Samstag, Juli 27, 2024

Gräber von NS-Opfern unter Kindergarten vermutet

Ein Knochen-Spürhund erschnupperte mehrere Gräber auch unter einem Kindergarten am Areal des ehemaligen NS-Lagers Liebenau in Graz.  

Graz, 12. Februar 2022 |  Das Lager Graz-Liebenau hatte in der Zeit des Nationalsozialismus bis zu 5.000 Insassen. Im Süden von Graz, wo sich damals ein Lagerkomplex mit 190 Baracken für verschleppte Zwangsarbeiter befand, entstanden in der Nachkriegszeit rasch Wohnhäuser und Schrebergärten, später dann auch ein Kindergarten.

Der Grazer Allgemeinmediziner und Psychotherapeut Rainer Possert, der 2011 die Gedenkinitiative Graz Liebenau gründete, versucht seit Jahren Licht in die dunkle Geschichte zu bringen. Er fürchtet, dass auf dem Areal noch viel mehr Menschen ermordet und verscharrt wurden als bisher angenommen. Deshalb ließ man im Jänner einen Knochen-Spürhund nach möglichen Gräbern suchen. Bereits im Sommer 2021 hatte der Hund dort im Auftrag der Gedenkinitiative nach ersten Spuren gesucht. Am Samstag wurden dann die Ergebnisse präsentiert: An sieben Stellen soll der Vierbeiner bereits Geruchsspuren erschnuppert haben, auch unter dem Kindergartenareal.

Schon bei Kindergartenbau Opfer gefunden

Der deutsche “Knochenjäger” Dietmar-H. Kroepel wird mit seinem Rettungshund “Flintstone” im Nachbarland erfolgreich bei archäologischen Grabungen und “Cold Case”-Fällen eingesetzt. Flintstone ist in der Lage, tiefliegende Knochen, die schon seit Jahren verschüttet sind, zu erschnüffeln, weil er die Ausscheidungen der Bakterien an menschlichen Knochen riechen kann, schilderte Kroepel, ein studierter Archäologe, der APA.

Die Stellen würden sich zum Teil mit Luftbildgutachten der Gedenkinitiative decken, schilderte Rainer Possert im Gespräch mit der APA. So wurde etwa auch das Areal des städtischen Kindergartens in der Andersengasse wiederholt vom Hund abgeschnüffelt: Als dort 1991 die Errichtung des Gebäudes anstand, wurden in dem Bereich die sterblichen Überreste zweier Todesopfer gefunden.

Kindergarten statt Ruhestätte

“Eigentlich hätte man den Auffundort schon damals als immerwährende Ruhestätte deklarieren können und nicht eine öffentliche Einrichtung darauf bauen sollen. Wie war das damals möglich?”, fragt sich Possert heute. “Wie man mit den jüngsten Erkenntnissen umgeht, darüber muss sich die Stadt Gedanken machen. Verschweigen halte ich jedenfalls nicht für die beste Lösung”, sagte Possert. Er sprach sich für weitere Begehungen aus, um eine lückenlose Dokumentation der Position menschlicher Knochen zu erhalten: “Das Areal ist noch bei weitem nicht fertig untersucht. Da gibt es noch viel zu tun.” Ende Februar seien Gespräche mit der Stadt vorgesehen.

Zuletzt wurden im Jänner 2021 bei einer Sondierungsgrabung für ein Bauprojekt in der Nähe des Kindergartens menschliche Knochenteile gefunden. Darunter ein menschlicher Schädelknochen, der ein Einschussloch von rund sieben Millimeter Durchmesser aufwies. Die Stadt Graz und ihre Kooperationspartner in Bund und Land Steiermark lassen diesen Knochenfund nun weiter untersuchen.

(sm/apa)

Titelbild: APA/Rainer Possert

Autor

  • Stefanie Marek

    Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.

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