Die Faust aufs Aug
Sebastian Kurz bewundert den bekennenden Antidemokraten Peter Thiel schon lang. Seine Kenntnis europäischer Staatsgeheimnisse und Verbindungen zu Cybersecurity-Unternehmen, die sensible Kommunikation deutscher und österreichischer Ministerien überwachen, machen Kurz für Thiel attraktiv.
Thomas Walach
Wien, 30. Dezember 2021 | Sebastian Kurz geht zum Investmentfonds seines Bekannten Peter Thiel. Er wird dort „Global Strategist“, also Berater und nicht, wie manche Zeitungen schreiben, Manager. Eine Manangementposition wäre angesichts der Korruptionsermittlungen gegen Kurz wohl nicht möglich gewesen. Der gebürtige Frankfurter Thiel will keine Schwierigkeiten mit den Behörden.
Ich weiß etwas, das du nicht weißt
Kurz kennt Staatsgeheimnisse, und nicht nur die Österreichs. Dank des regen Austauschs europäischer Behörden und Nachrichtendienste weiß Kurz auch eine Menge über die Partner in der Union. Schon in der Vergangenheit hatte Kurz‘ Think Tank im Kanzleramt solche Informationen von europäischen Diensten abgesaugt. Für Thiels Datenkrake Palantir, zu deren wichtigsten Kunden Geheimdienste überall auf der Welt gehören, ein lohnendes Asset. Und auch wenn sich in Westeuropa kein Regierungschef mehr mit Kurz blicken lassen will, hat er noch Freunde im Osten. Bei Palantir ist auch die ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas tätig. Kurz wird in der Investmentsparte von Thiels Firmenimperium, bei Thiel Capital, angestellt.
Antidemokrat Thiel
Wer die politische Karriere von Kurz Revue passieren lässt, kann den Eindruck bekommen, er habe sie nach den Ratschlägen von Investment-Milliardär Peter Thiel gestaltet. Thiel hält nichts von Demokratie. Er sagt, er fände sie mit Freiheit „unvereinbar“. Die Freiheit, die er damit meint, ist die des Tiers, das in der Nahrungskette ganz oben steht. Wettbewerb sei etwas für „Loser“ sagt Thiel, der seinen Schützlingen rät, um jeden Preis ein Monopol zu erobern.
Thiel war erster echter Investor und wichtigster Lehrmeister von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Der hat von Thiel die Ideologie gelernt, dass „Unternehmen über Staaten“ stehen. Dass Zuckerberg in den Anfangsjahren von Facebook wöchentliche Meetings mit dem Schlachtruf „Dominance!“ beendete, wirkt kindisch, ist aber Ausdruck jener Unternehmensstrategie, die er von Thiel gelernt hat. Der Investor wurde von der Dominanz-Philosophie, die im Silicon Valley seit zwei Jahrzenten verstärkt um sich greift, ebenso geprägt, wie er sie beförderte.
Karriere nach der Thiel-Blaupause
Und Kurz? Der bewundert Thiel seit Jahren. Seine Machtübernahme in Österreich folgte dem Muster, das Thiel predigt: Dominanz gewinnen, die Konkurrenz ausschalten, keinen Wettbewerb zulassen. Wir erinnern uns, dass sich Kurz von der ÖVP freie Hand versichern ließ, alles in der Partei alleine zu bestimmen, dass er die politische Konkurrenz durch illegale Wahlkampftricks und Verstöße gegen Wahlgesetze an die Wand drückte. Wie man datengetriebene Wahlkämpfe führt, haben Kurz‘ Leute in den USA (bei den Democrats) gelernt.
Kurz‘ Verhältnis zur Demokratie erinnert frappierend an die Thiels. Kanzlerberaterin Antonella Mei-Pochtler schwor die Bevölkerung nicht umsonst auf „Maßnahmen am Rand des demokratischen Modells“ ein. Mei-Pochtler und ein großer Teil des Umfelds von Kurz kamen aus der Beraterbranche, die seit der Jahrtausendwende Unternehmensideologien und Geschäftspraktiken wie jene Thiels predigt.
Cybersecurity für Europas Regierungen
Dass der bekennende Antidemokrat und Monarchie-Fan Thiel zu den wichtigsten Unterstützern Donald Trumps zählt, verwundert kaum. Und da kommt die Nähe des Sebastian Kurz zu Trumps früherem Botschafter Trevor Traina ins Spiel. Der ist bei einem Internet-Security-Unternehmen aus dem Umfeld von Wirecard Aufsichtsrat: Es geht um die Cyan AG von Kurz-Großspender Alexander Schütz. Der inhaftierter Ex-Wirecard-Chef Markus Braun zählt zu den wichtigsten Unterstützern von Kurz‘ Griff nach der Macht. Cyan ist für Cybersecurity im österreichischen Außenministerium zuständig.
Wer bewacht die Bewacher?
Ein weiteres Cybersecurity-Unternehmen aus dem Wirecard-Dunstkreis, zu dem Kurz Verbindungen hat, ist Virtual Solution des Deutschen Nicolaus von Rintelen. Virtual Solution sichert die sensible Kommunuikation deutscher Ministerin. Über Vermittlung des damaligen ÖVP-Generalsektretärs im Außenministerium, Johannes Peterlik, dem Ex-Spionagechef im BVT, Martin W. und dem flüchtigen Wirecard-Manager Jan Marsalek sollte die Firma auch für Österreichs Regierung tätig werden.
Die deutsche Regierung geht nach gemeinsamen Recherchen von ZackZack, Spiegel und Standard widerwillig und auf Druck der Opposition auf Distanz zu den genannten Unternehmen, anders als die österreichische. Trotz parlamentarischer Anfragen hält das Außenministerium an Cybersecurity aus dem Wirecard-Umfeld fest. Angesichts der Tatsache, dass Peter Thiels Geschäftsmodell auf dem Handel mit geheimen Daten aufbaut, muss man feststellen: Kurz passt zu Thiels Unternehmen ebenso wie zu seinen politischen Überzeugungen – wie die Faust aufs Aug.
Titelbild: APA Picturedesk