Samstag, Juli 27, 2024

BMI-Chats 7: »Stopp den Vorgang, bis ich Klarheit habe!«

Sobotkas BMI-Chats jetzt bei WKStA

Dutzende BMI-Chats legen nahe, dass Wolfgang Sobotka das Innenministerium zu einer Filiale der ÖVP-Parteibuchwirtschaft gemacht hat. ZackZack berichtet aus der “Zentrale der Interventionen”. Peter Pilz hat die BMI-Chats heute der WKStA übergeben.

Wien, 8. Februar 2022 | ZackZack-Herausgeber Peter Pilz hat heute Mittag die vollständigen BMI-Chats den zuständigen Staatsanwälten in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) übergeben. Tausende Chats aus dem Handy von Kabinettschef Michael Kloibmüller hat ZackZack ausgewertet. Allein der Chatverlauf zwischen Kloibmüller und seiner damaligen Mitarbeiterin Katharina Nehammer – der Frau des jetzigen Bundeskanzlers – umfasst hunderte Nachrichten.

In den BMI-Chats gibt es mehrere Anknüpfungspunkte, die die Zuständigkeit der WKStA begründen. Einen davon hat ZackZack bereits veröffentlicht: den Missbrauch des Innenministeriums für Propagandazwecke durch Stefan Steiner, den Strategen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (s. BMI-Chats 3). Jetzt kommt der nächste Punkt dazu: die Parteibuch-Interventionen von Wolfgang Sobotka. Aber anders als in der „Causa Wöginger“, war Sobotka als Innenminister der Mann an der Spitze der Entscheidungen, die offensichtlich zur Bevorzugung von Parteigängern der ÖVP in Innenministerium, Polizei und Verfassungsschutz führten.

„In der FCG recht fleißig“

Am 31. Mai 2016 schreibt Innenminister Sobotka kurz nach Mitternacht eine Signal-Mitteilung an seinen Kabinettschef Michael Kloibmüller: Wurde gebeten ein gutes Wort für ihn einzulegen. Da er in der FCG recht fleißig ist mach ich das gerne. Günther F., Bewerbung als Stellvertreter des Kommandanten der PI (Polizeiinspektion) Wieselburg. Der Intervention liegen Dienstnummer und Personalnummer bei.

(Faksimile ZackZack)

Besonderer Fleiß in der FCG, der Fraktion christlicher Gewerkschafter, wird augenscheinlich belohnt. Um 8.57 Uhr meldet Kloibmüller seinem Minister den Vollzug: Vorschlag wird auf F. kommen und von Luef ok gegeben. Frist gerade aus.  Bestellung 1.7. möglich. LG m. Hannes Luef ist Landesvorsitzender der FCG-KdEÖ – der schwarzen „Kameradschaft der Exekutive“ – in Niederösterreich. Sein „Ok“ gibt er für den Fachausschuss, durch den der Vorschlag muss.

Am 31. Mai 2016 ist die Bestellung noch „möglich“. Nach der Sobotka-Intervention ist sie fix. F. bekommt den Posten. Zwei Jahre später wird der fleißige „Parteipolizist“ Kommandant. „Günther F., seit zwei Jahren bereits stellvertretender Kommandant in Wieselburg, hat sich im Bewerbungsverfahren durchgesetzt“, melden die NÖN am 5. September 2018.

So einfach scheint das im Regelfall zu gehen: Die Partei wünscht, der Minister befiehlt, der Kabinettschef exekutiert. Kloibmüller selbst lässt zwar auf Nachfrage ausrichten, dass er nichts zu den Chats sagen könne, sagt aber dann doch etwas: „Grundsätzlich möchte ich festhalten, dass mir ‚meine‘ Ministerinnen und Minister niemals eine Weisung erteilt haben, sondern immer nur Anliegen und Wünsche zur Prüfung mitgegeben haben, die nach Überprüfung durch die zuständigen Stellen umgesetzt oder eben nicht umgesetzt werden konnten.“

„Schwarze ins Leo“

Manchmal muss sich der Minister ärgern. Am 6. November 2016 sieht alles noch nach einer „normalen“ Intervention aus. Lieber Wolfgang! Einmal wende ich mich nochmals mit einer Bitte an dich. Am 8.8.2016 hatte ich dich wegen Versetzungsbitte von Philipp H. von PI Mödling nach Waidhofen ersucht, dein Büroleiter hat sofort reagiert so die Mitteilung der LPI und zwar wenn Inspektor A. nach Amstetten kommt, kommt H. nach Waidhofen. Ein SPÖ-Beamter steht im Weg: A. ist in Amstetten und H. kommt nicht nach Waidhofen weil ihn der rote Bezirkskommandant von Mödling nicht nach Waidhofen lässt, so die Aussage von der LPI Luif. Bitte um deine letztmalige Unterstützung in dieser Angelegenheit. GLG IGNAZ.

Sobotka gibt die Bitte von Parteifreund „Ignaz“ gleich an seinen Kabinettschef weiter: Sei so gut und schau dir die Sache nochmals an und gib mir eine Info, GglG Wolfgang.

Fünf Tage später scheint Ignaz schwer verärgert: Lieber Wolfgang! Ich bin voll sauer! S. vom LPI hat H. angerufen, nach St Peter oder Valentin kann er versetzt werden aber nicht nach WY entgegen aller Vereinbarungen. Trotz aller Ersuchen bekomme ich für einen ÖVPLER keine Unterstützung, auch von dir nicht ich hätte mir wenigstens von dir eine Nachricht erwartet warum es nicht möglich ist.

Sobotka, der die Nachricht weiterleitet, gibt seinem Kabinettschef einen klaren Auftrag: Ich brauch da eine Nachricht, vor allem bevor sie draußen ist, und vor allem Sachverhalt, Roten zu versprechen und Schwarze ins Leo laufen lassen ist nicht gerade so akzeptierbar, Stopp den Vorgang bis ich Klarheit habe, GglG Wolfgang.

(Faksimile ZackZack)

Mit „Ok“ signalisiert Kloibmüller, dass der „Vorgang“ gestoppt wird. In „WY“, Sobotkas Heimatstadt Waidhofen an der Ybbs, läuft kein Schwarzer „ins Leo“. Was das genau heißt, wollte Sobotka auf Nachfrage nicht beantworten.

ZackZack liegen mit den BMI-Chats mehr als dreißig politisch motivierte Interventionen vor. Rund um die Uhr verlangen ÖVP-Funktionäre, Christgewerkschafter und schwarze Exekutiv-Kameraden Belohnungen für ihre Parteitreue. Sie wissen, dass sie auf den niederösterreichischen ÖAAB-Mann Sobotka und seinen Kabinettschef bauen können.

Liste: “Interventionen”

Im Herbst 2016 befürchtet der Innenminister, den Interventions-Überblick zu verlieren und legt eine Liste mit der Bezeichnung “Interventionen” an – auch der “Standard” berichtete. Am 8. September 2016 wendet sich Kabinettsmitarbeiterin Eva G. besorgt an ihren Kabinettschef: Du, nur eine Frage… Ist es (=> Aktenvorlage) gescheit, wenn bei uns am KBM-Server unter ‚HBM Sobotka“‘ eine Liste liegt, die Interventionen heißt und noch dazu alle Interventionen mit Stand anführt…? Ich weiß, er will das – nur… LG Eva. Die erfahrene Kabinettsmitarbeiterin, die später für Gernot Blümel arbeiten wird, weiß, dass ein zentraler Interventionsakt auf dem Server des KBM, des Kabinetts des Ministers, das „Giftl“ ist, auf das Abgeordnete in Untersuchungsausschüssen warten.

Kloibmüller erkennt die Gefahr, die durch die offenkundige Interventions-Ordnungsliebe seines Ministers droht, sofort: Na ist es net da muss i reden. Damit nimmt die ÖVP weiter in Kauf, dass es Interventions-Unordnung in Innenministerium und Polizei gibt.

Ab heute wird an Stelle Sobotkas die WKStA versuchen, Ordnung in die Parteibuch-Affäre im Innenministerium zu bringen.

(pp/wb)

Lesen Sie die bisherigen BMI-Chats:

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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