Krisenmodus
An dieser Stelle wird ja meist launig aus dem Nähkästchen geplaudert. Heute wird der Krisenmodus einmal etwas ernster. Es geht um Corona, und was die Krise mit der ZackZack-Community macht.
Thomas Walach
Wien, 04. Dezember 2021 | Kein anderes Medium hat so eine treue und begeisterte Leserschaft. Das ehrt uns ungemein. Wir versuchen, eine öffentliche Stimme für jene zu sein, auf die sonst keiner schaut. Wir, die Redaktion, haben das Gefühl, dass unsere Leser das auch so sehen.
Türkisgrün hat uns in eine beispiellose Phase der Instabilität geführt. Drei Kanzler in acht Wochen – man sieht, die Regierung kümmert sich nicht um uns, sie ist mit sich selbst beschäftigt. Das war seit Beginn der Coronakrise so. Stets schielte sie auf die nächste Umfrage, anstatt sich selbst zu fragen: Was ist für das Land gut?
Die Sache mit dem Vertrauen
So viele gebrochene Versprechen: Es kommt kein zweiter (!) Lockdown. In hundert Tagen sind wir alle geimpft. Licht am Ende des Tunnels. Sputnik. Eigene Impfstoffproduktion. Krise vorbei, Krise wieder geöffnet, immer und immer wieder.
Es ist kein Wunder, dass viele das Vertrauen verloren haben. Ich habe auch kein Vertrauen in unsere Regierung. Aber als Wissenschaftler habe ich sehr viel Vertrauen in die Wissenschaft. Die wissenschaftliche Community hat in der Krise nie gelogen. Sie hat sich manches Mal geirrt, aber wer die Wissenschaft kennt, weiß: Das gehört dazu. Wissenschaft ist keine Religion, sondern immer dabei, neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Nicht alle haben dieses Vertrauen. Der Riss geht durch Freundeskreise, durch Familien. Die Krise spaltet uns. Man sieht das auch in der öffentlichen Auseindandersetzung, in den Zeitungsforen, in den Sozialen Medien. Man sieht es auch im ZackZack-Forum. Das ist eigentlich eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Nicht viele Medien haben ein so lebendiges, fleißig genutztes Forum. Jene, die es haben, sind sehr viel größere Medienunternehmen als wir.
Streiten? Gut! Aber es kommt darauf an, wie.
Wir sind überzeugt, das liegt an unserem Umgang mit unseren Lesern. ZackZack soll offen sein für Debatten. Bei uns wird nicht zensiert. Wir sagen aber auch deutlich, wozu wir stehen – auch wenn das nicht in allen Fällen allen Lesern gefällt. So, wie wir eure unterschiedlichen Meinungen stets respektiert haben, habt auch ihr im Gegenzug unsere Offenheit immer geschätzt.
Wie viele Mails habe ich bekommen, die ungefähr so lauteten: „Ich bin überhaupt nicht eurer Meinung, aber ich lese euch trotzdem, weil…“ So funktioniert ein gesunder, öffentlicher Diskurs. Meinungsverschiedenheiten sind gut, die Demokratie lebt davon.
Es kommt aber darauf an, wie sie ausgetragen werden. Im Forum findet sich eine laute Minderheit, die an nichts anderes mehr denken kann als an ihren Widerstand gegen die Impfung. Mit ihrer Wut erdrückt sie den lebendigen Diskurs im Forum. Manche leiden auch still, fühlen sich nicht verstanden.
Aber es gibt auch eine andere Seite: Jene große Mehrheit, die der Wissenschaft vertraut, hat auch genug. Wir erleben eine Pandemie der Ungeimpften. Das Drittel der nicht Geimpften ist für 80 Prozent der symptomatischen Erkrankungen verantwortlich – und ich sage bewusst „verantwortlich“. Die Mehrheit will nicht akzeptieren, dass die Herz-Operationen von Kindern verschoben werden, weil „Skeptiker“ erst auf der Intensivstation merken, dass sie auf dem Holzweg waren.
Diese große Mehrheit will auch über andere Dinge sprechen als die Coronaimpfung und sie will in wertschätzender Atmosphäre sprechen. Wenn wir das als ZackZack-Gemeinschaft nicht schaffen, wie sollen wir es dann als Land schaffen?
Marschiert nicht mit Nazis!
Es gibt unterschiedliche Meinungen und den meisten – auch mir – fehlt das Verständnis für die Meinung der jeweils anderen. Trotzdem müssen wir diesen anderen wertschätzend behandeln. Das ist die Mindestvoraussetzung dafür, dass uns gemeinsam etwas gelingen kann. Und es gibt so viel, an dem wir gemeinsam arbeiten müssen, wenn wir das Land verbessern wollen!
Eine Sache liegt mir persönlich am Herzen: Ihr könnt gegen die Impfung sein (ich empfinde es als unsolidarisch, aber es ist euer Recht), aber ihr könnt nicht gleichzeitig an einer besseren Zukunft für unser Land arbeiten und hinter Nazis hermarschieren. Es ist eine Schande, dass die Linke keine produktive Auseinandersetzung mit jenen suchte, die aus irgendeinem Grund das Vertrauen verloren haben. Dennoch rennt man nicht hinter einem Demonstrationszug her, der von Identitären und Hooligans angeführt wird. Auf die Demos, die ich besuche, traut sich kein Nazi.
Ich bin überzeugt, dass der Riss so groß nicht ist. Nächstes Jahr werden wir weniger aufgewühlt über die Sache denken. Niemand kann erwarten, dass wir in einer so tiefen Krise immer ruhig Blut bewahren. Aber wir müssen und werden wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen. Gemeinsam.
Titelbild: APA Picturedesk