Von den Strasser-Mails zu den BMI-Chats:
Zwischen den Strasser-E-Mails und den BMI-Chats liegen 15 Jahre Vertuschung. Damit ist es jetzt vorbei. Die WKStA ermittelt, der ÖVP-Untersuchungsausschuss startet, ZackZack bringt die nächsten Chats und die ÖVP-Presse zündet ihre letzten Nebelgranaten.
Wien, 20.2.2022 Fast zwei Jahrzehnte lang war die Familie in Sicherheit. Ein dicht geknüpftes Netzwerk in Strafjustiz, Kriminalpolizei und Verfassungsschutz garantierte, dass niemandem, der unter ihrem Schutz stand, etwas passieren konnte.
Mit Justizminister Wolfgang Brandstetter und Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek achteten zwei hochrangige Juristen auf „Rechtssicherheit“, die Sicherheit vor dem Recht. Mit Kabinettschef Michael Kloibmüller und Bundeskriminalamts-Direktor und SOKO-Ibiza-Chef Andreas Holzer kümmerten sich zwei Spezialisten für öffentliche Sicherheit um sichere Verhältnisse.
Jetzt kämpft die Familie ums Überleben. Die Chats am Schmid-Handy haben sie erschüttert und ihrem jungen Führer den politischen Kopf gekostet. Die BMI-Chats geben ihr jetzt den gebotenen Rest.
Parteibuch: von der Wirtschaft zur Diktatur
Die BMI-Chats sind keine Überraschung. Im April 2009 habe ich als Abgeordneter hunderte E-Mails vom Computer des ÖVP-Innenminister Ernst Strasser veröffentlicht. Mit den Strasser-Mails war klar, dass die ÖVP ein illegales System organisierter Parteibuchwirtschaft im Innenministerium errichtet hatte.
Am 27. Juli 2002 schreibt Michael Kloibmüller seinem Innenminister Ernst Strasser:
„Mit 1. August werden 47 Beamte in NÖ ausgemustert; die Gendarmerieposten werden von mir unseren neuen schwarzen Offizieren im Landesgendarmeriekommando festgelegt; Unterteilung: was kann Partei liefern was kann BMI liefern“.
Die Strasser-Mails wurden öffentlich, weil sich der Minister nicht unter Kontrolle hatte. Als einmal ein Laptop dem Ministerzorn zum Opfer fällt, baut ein Mitarbeiter die nutzlos gewordene Festplatte aus. Die Daten landen bei mir. Die ÖVP-Aufregung ist groß: „Datendiebstahl, kriminell!“
15 Jahre später heißt Kloibmüllers Innenminister Wolfgang Sobotka. Die ÖVP-Parteibuchwirtschaft hat sich zur Parteibuchdiktatur ausgewachsen. Spitzen der Strafjustiz sind Schmiere gestanden. Alles hat so gut funktioniert, dass ein neues Gefühl entstanden ist: Es kann uns nichts passieren.
Jetzt wiederholt sich die Geschichte. Drei kaputte Handys werden „entsorgt“. Die Daten landen wieder bei mir, und die Rufe wiederholen sich: „Datendiebstahl, kriminell!“. Heute mache ich das als Journalist, was ich 2009 als Abgeordneter getan habe: Ich werte die Daten aus, überprüfe ihre Richtigkeit, suche die Geschichte hinter den Chats und veröffentliche das Ergebnis der Recherche auf ZackZack. So funktionierte 2009 parlamentarische Kontrolle, und so funktioniert heute unabhängiger Journalismus.
Komplizen der ÖVP
Aber heute kommt zur Frage nach dem Inhalt der BMI-Chats eine zweite Frage hinzu: Wie war es möglich, dass ein längst aufgeflogenes illegales Parteibuch-System 15 Jahre weitermachen konnte? Die Antwort ist einfach: Vertuschung. 15 Jahre lang wurden Spuren verwischt, Täter als Minister geschützt und Whistleblower zu Tätern gemacht. 15 Jahre lang hat ein System aus ÖVP-Spitzen und ihren Komplizen in Justiz, Polizei und Medien alles abgedichtet.
Jetzt versucht es das System ein letztes Mal. Eine Kripo-Sondereinheit verfolgt statt der ÖVP-Täter die Beamten, die das System verraten haben. Zwei Staatsanwälte helfen ihr. Journalistinnen schreiben sich die Finger wund, um aus dem Fall „BMI-Chats“ einen Fall „Geheimnisverrat“ zu machen. Die zweite Vertuschung hat begonnen.
Aber es ist zu spät. Die BMI-Chats sind dort, wo sie hingehören: bei der WKStA. Und sie kommen dorthin, wo sie gebraucht werden: in den ÖVP-Untersuchungsausschuss.
Die neuen Chats erscheinen auf ZackZack. Demnächst.
Titelbild: APA Picturedesk