Samstag, September 14, 2024

Sideletter: ÖBAG-Vereinbarung bringt Kurz unter Druck

Im Oktober 2020 hatte ZackZack über den Kurz-Strache-Pakt berichtet. Jetzt wurde das Geheimpapier dazu veröffentlicht. Die Ermittlungen gegen Kurz wegen mutmaßlicher Falschaussage könnten dadurch neue Dynamik entfachen:

Wien, 29. Jänner 2022 | Bislang gab es Chats und Aussagen, ZackZack hatte im Oktober 2020 exklusiv über den Kurz-Strache-Pakt berichtet. Jetzt wurde der Sideletter zu den Nebenvereinbarungen von Türkis-Blau von „Profil“ und „ORF“ enthüllt. Im Zuge der Recherche sei den beteiligten Medien zudem eine Vereinbarung der aktuellen Bundesregierung aus ÖVP und Grünen zugespielt worden. Diese soll dem türkis-blauen Papier verdächtig ähneln – „ganz so, als hätte die ÖVP eine Druckvorlage aus dem Archiv geholt“, heißt es im „Profil“.

Kurz und die ÖBAG-Vereinbarung

Für die laufenden Ermittlungen sind aber vor allem die Vereinbarungen aus der Regierung Kurz I von Bedeutung. An offiziellen Verlautbarungen vorbei, hatten sich ÖVP und FPÖ die Republik demnach strikt untereinander aufgeteilt. Das kam heraus, weil Ex-FPÖ-Klubdirektor Norbert Nemeth mehrere bislang geheime Dokumente im Rahmen seiner WKStA-Einvernahme vorlegte. Von ORF, EU-Posten und Justiz bis zum Tafelsilber der Republik, der ÖBAG, wurde offenbar kleinteilig festgelegt, wer welchen Posten besetzen soll. Der Punkt 11 „Beteiligungen“ ist für Ex-Kanzler Sebastian Kurz besonders heikel.

Gegen ihn wird wegen Falschaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss ermittelt. Laut Ermittler soll Kurz rund um die Besetzung des ÖBAG-Aufsichtsrats und zur Bestellung von Thomas Schmid als ÖBAG-Alleinvorstand unwahre Angabe gemacht haben. Kurz hatte das stets bestritten – es gilt die Unschuldsvermutung. Er sei von Abgeordneten unter Druck gesetzt und in wahrheitswidrige Aussagen gedrängt worden. Für die Öffentlichkeit war das schwer zu beurteilen – bis ZackZack im August U-Ausschuss-Tapes mit der Befragung von Kurz veröffentlichte.

Im von Kurz unterschriebenen Sideletter steht nun unter Punkt 11b (Unternehmensbeteiligungen): „Der Vorstand der Beteiligungsgesellschaft wird durch die ÖVP nominiert. Der Aufsichtsrat der Beteiligungsgesellschaft wird durch die ÖVP nominiert. Die FPÖ erhält eine Person bis zu 1/3 der Aufsichtsratsmandate in den Unternehmensbeteiligungen.“ Damit liegt ein deutlicher Widerspruch zum Aktiengesetz vor, wonach nur der ÖBAG-Aufsichtsrat den Vorstand (damals Schmid) nominiert. Die ÖBAG ist deshalb von Bedeutung, weil sie die Anteile der Republik an großen Konzernen wie OMV, Post oder Telekom verwaltet.

Reaktionen aus der Politik

Vertreter von ÖVP und Grünen bemühen sich unterdessen, die kolportierten Nebenabsprachen der aktuellen Regierung herunterzuspielen. Es sei normal, Vereinbarungen zu treffen. Während Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) die angebliche „Effizienz“ der Regierungsarbeit durch derartige Absprachen hervorhebt, hat Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) eine durchaus kreative Antwort parat: man habe nicht gewollt, dass die ÖVP „alle Positionen besetzt“. Es gehe „ja auch um Kontrolle im Sinne des öffentlichen Eigentümers. Da kann und soll nicht einer alles in der Hand haben“, so Kogler.

Aus der Opposition kommt deftige Kritik. SPÖ-Geschäftsführer Christian Deutsch sieht einmal mehr das Selbstverständnis des türkisen Systems, „die geliehene Macht ausschließlich für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen“. NEOS-General Douglas Hoyos ortet „zutiefst ungustiöses Machtdenken“ und „Postenschacher in Reinkultur“. Die FPÖ hält sich bislang bedeckt. Ex-Parteichef Norbert Hofer hatte den türkis-blauen Sideletter-Bericht von ZackZack allerdings im U-Ausschuss bestätigt. Bis gestern wusste aber kaum jemand, was im Papier genau steht.

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

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