Laut einer Studie der MedUni Wien, die im British Medical Journal veröffentlicht wurde, hat ein Lied des US-amerikanischen Rappers Logic zu einer Abnahme an Suiziden und einer Zunahme an Anrufen bei Krisentelefonen in den USA geführt.
Wien, 16. Dezember 2021 | Vor vier Jahren brachte der US-Rapper Logic einen Song, der die Nummer der US-amerikanischen Suizidpräventions-Hotline als Titel trägt, raus. Schon bei seiner Veröffentlichung erregte der Song mit dem Titel „1-800-273-8255“ große Aufmerksamkeit.
Nun hat eine Studie von Thomas Niederkrotenthaler vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien ergeben, dass es zu einem bemerkenswerten Anstieg an Anrufen bei der Suizidpräventionshilfe und dadurch zu einer Abnahme an Suiziden in den USA aufgrund des Songs gekommen ist.
In einer im @bmj_latest veröffentlichten Studie von @thomasniederkr1 wurde am Zentrum für #PublicHealth der #MedUniWien der Zusammenhang zwischen einem #HipHop-Hit und dem Rückgang an Suiziden in den USA nachgewiesen. Lesen Sie mehr: https://t.co/TPiwPwbGER
— MedUni Wien (@MedUni_Wien) December 14, 2021
In dem Lied geht es um einen Jugendlichen, der die 1-800-Nummer wählt und dem Berater mitteilt, dass er nicht mehr leben will. Vier Monate nach dem Erscheinen des Songs wurde ein Video veröffentlicht, das mittlerweile über 419 Millionen Aufrufe auf YouTube hat. In dem Video wird ein junger, schwarzer Mann gezeigt, der unter Diskriminierung, Rassismus und Mobbing aufgrund seiner Homosexualität leidet, gezeigt.
Anrufe gestiegen, Suizide gesunken
In der Studie wurde die Anzahl der Anrufe bei der Hotline sowie die Anzahl der Suizide in einer Zeitperiode von 34 Tagen nach Erscheinung des Songs und zwei aufmerksamkeiterregenden Live-Auftritten vor Millionen Zuschauern gemessen. Nach diesen Ereignissen sollen 9.915 zusätzliche Anrufe und ein Anstieg um 6,9 Prozent der erwarteten Anrufe registriert worden sein. „All diese Ereignisse verschafften der Botschaft des Songs – dass die Hilfe von der Hotline verfügbar und wirksam ist – große öffentliche Aufmerksamkeit”, so die Forscher. Im gleichen Zeitraum gab es einige Anzeichen für einen Rückgang der Suizide: 245 Suizide weniger, was einem Rückgang von 5,5 Prozent entspricht, so die Studie. Der Rückgang der Zahlen war in den Zeiträumen, in denen in den sozialen Medien am meisten über den Song, der von den Medien als „Hymne der Suizidprävention“ bezeichnet wird, diskutiert wurde, zu beobachten.
Es konnte auch ein Zusammenhang zwischen der Veröffentlichung des Songs sowie einem fast zehnprozentigem Anstieg der Google-Suche nach der Hotline 28 Tage nach der Veröffentlichung festgestellt werden.
Werther vs. Papageno
Es ist wissenschaftlich mehrfach belegt worden, dass die Konfrontation mit dem Thema Suizid im Alltag und insbesondere bestimmte Formen der medialen Berichterstattung darüber zu Nachahmungen führen kann. Diese Reaktion wird aufgrund der Welle an Suiziden unter jungen Männern, die das Erscheinen des Romans „Die Leiden des jungen Werther“ von Goethe ausgelöst hat, auch „Werther-Effekt“ genannt.
Es kann jedoch auch zu einer gegenteiligen Reaktion, dem „Papageno-Effekt“ kommen, wenn die Berichterstattung keine „sensationsträchtigen Merkmale“ beinhält. Auch Suizidgeschichten, wobei die Betroffenen die Krise bewältigt haben, können eine präventive Wirkung haben. Laut der Studie wird jedoch Geschichten über Hoffnung und Genesung in den Medien weniger Beachtung geschenkt als Geschichten über den Tod durch Suizid.
In Österreich gibt es zahlreiche, kostenlose Einrichtungen und Telefonnummern, die bei Suizidgedanken ihre Hilfe anbieten:
Telefonseelsorge: 142 (Notruf) rund um die Uhr erreichbar
Kriseninterventionszentrum: 01/406 95 95 Mo-Fr von 10-17 Uhr erreichbar
Rat auf Draht: 147 rund um die Uhr für Kinder und Jugendliche erreichbar
Psychosozialer Dienst (PSD) Wien: 01/13 13 30 rund um die Uhr erreichbar
(nb)
Titelbild: APA Picturedesk