Warum Jörg Haider Recht hatte, der Reichenschutzverein ÖVP das Land spalten muss und hierzulande nicht gleiches Recht für alle gilt.
Thomas Walach
Wien, 23. Dezember 2021 | Ein reicher Russe bekommt für eine Parteispende die österreichische Staatsbürgerschaft. Das ist „no na net, part of the game“.
Der Nationalratspräsident sagt ganz unverblümt im Fernsehen: „Naja, sie kennen das G‘schäft, ja, für´s Inserat gibt´s ein Gegengeschäft, oder?“
Und in der obersten Ministerialbürokratie heißt es: „Vergiss nicht – du hackelst im ÖVP-Kabinett! Du bist die Hure für die Reichen!“
Wir haben ein Problem. Es ist massiv. Es droht, den Staat zu untergraben. Es heißt: Korruption.
Die Korruption in Österreich ist im Alltag selten spürbar – obwohl in einigen Branchen an der Tagesordnung. Man kann bei uns kaum einem Polizisten zehn Euro in die Hand drücken, damit er den Strafzettel zerreißt. Man kann einem Richter keine Rolex schenken, damit er Nachsicht zeigt.
Korruption auf Österreichisch
Doch sobald es um Menschen mit Geld und Einfluss geht, ändert sich das. Personen aus der Justiz beschreiben das so: Die Strafverfolgung ist in Österreich auf Schiene. Der Zug fährt von A nach B und meist ist er pünktlich. Aber in den Fällen, in denen es um jemanden geht, der Verbindungen hat, werden plötzlich Weichen gestellt. Dann nehmen die Berichtspflichten zu, und der Druck von oben. Dann werden gelinde Mittel angewendet. Wenn du reich bist, musst du in Österreich im Allgemeinen nicht ins Gefängnis.
Dasselbe gilt für die Finanz. Wehe, du schuldest dem Staat tausend Euro! Da funktioniert die Finanzverwaltung. Aber schuldest du ihm – so wie Sigi Wolf – elf Millionen, gibt es Spielraum. Da kann man mit dem Generalsekretär verhandeln, wieviel man bezahlen möchte. Da wird der Minister informiert.
Richter und Ministerialbeamte bekommen für so etwas kein Geld. Die Korruption ist subtiler, sie funktioniert über Netzwerke, Gefälligkeiten, Beißhemmung gegenüber den Mächtigen. Korruption wird oft mit einer Amtshandlung für Bares gleichgesetzt. Doch das ist nur die offensichtlichste, primitivste Form von Korruption. Der Begriff steht eigentlich für jedes Ausnutzen einer Machtposition, um einem anderen ungebührliche Vorteile zu verschaffen. Sie beginnt nicht erst beim Geldkuvert. Und in diesem Sinne ist das von Freunderlnetzwerken durchzogene Österreich ein Korruptionsparadies, das seinesgleichen sucht.
Jörg Haider hatte völlig Recht, wenn er anprangerte, dass „die da oben“ es „sich richten“ können hierzulande. Dass er selbst bei diesem Spiel ganz vorne mit dabei war, ist die Tragik des Populismus.
Strache, Kurz – wo ist der Unterschied?
Gelegentlich springt einer über die Klinge – bevorzugt dann, wenn er öffentlich aus der Gnade gefallen ist. Heinz Christian Strache wird verurteilt, weil er sich zugunsten seines Freundes Walter Grubmüller für eine Gesetzesänderung bei den Privatkrankenanstalten einsetzte und die Partei dafür 12.000 Euro erhielt. (Da nicht rechtskräftig, gilt die Unschuldsvermutung.)
Stefan Pierer wünscht sich von Sebastian Kurz den 12 Stunden-Tag, lobt öffentlich, dass der Kanzler ihm zuhört, spendet der ÖVP 436.563 Euro, der 12 Stunden-Tag wird Gesetz. Man möge mir erklären, worin der Unterschied zwischen beiden Fällen besteht – ich verstehe ihn nicht, aber offenbar ist der eine strafbar, der andere nicht.
Viele fragen, warum ein so reicher Mensch wie Sigi Wolf mutmaßlich kriminell wird, anstatt einfach 630.000 Euro zu zahlen, die er dem Staat nun einmal schuldet. Die Antwort ist trivial: Weil das in Österreich für die Reichen und Mächtigen der normale Modus operandi ist. So macht man das. Man ruft ein paar Bekannte im Ministerium an, man verschafft jemandem eine Gefälligkeit, das ist „no na net, part of the game“.
Eisberg voraus
Diese Form der Korruption ist für „die da oben“ so alltäglich, wie wenn unsereins bei Rot über eine leere Straße geht. Man weiß schon, das ist illegal, aber was solls? Man kennt ja „das G’schäft“. Was wir aus den Handys von Thomas Schmid, Sigi Wolf und anderen wissen, ist nicht etwa die ganze Geschichte. Es ist die Spitze eines Eisbergs, dessen überwiegenden Teil wir niemals zu sehen bekommen.
Jene Partei, deren politische Hauptaufgabe das Betreiben dieses Geschäfts darstellt, ist die ÖVP (was nicht heißt, dass nicht auch andere Parteien nebenberuflich in dieser Branche tätig sind). Sie ist ein Reichenschutzverein, der politische Arm der Industriellen und Milliardäre. Dem britischen Journalisten Owen Jones sagte ein konservativer Abgeordneter ganz offen: „Die konservative Partei ist der Bündnispartner der Privilegierten. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, deren Privilegien zu verteidigen.“ Aber wie gewinnt man mit diesem Programm Wahlen? „Um Wahlen zu gewinnen, muss sie gerade genug Leuten gerade genug geben.“
Also übt sich die ÖVP – einst eine verbindene Kraft – in der Spaltung des Landes. Land gegen Stadt, Autochthone gegen Zuwanderer, Mittel- gegen Unterschicht. Wie mit einem scharfen Meißel schält sie so aus dem Land jene Minderheit heraus, die genügt, um die ÖVP an der Macht zu halten. Die Splitter dieser Arbeit liegen verstreut umher.
Gehen wir es an!
Man kann das Problem nur lösen, indem immer Menschen sagen: „Es reicht! So geht es nicht weiter.“ Dazu muss die Öffentlichkeit von Korruption erfahren. Wir brauchen Schlüssellöcher in den Polstertüren. Dazu gab es in jüngerer Vergangenheit einige bemerkenswerte Bohrungen. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit und mit einer gehörigen Portion Beharrlichkeit und Glück haben sich einige Staatsdiener in der WKStA genügend Freiraum erstrampelt, um ihre Arbeit machen zu können. Ein Volksbegehren macht Korruption zum öffentlichen Thema. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse zeigen der Regierung Zähne. Und einige wenige – noch zu wenige – Medien lassen sich weder kaufen, noch einschüchtern oder um den Finger wickeln.
Gemeinsam haben wir begonnen, am Eisberg zu hämmern. Versenken wir das verdammte Ding!
Titelbild: APA Picturedesk