Skylla und Charybdis
Momentan ist alles Gecko für die Katz. Man will der Bevölkerung endlich die Freiheit schenken. Das Gegengeschenk könnte ein feines Experimentierkästchen werden.
Julya Rabinowich
Wien, 20. Februar 2022 | Gecko ist tot, lang lebe Gecko! Da kreißt das Expertenteam, und kreißt und gebiert Erkenntnisse und Empfehlungen. Sicherlich eine harte, fordernde Aufgabe, bei der Für und Wider, Kosten und Nutzen, Hinz und Kunz gegeneinander abgewogen werden. Allein die Entscheidungsfindung so vieler Stimmen ist schon eine Herausforderung. Eine Herausforderung, die Gecko offenbar immer wieder auch gemeistert hat.
Das Problem an der ganzen Sache ist nur eines der Sinnhaftigkeit dieses mühevollen Kreißens, Abwägens und Entscheidens. Momentan ist alles Gecko für die Katz. Wenn die zu beratende Regierung sich als beratungsresistent erweist, hat Gecko gekreißt, geboren und abgeliefert, und ist dennoch für unwichtig erachtet worden. Man will der Bevölkerung endlich die Freiheit schenken, quasi als verspätetes Valentinsgeschenk.
Das Gegengeschenk könnte ein feines Experimentierkästchen werden. Mit Mascherl an interessierte Virologinnen und Virologen. Die ab und an wegen der überbordenden Liebe mancher (von der Regierung liebevoll verharmloster) Bevölkerungsteilnehmer mal eben den Wohnsitz ändern müsse wie Dorothee von Laer, aber hey, was soll’s! Es gibt wichtigeres als diverse Vulnerable, bedrohte Ärzte und Ärztinnen und Long Covid Kids: Kanzler und Gesundheitsminister fiebern bereits dem angekündigten Frühlingserwachen entgegen. Ca. dreißig tausend Neuinfizierte pro Tag fiebern mit. Die neue Variante von Omikron ist zwar wesentlich ansteckender als die schon recht infizierfreudige Omikronvariante, dafür scheint sie andere Pathogenität aufzuweisen. Die nächste Entscheidung der Regierung muss also folgerichtig sein, alle Maßnahmen zu lockern!
Die Tests müssen auch weg. Was in den Bundesländern nie klappte, darf in der Hauptstadt nicht erfolgreich fortbestehen, weil wie sieht das denn aus, wenn ÖVP-geführte Bundesländer lausig gegen das rote Wien abschneiden. Eben. Folgerichtig auch, dass Daniel Kosak, seines Zeichens Sprecher des Kanzlers, sich über den roten Widerstand und die Beibehaltung der gratis Testmöglichkeit lustig macht, die ein gewisses Risikoabwägen ermöglicht. Ein Geheimnis bleibt, wie Kosak auf die Idee kommt, Impfengehen allein sei die beste Vorsorge. Man kann sich auch als dreifach geimpfte Person anstecken (tested it for you) und man kann auch das Virus weitergeben. Weniger intensiv als ungeimpft. Aber dennoch.
Dass die Regierung die Vulnerablen und deren Schattenfamilien mannigfaltigen Hilferufen zum Trotz seit Monaten im Stich lässt, ist hingegen leider kein Geheimnis. Wozu also hier die Häme zum Schaden kommen muss, ist allerdings wieder eines, das nur Daniel Kosak wird beantworten können. Warum die ausdrücklichen Gecko-Empfehlungen ad absurdum geführt werden, wird hingegen niemand erklären können. Außer Godot. Also warten wir noch ein bisschen auf ihn.
Titelbild: APA Picturedesk