Samstag, Juli 27, 2024

BMI-Chats 3: »Fremdenrechtliche Knaller«

BMI-Chats 2:

Wie die Kurz-ÖVP das Innenministerium für Propaganda missbrauchte: 2016 startet die Kurz-Gruppe die Aktion „Knaller“. Innenminister Sobotka spannt das BMI für Parteizwecke ein. Kurz-Stratege Stefan Steiner führt Regie.

Wien, 20. Jänner 2022 | Mitten am Nachmittag des 19. September 2016 bekommt Michael Kloibmüller eine Frage aus der türkisen Kommandozentrale im Außenministerium: Lieber Michael, wie schaut es eigentlich mit der Schwerpunktaktion gegen doppelte Staatsbürgerschaften von Türken am Flughafen aus? War das erfolgreich?

Der Absender ist Stefan Steiner. Im September 2016 bereitet er gemeinsam mit Gernot Blümel, Bernhard Bonelli und Gerald Fleischmann mit dem Projekt „Ballhausplatz“ die Machtübernahme durch Sebastian Kurz vor. Steiner ist der strategische Kopf der Gruppe.

Immer an der Seite von Sebastian Kurz: Chefberater Stefan Steiner. Bild: APA Picturedesk

Sebastian Kurz ist Außenminister, Steiner Sektionschef, also Beamter der Republik – offiziell arbeitet er nicht für die ÖVP. Im nächsten Jahr wird Kurz Chef der ÖVP und Bundeskanzler. Jetzt startet Steiner für seinen Chef die Aktion „Knaller“. Das Innenministerium soll als Geschütz für die türkise Propaganda in Stellung gebracht werden.

„Versteckte Verschärfung, die ganz vernünftig rüberkommt“

Kloibmüller braucht für seine Antwort auf die Fragen nach den Türken am Flughafen nur wenige Minuten: Muss i nachfragen. Eine Minute später macht Steiner Sobotkas Kabinettschef klar, worum es geht: Wäre super, danke! Ich glaub wir müssen wieder paar fremdenrechtliche Knaller vorbereiten :-)) Kloibmüller steht mit dem Innenministerium bereit: Kommen am Do! !! ?

Während Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner noch versucht, die Koalition mit Bundeskanzler Christian Kern und seiner SPÖ wiederzubeleben, hat das Innenministerium unter Wolfgang Sobotka längst begonnen, den Weg für Sebastian Kurz freizuschießen.

Kloibmüller hat die fremdenrechtlichen Knaller des Innenministeriums für den kommenden Donnerstag angekündigt. Eine Viertelstunde später will Steiner wissen: Was kommt da genau?  Die Antwort des Kabinettschefs kommt sofort: Verschärfung für straffällig Asyl Werber leichtere Anerkennungen hafttatbestände für illegale leichtere u Haft etc. Es sollen also Menschen aus parteitaktischem Kalkül ins Gefängnis gesteckt werden.

Die BMI-Beamten beginnen mit der Produktion der Asyl-Munition. Aber Steiner hat gemeinsam mit seinem HBM (Herrn Bundesminister) Kurz noch mehr Ideen entwickelt. Am 5. Oktober wendet er sich neben Kloibmüller auch an Kathi Nehammer, die Spezialistin für wichtige Projekte im Sobotka-Kabinett. Die Frau des späteren Bundeskanzlers soll bei der Herstellung der „Knaller“ helfen. Liebe Kathi, lieber Michael! Eine Idee zu den 2,5 € Jobs, die wir alle (inclusive HBM) gut finden und vielleicht auch für euch hilfreich ist: Auszahlung des Verdienstes bei der gemeinnützigen Arbeit erst bei rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens dh ist er positiv, hat er einen Startbonus in Österreich, ist er negativ kann er sich mit dem Geld Zuhause was aufbauen. Wäre eine versteckte Verschärfung, die aber ganz vernünftig rüber kommt… LG Stefan

Kloibmüller bestätigt, dass der Wunsch nach „versteckter Verschärfung“ angekommen ist: Klingt super!!! Nehmen wir mit. LG m.

„Nur Kurz und Mikl wussten es schon immer…“

Steiners Steuerung des Innenministeriums beginnt lange vor Herbst 2016. Im Februar 2016 heißt Kloibmüllers Chefin im BMI noch Johanna Mikl-Leitner. Am 9. Februar kommt die Anregung von Kurz-Sektionschef Steiner aus dem Außenministerium: Als övp sollten wir jetzt schon streuen: auf faymann hinhauen, dass er voll auf övp Kurs eingeschwenkt ist (will mehr zäune bauen, vor 2 Monaten war das noch ganz böse und ein Türl mit Seitenteilen) und er spricht schon von “Obergrenze.” Jetzt ist es nur noch Frage von Wochen, dass auch häupl einknickt… Nur Kurz und mikl wussten es schon immer…

Kabinettschef Kloibmüller macht mit: Seh ich genauso hanni h unseren Presseleuten auch mitgegeben. Die Innenministerin ist auf Kurz-Kurs. Aber Steiner traut Faymann alles zu: Beim faymann müssen wir echt aufpassen: in 14 Tagen sind die Zäune seine Idee… Kloibmüller teilt die Befürchtung: Genau.

Minister kamen und gingen – Kabinettschef Michael Kloibmüller blieb der starke Mann im Innenministerium. Bild/APA Picturedesk.

Im Februar 2016 geht es noch gegen die SPÖ. Im Herbst hat Sobotkas Innenministerium schon die gesamte Regierungsspitze im Visier. Als Demolator wird er in den nächsten Wochen eine Schlüsselrolle für Sebastian Kurz übernehmen. Im „Standard“-Interview bezeichnete Ex-Bundeskanzler Christian Kern Sobotka als „Abrissbirne der Regierungszusammenarbeit.“  Ein „Knaller“ nach dem anderen wird die Koalition ruinieren. Dann ist der „Neue Weg“ frei.

Im Juni 2017 verlässt Stefan Steiner das Außenministerium und kümmert sich als ÖVP-Generalsekretär vor Karl Nehammer um den Wahlkampf von Sebastian Kurz. Den begleitet er dann als persönlicher Berater ins Kanzleramt. Wer sein Honorar von monatlich 33.000 bezahlt, will Steiner nicht einmal dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss verraten. Nach Kurz‘ politischem Abschied wechselt Steiner zur ÖVP.

Stefan Steiner antwortet auf die Frage, warum er als Beamter Parteipolitik betrieb: “Jeder öffentlich Bedienstete hat das verfassungsrechtlich verbriefte Recht auf eine eigene politische Meinung und darf darüber hinaus auch sein Handy privat verwenden.” Für ihn sei immer klar gewesen, “dass sich die falschen Ereignisse in der Flüchtlingspolitik aus dem Jahr 2015 nicht mehr wiederholen dürfen.” Am Ende sei es in Österreich “zum Glück auch gelungen, die anfangs geschmähte Linie zum politischen Konsens zu machen.”

Von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner kam keine Stellungnahme.

Michael Kloibmüller verweist auf seine jüngste Anfragebeantwortung zum ersten Teil der BMI-Chats. Da betonte er, dass er Opfer von Straftaten sei, die zur Auswertung seines Mobiltelefons geführt hätten. Im Übrigen lägen die Ereignisse so lange zurück, dass er sich nicht mehr an die Vorgänge erinnern könne.

(pp/tw/wb)

Update: Die Stellungnahme von Stefan Steiner wurde um 17:26 ergänzt.

Titelbild: APA Picturedesk, Grafik: ZackZack

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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