Gegner und Covid-Leugner in die City, hunderte waren auch mit dem Zug aus den Bundesländern angereist und über die Mariahilferstraße marschiert. Teilweise verliefen die Kundgebungen chaotisch. Am Nachmittag marschierte ein Demozug den Ring entlang. Bei einer Kundgebung im Museumsquartier wurde FPÖ-Chef Herbert Kickl zugeschaltet. Er wurde positiv auf das Coronavirus getestet und befindet sich in Quarantäne.
Die Exekutive riet bereits im Vorfeld, die Wiener Innenstadt zu meiden. Sowohl aus den Bundesländern als auch aus dem benachbarten Ausland waren Aktivisten auch mit Bussen angereist, diese wurden stichprobenartig an der Stadtgrenze und in den Bundesländern kontrolliert.
Bei Demonstrationen mit mehr als 50 Teilnehmern müssen alle eine FFP2-Maske tragen, sofern nicht alle Teilnehmer einen 2G-Nachweis haben, was bei den Demonstranten unwahrscheinlich ist. Mittels Lautsprecherdurchsage wies die Exekutive auf die Maskenpflicht hin, die Polizei kündigte auch an, dass die Einhaltung kontrolliert und Verstöße mit Anzeigen geahndet werden. Demonstranten mit Masken waren allerdings die Ausnahme, Österreich-Fahnen hingegen waren zahlreiche zu sehen.
Behinderungen durch Aufmarsch
Auch bei den Öffis kam es am Samstag zu Unterbrechungen und Verzögerungen. Auch “Alles Gurgelt” wies in den inneren Bezirken bei Abgabestellen via Aushang darauf hin, dass es aufgrund der Demonstrationen zu Verzögerungen bei der Abholung von PCR-Tests bzw. der Auswertung kommen kann.
Auf Grund der derzeitigen epidemiologischen Lage ersuchte die Polizei im Hinblick auf die eigene Gesundheit und die Gesundheit anderer, nicht bei Versammlungen teilzunehmen. Ein kleiner Teil der Kundgebungen am Samstag war im Vorfeld von der Polizei untersagt worden.
In den Bundesländern sind am Samstag keine größeren Kundgebungen zu erwarten. Rund 800 Personen haben bereits am Freitag in Innsbruck gegen den anstehenden Corona-Lockdown und die angekündigte Impfpflicht demonstriert. Die Teilnehmer an der nicht angemeldeten Kundgebung zogen nach Angaben der Polizei gegenüber der APA durch die Innenstadt. Zwischenfälle gab es keine.
(apa/bp)
Titelbild: APA Picturedesk