Donnerstag, April 25, 2024

Statistische Verzerrung: Gender-Pay-Gap nur scheinbar geschrumpft

Statistische Verzerrung durch Corona

Der Gender-Pay-Gap ist während der Pandemie geschrumpft, aber nur scheinbar. Denn Frauen sind stärker von der Wirtschaftskrise betroffen, als Lohnstatistiken abbilden – unter anderem, weil sie zu Hause noch mehr unbezahlte Arbeit leisten mussten.

Wien, 14. Februar 2022 | Der frühjährliche Equal Pay Day fällt heuer schon auf den 15. Februar und liegt damit neun Tage vor jenem im Jahr 2021. Nach den Lohnsteuerdaten von 2020, der Grundlage für die Errechnung des diesjährigen Termins, arbeiten Frauen demnach nur mehr 46 Tage gratis. Frauen verdienen demnach 12,7 Prozent weniger als Männer.

Der Österreichische Frauenring (ÖFR), die Arbeiterkammer (AK) und das Netzwerk Business and Professional Women (BPW) haben in einer gemeinsamen Pressekonferenz heute darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei der scheinbaren Verbesserung der Lohnsituation von Frauen um eine statistische Verzerrung handelt, bedingt durch die Corona-Pandemie.

Wirtschaftskrise führt zu statistischer Verzerrung

Basis für die Errechnung des Equal Pay Days sind die Lohnsteuerdaten aller in Österreich, die ganzjährig und Vollzeit beschäftigt sind. Durch die Coronapandemie sind 2020 130.000 Lohnsteuerpflichtige aus der Statistik der Vollzeitbeschäftigten gefallen, resümiert Katharina Mader, Ökonomin der AK in der Abteilung Frauen/Familie. Wobei der Beschäftigungsrückgang bei Frauen 2,11 Prozent betrug, bei Männern 0,9 Prozent.

Dass der Gender-Pay-Gap in einer Wirtschaftskrise statistisch zurückgeht, ist kein neues Phänomen: „Das haben wir nach der letzten Krise 2007/2008 auch gesehen“, sagt Mader. Das sei aber vor allem auf die strukturellen Veränderungen am Arbeitsmarkt durch die Krise zurückzuführen, nicht darauf, dass die Ungleichheit abgenommen habe.

Altes Phänomen in neuer Ausprägung

Und doch hat die Corona-bedingte Wirtschaftskrise eine Eigenheit: Besonders jene Frauen, die mit niedriger Qualifizierung in schlecht bezahlten Jobs arbeiteten, sind aus der Lohnstatistik rausgefallen. Als Beispiel nennt Mader die Gastronomie. Gutausgebildete Frauen in gut bezahlten Jobs seien in der Statistik noch vertreten. Auf der anderen Seite sind Überstundenentgelte aufgrund der Kurzarbeit weggefallen, die traditionell das Durchschnittsgehalt von Männern heben. Auch sind aufgrund der Krise die Löhne nicht so stark gestiegen wie sonst.

Dadurch ist der Gender-Pay-Gap rein statistisch noch stärker geschrumpft als in anderen Wirtschaftskrisen. Aber auch mit dieser statistischen Verzerrung liegt der Gender-Pay-Gap in einem zweistelligen Bereich. „Ich denke, dass das ein Aufruf zum Tun ist“, so Mader.

Frauen unsichtbarer geworden

Durch die Lockdowns sind Frauen und ihr umfassender Beitrag zur Gesellschaft noch unsichtbarer geworden. Die unbezahlte Care-Arbeit zu Hause, also Kinderbetreuung und Hausarbeit, hat zugenommen. Gründe dafür sind unter anderem die Kindergarten- und Schulschließungen, andererseits, dass Verwandte als Unterstützung wegfielen, etwa Großeltern die zur Corona-Risikogruppe gehören.

Frauen haben damit tatsächlich noch mehr unbezahlte Arbeit gemacht, als unter „normalen“ Umständen. „Die Situation von Frauen (während der Pandemie Anm.) war in der Politik leider Gottes kein Schwerpunkt“, kritisiert Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenringes. Österreich sei ein Land der Traditionen, in dem Männer nach wie vor als Brotverdiener, Frauen als Zuverdienerinnen gälten, kritisiert Frieben. „Man muss in diesem Land verstehen, dass es auch Männer gibt, die Väter sein wollen“, sagt sie.

Kinderbetreuung und Gehaltstransparenz entscheidende Hebel

Für Klaudia Frieben, die Vorsitzende des Österreichischen Frauenringes, ist eine „ganztägige Kinderbetreuung der Schlüssel zur existenzsichernden Berufstätigkeit von Frauen.“ Besonders im ländlichen Bereich fehle die entsprechende Infrastruktur, die Beruf und Familie für Frauen leichter vereinbar machen könne. Das ist einer der Gründe dafür, dass der Gender-Pay-Gap in Wien am geringsten ist. Schlusslichter sind Oberösterreich und Vorarlberg.

Die Hebel, mit der die Ungleichheit bekämpft werden kann – Kinderbetreuung, Gehältertransparenz, Väterkarenz –, seien seit 30 Jahren bekannt, so Mader. Ihre Umsetzung sei eine politische Aufgabe.

Der Österreichische Frauenring fordert ein Lohntransparenzgesetz und dass Lohndiskriminierung bestraft wird. Auf EU-Ebene wird ein solches Gesetz aktuell diskutiert, allerdings schätzt Frieben die Erfolgschancen nicht hoch ein. Viele Unternehmen hätten Einwände, so die ÖFR-Vorsitzende.

Equal Pay Day ist zwei Mal im Jahr

Seit 2009 bildet der Equal Pay Day jährlich ab, wie viele Tage im Jahr Frauen im Gegensatz zu Männern gratis arbeiten. In den Schlagzeilen ist das Thema aber zwei Mal im Jahr, und zwar einmal im Frühjahr und einmal im Herbst. Den Frühjahrs-Termin errechnet das BPW anhand des Median-Bruttojahreseinkommen der ganzjährig Vollzeitbeschäftigten, ausgehend vom Jahresanfang.

Den Herbst-Termin errechnen AK und der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGK) anhand der Durchschnittseinkommen derselben Gruppe, orientiert am Jahresende. Er gibt an, ab wann Frauen gratis arbeiten. Katharina Mader findet es sehr sinnvoll, dass das Thema zwei Mal jährlich diskutiert wird: „Ich glaube, dass es gerade in Zeiten wie diesen wichtig ist, auf das Problem hinzuweisen.“

Die Reichsten sind noch reicher geworden

Wie auch 2021 fiel der sogenannte Fat Cat Day auf den 9. Jänner. Das ist jener Tag, an dem die Vorstandsvorsitzenden der 20 österreichischen börsennotierten Unternehmen bereits so viel verdient haben, wie durchschnittliche österreichische Beschäftigte in einem ganzen Jahr.

Bereits in den vergangenen Monaten hat sich gezeigt, dass Reiche in der Pandemie ihr Vermögen zusätzlich vergrößern konnten. Besonders die weltweit zehn reichsten Menschen haben von der Pandemie profitiert, unter anderem durch staatliche Krisenzahlungen. Alle von ihnen sind Männer. Auch Österreichs Reichste der Reichen haben zugelegt. Unter den Top Ten liegen neun Männer und Heidi Horten.

(pma)

Titelbild: APA Picturedesk

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2 Kommentare

  1. Im Oktober gab’s den Equal-Pay-Day, mit der Aussage, ab heute arbeiten die Frauen “gratis”.

    Diese Woche gibt’s den Equal-Pay-Day, und es heißt, die Frauen haben seit Jahresbeginn “unbezahlt” gearbeitet.

    So viele Equal-Pay-Days – das sieht mehr nach PR aus, als nach echtem Anliegen.

  2. “Auf der anderen Seite sind Überstundenentgelte aufgrund der Kurzarbeit weggefallen, die traditionell das Durchschnittsgehalt von Männern heben.”

    Also wenn Überstundenentgelte den Equal Pay Day verschieben stimmt die Statistik nicht, dann wird nicht gleiche Arbeit verglichen sondern Arbeit mit Überstunden und Arbeit ohne Überstunden und die naturgemäß unterschiedliche Entlohnung dazu. Damit ist der Vergleich nicht gleiche Arbeit für gleiche Entlohnung und damit falsch.

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